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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedrich Wilhelm IV. (König von Preußen)
band sich F. W. 25. März zu Wien abermals mit
Österreich, Rußland und England.
Nach dem Friedensschlüsse sorgte er wieder mit
warmem Eifer für das Wohl seines Volks, indem
er sich der Kirche und Schule annahm, Kunst und
Wissenschaft hob und Handel und Gewerbe zu be-
leben suchte. Eine Fülle von geistigen Kräften und
edler Einsicht stand ihm in seinen Ministern und
Räten zur Seite. Doch vermochte sich der König
des Zugs der polit. Reaktion nicht zu erwehren, die
nach dem allgemeinen Frieden die Regierungen Eu-
ropas beherrschte; in Aachen, Karlsbad, Teplitz,
Verona (1818-22) schloß er sich den Maßregeln
Metternichs gegen alle liberalisierenden Neuerungen
an und verlieh Preußen die Verfassung nicht, die
er 22. Mai 1815 der Nation versprochen hatte.
Allerdings stieß die Gewährung derselben bei den
großen provinziellen Verschiedenheiten im Staate
damals noch auf besondere Schwierigkeiten. Aber
die 1823 eingerichteten Provinziallandstände genüg-
ten doch keineswegs dem Zeitbedürfnis. Durch die
1817 von ihm gegründete Union (s. d.) der prot.
Kirchen trachtete er, eine Ausgleichung der beiden
christl. Konfessionen zu bewirken, wobei er freilich
mit Einführung der neuen Agende (2. Juni 1826)
teilweise lebhaften Widerspruch fand. Fromm ge-
sinnt, förderte er wo er konnte den kirchlichen Sinn,
trug freigebig zum Bau von Kirchen, Ausstattung
von Schulen und wissenschaftlichen Anstalten bei
und unterstützte überhaupt alle gemeinnützigen
Bestrebungen. Mit besonderer Vorliebe widmete
er sich den Militärangelegenheiten. Obgleich von
manchen Bedenken gegen die 1814 endgültig ein-
geführte allgemeine Wehrpflicht erfüllt, tastete er
doch ihr Wesen nicht an und bemühte sich, die
Landwehr militärisch zu heben. Industrie, Steuer-
und Verkehrswesen, Landwirtschaft fanden unter
vortrefflichen Ministern entschiedenste Förderung.
Das Ministerium Altenstem, in dem Männer
wie Johannes Schulze wirkten, machte die preuh.
Universitäten zu Stätten intensiver geistiger Bil-
dung. In der äußern Politik schloß sich F. W.
aufs engste Rußland an, das seiner wohlwollen-
den Neutralität wesentlich die großen Erfolge gegen
die Türkei verdankte. Nach der Iulirevolution
von 1830 stellte er ein Beobachtungsheer an der
Maas auf und vermittelte in der Frage der An-
erkennung Belgiens zwischen Rußland und den
Westmächten; bei dem Aufstande der Polen beför-
derte er durch eine bewaffnete Neutralität die Siege
der Russen. Gegen die sog. demagogischen Umtriebe
verfuhr er, gereizt und geängstigt durch Excesse,
wie die Ermordung Kotzebues und das Löningsche
Attentat, in einer Weise, die sonst seinem Charakter
fremd war. Den Kampf, in den ihn die romantisch-
ultramontane Bewegung mit der hohen Geistlichkeit
seines Landes versetzte, konnte er nicht selbst zu
Ende führen. Er starb 7. Juni 1840.
Am 9. Nov. 1824 hatte F. W. eine morganatische
Ehe mit der Gräsin Auguste von Harrach geschlossen,
die er später zur Fürstin von Liegnitz erhob. Die
ihn überlebenden Kinder aus seiner ersten Ehe wa-
ren : sein nächster Nachfolger, Friedrich Wilhelm IV.;
sein zweiter Nachfolger, Wilhelm I.; Prinzessin
Charlotte, später Alexandra (geb. 13. Juli 1798,
gest. 1. Nov. 1860 als Witwe des Kaisers Nikolaus
von Rußland); Prinz Karl (geb. 29. Juni 1801,
gest. 21. Jan. 1883); Prinzessin Alexandrine (geb.
23. Febr. 1803, gest. 21. April 1892 als Witwe
des Großherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg-
i Schwerin); Prinzessin Luise (geb. 1. Febr. 1808, gest.
6. Dez. 1870 als Gemahlin des Prinzen Friedrich
der Niederlande); Prinz Albrecht (geb. 4. Okt. 1809,
gest. 14. Okt. 1872). Zwei Statuen F. W.s befinden
sich zu Berlin: im dortigen Tiergarten das 1848
errichtete Marmordenkmal von Drake; im Lustgar-
ten das 1871 enthüllte Reiterbild von Alb. Wolfs.
Ferner finden sich Reiterstatuen des Königs in Bres-
lau (von Kiß, 1861 enthüllt) und in Köln auf dem
Heumarkt (das 7 m hohe Reiterbild ist von Bläser,
das Postament im ersten Entwürfe von Schievel-
bein, nach des letztern Ableben, 1874, von Calan-
drelli und Schweinitz vollendet; 26. Sept. 1878 ent-
! hüllt). Den Namen F. W.s trägt das 1. brandend.
! Leibgrenadierregiment Nr. 8.
! Vgl. Hippel, Beiträge zur Charakteristik F. W.s III.
! (Bromb. 1841); Eylert, Charakterzüge und histor.
Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen
F. W. III. (3 Tle. in 5 Abteil., Magdeb. 1841-45;
wohlfeile Ausg., 3 Bde., ebd. 1844-46); Duncker,
Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. und F. W.s III. (Lpz.
1876); Gräfin von Voß, Neunundsechzig Jahre
am preuß. Hofe (5. Aufl., ebd. 1887); W.Hahn,
F. W. III. und Luise (3. Aufl., Verl. 1877); Stadel-
mann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für
die Landeskultur, 4. Tl.': F. W. III. (Lpz. 1887).
! Friedrich Wilhelm IV., König von Preu-
i ßen (1840 - 61), geb. 15. Okt. 1795 als ältester
z Sohn Friedrich Wilhelms III. Zuerst von I. F. G.
z Delbrück, der früh die hohe Begabung des Knaben
wahrnahm, feit 1810 von Ancillon in den Schul-
wissenschaften und der Philosophie unterrichtet,
unter Scharnhorst, Knesebeck, Clausewitz und Va-
lentini militärisch ausgebildet, nahm er 1813 an
den Schlachten bei Groß-Görschen, Bautzen und
Leipzig persönlich teil. Vorlesungen Niebuhrs,
Savignys, Nitters und Lancizolles führten ihn in
die Rechts- und Staatswissenschaften ein, und unter
Schinkel und Rauch pflegte er seine ausgesprochene
Neigung für die bildenden Künste. Eine Reise
nack Italien 1828 wirkte bestimmend auf seine
Anschauungen von der Kunst. 1823 ward er mit
dem Vorsitze der Kommission betraut, welche die
Einrichtung von Provinzialständen vorzubereiten
hatte. Es war seine Meinung, daß diese sich an
die alten histor. Stände anlehnen müßten. In dem-
selben Jahre (29. Nov.) vermählte er sich mit der
Prinzessin Elisabeth von Bayern (geb. 13. Nov.
1801, gest. 14. Dez. 1873); die Ehe blieb kinderlos.
Am 7. Juni 1840 starb sein Vater, und F. W. folgte
ihm auf dem Throne. Die ersten Handlungen nach
seiner Thronbesteigung entsprachen den seit langer
! Zeit auf den Kronprinzen gefetzten Hoffnungen. Er
erließ eine Amnestie für polit. Verurteilte, fetzte
E. M. Arndt in feine Professur wieder ein, berief
Voyen und Eichhorn ins Ministerium, stellte die
Brüder Grimm und später Dahlmann an und zog
Größen in Wissenschaft und Kunst, wie Schelling,
Rückert, Tieck, Cornelius, Mendelssohn-Bartholdy,
in feine Nähe. Überdies lieh er durch Mahmann die
Turnanstalten neu einrichten, gewährte der Presse
eine freiere Bewegung und hob 1842 die Censur für
Bücher von mehr als 20 Druckbogen auf; für dog-
matische Erlasse des Papstes wurde fortan lediglich
eine Mitteilung an die Staatsregierung gefordert.
Es war ihm ferner Bedürfnis, den unter der vorigen
Regierung entstandenen Streit mit der röm. Kirche
beizulegen; er ließ den Erzbischof von Köln, Droste