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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geburtsstatistik

in den verschiedenen Ländern nicht gleichmäßig begrenzt, indem er z. B. in Frankreich alle Kinder umfaßt, die bei der Eintragung in das Civilstandsregister nicht mehr lebten, wenn sie auch lebend zur Welt gekommen waren. In England werden die Totgeborenen überhaupt nicht registriert. Andere wichtige, insbesondere socialstatist. Fragen knüpfen sich an die Unterscheidung der Geburten in eheliche und uneheliche, an die Verteilung der Geborenen auf die Jahreszeiten und an die eheliche Fruchtbarkeit.

Faßt man zunächst die Gesamtzahl der Geborenen einschließlich der Totgeborenen ins Auge, so gelangt man für das Deutsche Reich zu folgendem Ergebnis:

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Jahr Mittlere Bevölkerung Geborene Auf 1000 E. entfallen Geborene

1881 45 093 000 1 748 686 38,49

1882 45 717 000 1 769 501 38,71

1883 46 014 000 1 749 874 38,03

1884 46 334 000 1 793 942 38,72

1885 46 705 000 1 798 637 38,51

1886 47 132 000 1 814 499 38,52

1887 47 628 000 1 825 561 38,40

1888 48 166 000 1 828 379 38,07

1889 48 715 000 1 838 439 38,70

1890 49 239 000 1 820 264 36,97

1881/90 47 108 000 1 798 778 38,18

1891 49 767 000 1 903 160 38,24

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Das hier berechnete Verhältnis der Geborenen zur Bevölkerung, die sog. allgemeine Geburtenziffer, ist im Laufe der letzten 10 Jahre nur unbedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen. In den frühern Jahren trifft man auf größere Unterschiede in der Geburtenfrequenz. Die allgemeine Geburtenziffer betrug nämlich 1841/50: 37,5,1851/60: 36,8, 1861/70: 38,7, 1871/80: 40,7 und 1881/90: 38,2. Wenn es im allgemeinen auch zutreffend erscheint, daß die Geburtenfrequenz von der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung derart abhängig ist, daß günstige Zustände eine Steigerung, ungünstige eine Minderung der Geburten herbeizuführen vermögen, so bleibt doch zu beachten, daß andere Umstände das Ergebnis zeitweilig stark beeinflussen. Es ist daher unzulässig, von einer hohen Geburtenziffer ohne weiteres auf vorteilhafte ökonomische Verhältnisse zu schließen. Es können z. B. die größere oder geringere Sorglosigkeit, die Heiratsfrequenz und die hiermit im engen Zusammenhang stehende Verehelichungsgesetzgebung, Kriege, ja selbst die Kindersterblichkeit auf die Gestaltung der Fruchtbarkeit von Einfluß sein. Zudem kommt in der allgemeinen Geburtenziffer die Vermehrungstendenz der Bevölkerung überhaupt nur unklar zum Ausdruck, da strenggenommen nur ein Bruchteil der weiblichen Bevölkerung, nämlich die Zahl der gebärfähigen Frauen, für die Stärke der Fortpflanzung als Maßstab dienen kann. Dieses Verhältnis der Gebärfähigen zur Gesamtzahl der Geborenen pflegt man als besondere Geburtenziffer der allgemeinen gegenüberzustellen.

Im folgenden sind zu den Gebärfähigen sämtliche Verheiratete und Verwitwete bis zum Alter von 50 Jahren, ferner die Ledigen von 15 bis 20 Jahren zur Hälfte, sowie sämtliche Ledige im Alter von 20 bis 50 Jahren gerechnet worden. Es entfielen im Durchschnitt der Periode 1871/85 auf:

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Staaten 100 E. Gebärfähige 1000 E. Geborene 1000 Gebärfähige Geborene

Deutsches Reich 22,81 40,0 174,9

Preußen 22,71 40,0 176,3

Bayern 22,72 43,5 191,3

Sachsen 23,32 44,2 189,5

Württemberg 22,75 45,4 199,4

Baden 22,99 38,2 166,2

Elsaß-Lothringen 22,40 34,6 154,4

Schweiz 23,33 31,2 128,4

Frankreich 23,36 26,3 107,4

Belgien 21,74 33,4 147,1

Dänemark 22,35 32,8 143,1

Schweden 22,81 31,0 132,1

Österreich - 39,8 -

Ungarn - 38,2 -

Italien - 38,3 -

Großbritannien u. Irland (ohne Totgeborene) - 33,0 -

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Infolge des abweichenden Verhältnisses der Zahl der gebärfähigen Frauen zur Gesamtbevölkerung ist es für die Rangstellung der einzelnen Staaten keineswegs belanglos, ob die allgemeine oder die besondere Geburtenziffer zu Grunde gelegt wird. Besondere Beachtung verdient der scharfe Gegensatz zwischen den deutschen Staaten und Frankreich, wo die Geburtenfrequenz infolge des dort herrschenden Zweikindersystems (s. d.) außerordentlich gering ist.

Bei der Verteilung der Geborenen auf die einzelnen Monate des Jahres ist zu beachten, daß dieselbe durch die größere oder geringere Zahl der Konzeptionen bedingt ist. Im Deutschen Reich kommen während des Zeitraums von 1872 bis 1888 bei einem Tagesmittel von 1000 Geborenen für das ganze Jahr auf die Monate:

Januar 1027

Februar 1051

März 1036

April 1000

Mai 972

Juni 952

Juli 959

August 983

September 1049

Oktober 995

November 991

Dezember 989

In Bezug auf die Zahl der Geburten ist die Reihenfolge der Monate: Februar, September, März, Januar, April, Oktober, November, Dezember, August, Mai, Juli, Juni; in Bezug auf die Zahl der Konzeptionen: Mai, Dezember, Juni, April, Juli, Januar, Februar, März, November, August, Oktober, September.

Wenn auch, mit der Verteilung der Eheschließungen aus die Jahreszeiten verglichen (s. Ehestatistik), die Schwankungen nicht als sehr beträchtlich erscheinen, so sind dieselben dennoch keineswegs bloß zufällige, sondern in ähnlicher Weise auch in andern Staaten beobachtet worden. Ein Maximum der Konzeptionen entfällt auf den Mai, ein anderes auf den Dezember, überhaupt ist ihnen das Frühjahr ebenso günstig wie die Herbstmonate ungünstig sind. Physische und sociale Einflüsse sind hier wirksam. Als solche teils fördernde, teils hemmende Ursachen kommen in Betracht: der belebende Einfluß des Frühlings, die erschlaffende Wirkung des Sommers infolge der Hitze und der anstrengenden Erntearbeiten, die winterliche Ruhe der Landbevölkerung und der gesundheitsschädliche Übergang des Winters zum Frühling. Der Wechsel in der Zahl der Eheschließungen während des Jahres scheint keine durch-^[folgende Seite]