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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gebetbücher – Gebhard III.

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gebet'

menschlichen offenbart, eine verschiedene, je nach der Stellung des Menschen zu Gott, daher die Erhebung des Herzens zu dem Unendlichen für das höhere Leben des Geistes nie ohne Frucht bleiben kann. Da aber gerade die Förderung des menschlichen Lebens in der lebendigen Gemeinschaft mit Gott oder das «Kommen des göttlichen Reichs» der eigentlichste und würdigste Gegenstand jedes G. sein soll, so erhellt, wie jedes in diesem Sinne an Gott gerichtete G. schon in sich selbst der Erhörung gewiß ist. Hiermit sind G., die nicht schlechthin das sittlich-religiöse Leben des Betenden selbst zum Gegenstand haben, zwar nicht ausgeschlossen, ihr unmittelbarer religiöser Wert beruht aber nicht sowohl in einem bestimmenden Einflusse auf den göttlichen Willen, als vielmehr darin, daß sie den Betenden selbst, sei es zur frommen Ergebung in diesen Willen, sei es zu dankbarer Verehrung des göttlichen Waltens geschickt machen.

Als die eigentümlich christl. Form des G. ist das G. im Namen Jesu zu betrachten, worin die altkirchliche Vorstellung eine Berufung auf Jesu stellvertretendes Leiden und Sterben, das ja dem Gläubigen ein Anrecht auf Gewährung seiner Bitte erworben habe, erblickt, daher ältere Gebetsformeln mit den Worten «um Jesu Christi, deines lieben Sohnes willen» zu schließen pflegen. Schleiermacher bezeichnete es dagegen als das G. in den Angelegenheiten Jesu oder um die Förderung des göttlichen Reichs «in Übereinstimmung mit den göttlichen Ordnungen, in welchen Christus seine Kirche regiert», und forderte, daß jedes G. des Christen in ein G. im Namen Jesu übergehe, beim öffentlichen Gottesdienste aber überhaupt kein anderes gehört werden solle. Hiernach ist das G. im Namen Jesu das G. um Förderung wahrhaft christl. Lebens in den Einzelnen ebenso wie in der Gemeinschaft, oder um fortschreitende Verwirklichung des Werkes Christi in der Welt, worin alles, was zu unserer religiösen und sittlichen Vollendung gehört, eingeschlossen ist. – Vgl. Stäudlin, Geschichte der Vorstellungen und Lehren von dem G. (Gott. 1825); Wiener, Das G. (Gotha 1885); Christ, Die Lehre vom G. nach dem Neuen Testament (gekrönte Preisschrift; Leid. 1886).

Gebetbücher, Bücher mit Gebeten zum Gebrauche beim öffentlichen Gottesdienste und bei der Privatandacht. (S. Erbauungsbücher.)

Gebet des Herrn, s. Vaterunser.

Gebet Manasse, s. Manasse.

Gebetmaschinen, cylinderförmige hölzerne Gefäße, welche mit auf Papier geschriebenen Gebetsformeln angefüllt sind und sich um ihre Achse drehen; die Drehung wird durch Menschenkraft oder durch Wind und Wasser bewirkt. Nach der Ansicht der Gläubigen hat ein einmaliges Herumdrehen des Rades dieselbe Kraft wie ein einmaliges Hersagen sämtlicher darin eingeschlossenen Gebete. Maschinen dieser Art waren schon um 400 n.Chr. in Indien in Gebrauch; auch gegenwärtig sind sie bei den nördl. Buddhisten, also in Nepal, Tibet, der Mongolei u.s.w. allgemein üblich. Man findet sie von verschiedener Größe, manche von der Gestalt und dem Umfange einer Mühle, in den Häusern und Klöstern, auch im Freien auf Landstraßen und Verkehrsplätzen; es werden auch Fähnchen mit Gebeten beschrieben, die, wenn sie im Winde flattern, nach dem Glauben der Menge dieselbe Wirkung haben wie jene Maschinen. ↔

Gebetriemen, rabbinisch tephillin, hellenistisch Phylakterien (Matth. 23, 5), bei den Juden die Riemen, woran Pergamentstreifen mit den Gesetzesworten 2 Mos. 13, 1–10, 11–16; 5 Mos. 6, 4–9; 11, 13–21 befestigt sind. Sie werden von den männlichen, mehr als 13jährigen Juden beim Beten an Stirn und linken Arm gebunden, zur buchstäblichen Erfüllung des bildlich gemeinten, auf die alte Sitte des Tättowierens anspielenden Gebotes 2 Mos. 13, 9: «Es sei dir ein Zeichen auf deiner Hand und eine Erinnerung zwischen deinen Augen, damit das Gesetz Gottes in deinem Munde sei». In den Parallelstellen steht «Tättowierung» statt «Erinnerung».

Gebetverhöre, kirchlich vorgeschriebene Prüfungen, bestehend im Abhören von Gebeten seitens der Geistlichen. Im Mittelalter wurde behufs Feststellung ihrer Würdigkeit zu den betreffenden kirchlichen Handlungen den Kommunikanten vor der Beichte, den Brautleuten vor der Trauung und den Paten vor der Taufe gewöhnlich Vaterunser, apostolisches Glaubensbekenntnis und Ave Maria abgefragt. Jetzt versteht man unter G. Prüfungen oder Unterredungen, die in Schweden und teilweise auch noch in Ostpreußen die evang. Geistlichen zu bestimmten Zeiten und in bestimmt geregelter Weise mit den Gemeindegliedern anzustellen haben. Verwandt mit den seit Mitte des 16. Jahrh. von mehrern luth. Kirchenordnungen vorgeschriebenen Katechismusverhören, bilden sie doch eine besondere, durch Gesetz und Sitte eigentümlich gestaltete kirchliche Einrichtung.

Gebhard, Bischof von Eichstätt, s. Victor II., Papst.

Gebhard, Kurfürst und Erzbischof von Köln, aus dem gräfl. Hause der Truchsesse von Waldburg, geb. 10. Nov. 1547, erwarb sich, zum geistlichen Stande bestimmt, eine gründliche theol. Bildung zu Dillingen, Ingolstadt, Löwen, Bourges, Perugia und Bologna. Schon 1560 wurde er Domherr in Augsburg, 1567 in Straßburg und 1568 in Köln; sodann 1574 Dechant in Straßburg, 1576 Dompropst in Augsburg und 1577, obschon der Herzog Ernst von Bayern sein Mitbewerber war, Erzbischof von Köln. Anfangs ein guter Katholik, änderte G. seine Haltung, als er sich in die schöne Gräfin Agnes von Mansfeld verliebte. 1582 trat er offen zur reform. Kirche über und schloß Febr. 1583 seine Ehe mit Agnes, wollte aber seine Stellung behaupten und das Erzbistum selbst zum neuen Glauben überführen. Da er aber schlecht gerüstet war und als Calvinist von den luth. Fürsten fast ohne Unterstützung gelassen wurde, so gelang es seinem vom Domkapitel und von den span. Niederlanden her unterstützten bayr. Rivalen Ernst, ihn 1584 zu verdrängen. G. entwich nach Holland, dann lebte er in Straßburg, wo er 31. Mai 1601. starb. – Vgl. G. Truchseß’ Tagebuch (in Kleinsorgens «Kirchengeschichte von Westfalen», Bd. 3, Münster 1780); Barthold im «Histor. Taschenbuch» (Lpz. 1840); Hennes, Der Kampf um das Erzstift Köln (Köln 1878); Lossen, Der kölnische Krieg. Vorgeschichte 1565–81 (Gotha 1882).

Gebhard III., Bischof von Konstanz, war ein Sohn Bertholds I. von Zähringen. Im Kloster Hirschau gebildet, wurde G. als ein streng kirchlich gesinnter Mann gegen den auf der Seite Heinrichs IV. stehenden Bischof Otto 1084 von dem päpstl. Legaten zum Bischofe von Konstanz ernannt und 1089 durch Papst Urban II. zum Legaten und Führer der päpstl. Partei im Südwesten des

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 617.