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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Geburtshilfe

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Geburtshilfe

4-5 cm langes Tier von oben grauer, unten weißlicher Farbe, dessen Haut an der Kehle glatt, sonst aber überall mit drüsigen Knötchen und Warzen bedeckt ist; hinter dem Ohre tritt eine größere Ansammlung dieser Drüsen als länglicher Buckel äußerlich hervor. Das Tier ist besonders in Frankreich, in Deutschland am Rheine und in Westfalen heimisch, scheint aber im Begriff zu sein sich weiter ostwärts zu verbreiten. Es gräbt lange Gänge in der feuchten Erde. In das Wasser geht es nur selten, und zwar auch nur das Männchen. Bei der Begattung, die zweimal im Jahre stattfindet, läßt das Männchen seine glockenartig helle, angenehm klingende Stimme ertönen, schlingt sich die zu einer Schnur verbundenen, großen Eier um die Hinterbeine und vergräbt sich damit auf 3-4 Wochen in den Boden. Diese Zeit brauchen die Eier, um ihre Embryonalentwicklung durchzumachen; dann begiebt sich ihr Träger ins Wasser, wo die Eihüllen platzen und die Jungen frei werden. - Vgl. Vogt, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der G. (Solothurn 1842).

Geburtshilfe, die Wissenschaft, welche die physiol. und pathol. Vorgänge im weiblichen Körper von der Empfängnis an bis zu Ende der unmittelbaren Folgen der Geburt für Mutter und Kind darstellt und zugleich die Mittel angiebt, durch die der regelmäßige Verlauf dieser Vorgänge befördert, den Unregelmäßigkeiten in denselben aber passend begegnet wird. Da der letztere Teil dieser Wissenschaft, der praktische, jedoch auch oft unmittelbar thätliche Hilfe vorschreibt und zu dieser wieder eine gewisse Fertigkeit nötig wird, so schließt die G. auch eine Kunst, die Entbindungskunst oder Obstetrik (ars obstetricia), ein, deren Ausübung für die Menschheit von solcher Wichtigkeit ist, daß in den meisten civilisierten Staaten nur besonders darin geprüften Ärzten, den sog. Geburtshelfern oder Accoucheurs, die Erlaubnis dazu erteilt wurde, während die diätetische und therapeutische Behandlung einer Schwangern, Gebärenden oder Wöchnerin, wenn kein manueller Eingriff nötig war, jedem andern Arzte, und der Beistand bei leichten, regelmäßigen Geburten den Hebammen überlassen werden konnte. Nach den neuern gesetzlichen Bestimmungen erhält dagegen im Deutschen Reich kein Arzt die staatliche Approbation zur Ausübung der Praxis, der nicht genügende geburtshilfliche Kenntnisse nachzuweisen vermag. Man darf die G. nicht als einen Teil der Medizin im engern Sinne oder der Chirurgie ansehen, da nicht nur die Kenntnis jener beiden Zweige sich vereinigen, sondern noch vieles, was jene in ihrer gewöhnlichen Bedeutung nicht einschließen, hinzutreten muß, um einen vollkommenen Geburtshelfer zu bilden. Aus diesem Grunde erfordert die Erlernung der G. eine besondere Klinik (geburtshilfliche Klinik), worin die geburtshilfliche Pathologie und Therapie gelehrt werden und zu der die mediz. und chirurg. Klinik als Vorbereitungen dienen. Die Vorübungen zu den geburtshilflichen Operationen nimmt man am sog. Phantom (s. d.) vor. Geburtshilfliche Operationen sind nötig, wenn wegen Schwäche, Asthma, Blutungen oder anderer entweder schon eingetretener oder doch zu fürchtender übler Zufälle, welche der Mutter die Fortsetzung der Geburtsanstrengungen unmöglich oder doch sehr gefährlich machen, eine Beschleunigung der Geburt erfordert wird, oder wenn die Größe der Frucht oder die Kleinheit des Beckens den Austritt derselben verhindert, auch wenn die Lage des Kindes dessen Durchgang durch die Geburtsteile verwehrt, oder wenn Regelwidrigkeiten in den Teilen, die der Mutter sowohl als dem Kinde angehören, einem von beiden oder beiden zugleich Gefahr drohen, z. B. zu dicke Eihäute, zu kurze oder zu lange Nabelschnur, Knoten, Vorfall, Zerreißung u. dgl.

Die Geschichte der G. schließt sich eng an die der gesamten Heilkunde an; nur stand die G. in ihrer Ausbildung hinter den übrigen Teilen der Medizin bis in das 18. Jahrh. weit zurück, da sie mit noch mehr Vorurteilen als jene zu kämpfen hatte. Schon in den ältesten Urkunden der Geschichte, in den heiligen Büchern der Inder, Ägypter und Israeliten, wird der Hebammen oder Wehmütter als besonderer Klasse gedacht, und bei den Griechen wie bei den Römern wurden mehrere weibliche Gottheiten als Schutzgöttinnen der Gebärenden verehrt. Erst um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. scheint bei den Griechen männliche Hilfe von den Gebärenden in Anspruch genommen worden zu sein. Hippokrates hat mehrere Schriften über Geburt und G. geschrieben und zeigt sich auch in ihnen als großen Naturbeobachter, obgleich er in Hinsicht auf die Ausübung der Kunst nur wenig aufstellte, was nicht der spätern Berichtigung bedurft hätte. Unter den spätern Ärzten, denen wir Nachrichten über die damalige G. verdanken, sind zu erwähnen: Celsus, Galenus, Moschion, im 3. Jahrh., der sich besonders nach Soranus, dessen Schriften aber verloren gegangen sind, richtete und das erste uns bekannte Hebammenbuch verfaßte; ferner Aetius von Amida im 6. Jahrh. und Paul von Ägina im 7. Jahrh. Im Mittelalter war die G. ebenso wie die übrigen Wissenschaften gänzlich vernachlässigt. Die arab. Ärzte bildeten meist nur die irrigen Ansichten der Griechen weiter aus, ließen aber das Gute in den Schriften ihrer Vorgänger unberücksichtigt, während im Abendlande die G. der rohen Empirie der Mönche und Hebammen allein überlassen blieb.

Erst mit dem 16. Jahrh. wurde der G. wieder mehr Aufmerksamkeit zugewendet; 1513 erschien das erste gedruckte und mit Holzschnitten versehene geburtshilfliche Lehrbuch von Eucharius Rößlin: "Der swangern Frawen und Hebammen Rosengarten", dem die ähnlichen Werke von Jak. Ruff in Zürich (1533) und Walth. Reiff in Straßburg (1561) folgten. Praktisch wurde die Wissenschaft fortgebildet durch Vesalius, Falopia u. a.; doch blieben, da nur in sehr schwierigen Fällen Männer an das Geburtsbett gerufen wurden, die Naturbeobachtung sehr mangelhaft und die Fortschritte hauptsächlich auf die operative Seite der G. beschränkt. Auch wurde die G. nur als ein Teil der Chirurgie angesehen und hatte mit dieser dasselbe Schicksal. Als daher letztere an Ausbildung gewann, wurde auch erstere gefördert, namentlich in Frankreich, wo Franco, Paré und Guillemeau (gest. 1613) sich bedeutende Verdienste um dieselbe erwarben und der Ausübung der G. seitens männlicher Ärzte nach und nach mehr Eingang verschafften. Die Vorurteile gegen die G. wurden endlich wenigstens in den höhern Ständen dadurch fast gänzlich besiegt, daß Ludwig XIV. den berühmten Wundarzt Clement aus Arles zur Entbindung der Lavallière rufen ließ und ihn dann zum ersten Geburtshelfer des Hofs ernannte. Diese Auszeichnung ermunterte die franz. Ärzte zur Ausbildung der G., und vor-^[folgende Seite]