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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gärungsamylalkohol - Garve
turen zum Absterben gebracht werden; hierauf be-
rubt auch das konservieren von zuckerhaltigen Flüs-
sigkeiten und Früchten durch Allskochen und uach-
heriges luftdichtes Verschließen. (S. Apperts Me-
thode.) Zerstört man die Pilze auf meckan. Wege,
durch anhaltendes Zerreiben der Hefe mit Glas-
pulver, dis alle Zellen zerrissen sind, so erregt solcher
Hefenbrei in gärungsfähigen Flüssigkeiten keine be-
merkbare G. mehr. Durch die allgemeine Verbrei-
tung der Hefenpflanze in der Natur tritt G. überall
freiwillig ein, wenn zuckerhaltende Flüssigkeiten sich
selbst überlassen bleiben. Die Hefenzellen fchwebcn
frei in der Luft, sie lassen sich als Daucrsporen auf
Trauben und Beeren nieder und treten fofort in
Wirksamkeit, sobald sie in geeignete Lebensbediw
gungen, die sie im Moste u. dgl. vorfinden, versetzt
werden. Da, wo es aus praktischen Zwecken er-
wünscht ist, die G. rasch und intensiv, ohne Mit-
wirkung anderer Fermente, sich vollziehen zu lassen,
wie z. V. in der Spiritusfabrikation, macht man
besondere Hefenkulture n (K u u st h e f e), die zur
Aussaat in die zur G. zu bringenden Flüssigkeiten
verwandt werden.
Nachdem der pflanzliche Charakter der.Hefe er-
kannt und diefe als eine bestimmte Pilzart, die mit
dem Namen ^ilccliln-mn^ce" ^/<//e,i belegt wurde,
bestimmt war, muhte sich naturgemäß die Frage auf-
drängen, ob dieser Pilz in feiner Art einzig dastehe,
oder ob auch andere pflanzliche Organismen die
gleiche Eigenschaft besäßen. So viele Untersuchun-
gen in dieser Richtung auch angestellt sind, so hat
sich ergeben, daß kein anderer pflanzlicher Organis-
mus mit dieser Fähigkeit in gleichem Mcche begabt
sei wie 8accwn-om) (^8, und daß nur einige wemge
andere Pilzarten, Nucor i-Hcl>mo3u8 F'^s., Nucor
mnc6(Io /v. und ^lucor swlonit'ci- A/ii'k., unter
ganz bestimmten, abnormen Bedingungen in weit
schwächerm Grade G. zu erregeil im stände seien.
Wenn es eine specifische Eigentünllichkeit der Hefe
ist, Zucker in Alkohol und Kohlensäure zu zerlegen
iwobei noch in geringer Menge stets Glycerin und
Bernsteinsäure gebildet wird), fo verhalten sich in
dieser Beziehung nicht alle Zuckerarten gleich. Der
gewöhnliche Zucker, der Rohrzucker, ist als solcher
gar nicht gärungssäbig, leicht gärbar dagegen Trau-
benzucker, Fruchtzucker, Maltose. Bringt man Hefe
in Rohrzucterlösuug, so tritt allerdings alkoholische
G. ein; bei genauerer Untersuchung findet mau
aber, daß die gärende Flüssigkeit keinen Rohrzucker,
sondern statt desselben Traubeilzucker und Frucht-
zucker enthält. Die Hefe fondert ein in Wasser lös-
liches Ferment, das Inv ertin, aus, das den Rohr-
zucker in jene beiden erwähnten, gäruugsfähigeu
Zuckerarten verwandelt.
In denselben Lösungen, die durch Hefe in alto-
holische G. versetzt werden, entstehen durch andere
Fermente gan; verschiedene Gärungserscheinungen.
Die Branntweinmaischen und Bierwürzen werden
durch Vilduug von Milchsäure sauer oder verwan-
den sxch >n ^aft leste gallertartige Massen oder wer-
den schleimig, wenn Fermente, die die Milchsäure-
gärung oder Dertringärung oder Schleimgärung
veranlassen, hineingelangen. Bei der Vutter-
säuregärung wird die Milchsäure durch das
Buttersäureferment (s. Amylobakter) in Buttersäure,
Kohlensäure und Wasserstoff gespalten. Diese Fer-
mente leben, wie 8ac(^ln-0in)'(^8, auf Kostendes
Zuckers, verwandeln ihn aber in ganz andere Spal-
tungsprodukte, überall, wo es darauf ankommt,
reine alkoholische G. zu baben, bat man daher mit
Sorgfalt die Gegenwart fremder Fermente aus-
zuschließen, d. h. für größte Reinlichkeit de5 Be-
triebes zu sorgen. lS. auch Bier und Bierbrauerei,
Hese, Spiritusfabrikation.)
Als durch organisierte Fermente bewirkte G. be-
zeichnet man wobl auch die Prozesse, die Munis
und Verwesung (s. d.) genannt werden. - Vgl.
de Vary, über Schimmel und Hefe (Berl. 18(59);
Wiesner, Einleitung in die technische Mikroskopie
Wien 1867); Liebig, über G. u. s. w. (Lpz. 1870);
Pasteur, Die Altoholgärung sdeutsch von Grieß-
mayer, Augsb. 1871)'; Ad/Mayer, Lehrbuck der
Agrikulturchemie, 3. Aufl., Anhang: Gärungschemie
(Heidelb. 1886); Schützenberger, Die Gärungser-
fcheinungen (Lpz. 1876); Nägeli, Theorie der G.
(Münch/1879); Brefeld, über'G.lin den "Landwirt-
schaftlichen Jahrbüchern", Bd. 3 - 5, Berl. 1874
- 76); Reeß, Botan. Untersuchungen über die
Iörgensen, Die
Mikroorganismen der Gärungsindustrie (3. Aufl.,
Berl. 1892); Berfch, Gärungschemie für Praktiker
(5 Tle., ebd. 1879-86); Bauer, Gärungstechnische
Untersuchungsmethoden (Braunschw. 1891).
Gärungsamylalkohol, s. Amylalkohol.
Gärungsbuttersäure, f. Buttersäure.
Gärungsgewerbe, im engern Sinne die In-
dustriezweig-.', die sich mit der Darstellung von ge-
gorenen, alkoholischenFlüssigteiten beschäftigeil, also
die Branntwein- bez. Spiritus-, Bier- und Wein-
bereitung, im weitern Sinne alle diejenigen, die zur
(5'rzeugung ibres Produtts sich der organisierten Fer-
mente bedienen; es kommen dann zu jenen noch die
Brotbereitung lind die Essigfabrikation hillzu. Die G.
sind von die sie Aus-
übenden die Produzenten der wichtigsten Nahrungs-
und Genußmittel sind, und andererseits als sie durch
die von ibnen auszubringenden Steuern (Spiritus,
Bier) erheblichen Einfluß auf die Höbe des Staats-
eintommeno haben. Der Betrieb dieser Industrie-
zweige erfolgt auf die verfchicdenfte Weise, teils als
Kleingewerbe, teils im großartigsten Maßstabe, und
namentlich in den letzten Decennien hat sich ein ge-
waltiger Umschwung in dieser Beziehung vollzogen,
indem die Großindustrie den kleinen Betrieb immer
mebr verschwinden macht.
Gärmlgsmilchfäure, s. Milchsäure.
Gärungsorganismen oder Gärungspilze,
die überall verbreiteten, zu den niedersten Pilzfor-
men gehörenden Lebewefen, die durch ihre Thätig-
keit die verschiedenen Arten der Gärung hervorrufen.
(S. Fermente und Gärung.)
^ Gärungspilze, f. Gä'rungsorganismen.
! Garve, Cbristian, Philosoph und Schriftsteller,
z geb. 7. Jan. 1742 zu Breslau, widmete sich erst zu
! Frankfurt a. O. unter Vaumgarten pbilos., dann zu
! Halle mallem. Studien und wurde 176<i Docent
ill Leipzig, 1770 außerord. Professor der Philosophie
l daselbst; allein seine sclnvächliche Gesundheit bewog
! ibn, 1772 dieses Amt niederzulegen, worauf er nach
! Breslau zurückkehrte, wo er 1. Dez. 1798 starb.
^ Bekannt machte sich G. zuerst durch Übersetzungen
von ^el-guson^ "Moralphilosophie" (Lpz. 1772),
Burte^ Hckrist "über den Ursprung unserer Begriffe
, vom Erhabenen und Schönen" (Riga 1773); im
^ Auftrag Friedrichs 1l. lieferte er eine überfetzuug
! von Ciceros Schrift "Von den Pflichten" <6. Aufl.,
! 4 Bde., Bresl. 1819), die seinen schriftstellerischen
! Ruf begründete. G.s Pbilosopbie war Lebensphilo-
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