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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gefäß; Gefäßbarometer; Gefäßbündel

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Gefäß – Gefäßbündel

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gefängniswesen'

auf ihren richtigen Wert zurückgeführt werden. Das älteste dieser Systeme, dasjenige der Klassifikation, scheiterte an der Schwierigkeit, die unendliche Mannigfaltigkeit der Verbrecher zu rubrizieren; aber es ist uns teilweise erhalten in der Trennung jugendlicher und erwachsener Verbrecher, sowie in der progressiven Klassifikation des Irischen Systems auf Grund des allgemein zutreffenden Unterscheidungsmerkmals des guten und schlechten Verhaltens in der Strafanstalt selbst; außerdem wird der Gedanke dieses Systems neuerdings sehr lebhaft befürwortet bezüglich der Trennung der einmaligen von den Gewohnheitsverbrechern. Das zweite System der strengen pennsylv. Einzelhaft scheiterte an der Schwierigkeit richtiger zeitlicher Begrenzung in der Anwendung. Seine Vorzüge sind uns erhalten in dem Grundgedanken, daß der Sträfling durch Isolierung von seinesgleichen zur Reue zu bringen und demnächst in die Gesellschaft der Reuigen aufgenommen werden kann. Das dritte oder Auburnsche System scheitert an dem Schweiggebot; aber die Trennung bei Nachtzeit erscheint als ein unbedingt notwendiges Moment für alle Gemeinschaftshaft, und außerdem ist in ihm der Wert der äußerlich bemerkbaren Handlungsweise und der Arbeit richtiger betont als in der Einzelhaft. Endlich das vierte System erscheint als der Verschmelzungsversuch aller vorangegangenen Behandlungsweisen, soweit ihnen eine Berechtigung innewohnt.

Auf dem in London versammelten, durch den Amerikaner Wines zusammengebrachten internationalen Gefängniskongreß erklärten sich die meisten Sachverständigen (unter ihnen die Vertreter von Schweden, Dänemark, Osterreich, Italien, der Schweiz) für das progressive System. In Deutschland sind bis jetzt die Stimmen geteilt zwischen dem strengen Einzelhaftsystem ohne zeitliche Beschränkung der Isolierung und dem Irischen oder Progressiven System. Das Deutsche Reichsstrafgesetzbuch steht jedoch dem letztern dadurch näher, daß es der Einzelhaft eine zeitliche Grenze bis zu 3 Jahren giebt, die Beschäftigung der Gefangenen im Freien ausdrücklich zuläßt (§§. 15², 16³, ausgeschlossen bei Festung), was mit der strengen Einzelhaft unverträglich sein würde, und endlich die Einrichtung der vorläufigen widerruflichen Entlassung der Sträflinge aufgenommen hat (s. S. 647b). Eine für Deutschland gemeinsame Gefängnisordnung hat der Reichstag bereits mehrmals durch seine Beschlußfassung als notwendig bezeichnet. Der deutsche Bundesrat hat 1879 einen Gesetzentwurf über den Strafvollzug beraten, derselbe gelangte aber nicht an den Reichstag: das geltende Recht in Deutschland beruht, abgesehen von den wenigen und zusammenhangslosen Vorschriften des Reichsstrafgesetzbuches, wesentlich auf Reglements und Verordnungen und ist außerordentlich verschieden. (Vgl. besonders das preuß. Reglement vom 16. März 1881.) In neuester Zeit macht sich eine starke Strömung auf gänzliche Beseitigung kurzdauernder Freiheitsstrafen geltend, welcher die belg. und ital. Gesetzgebung bereits Rechnung getragen hat. Letztere hat überdies den Hausarrest dem staatlichen Strafensystem eingefügt.

Der alte Satz: «Eines schickt sich nicht für alle», paßt auch auf die Einrichtung der Strafanstalten. Es giebt kein Universalsystem, das für alle Länder und für sämtliche Kategorien von Übelthätern gleich passend wäre. Nur darauf kann es ankommen, das Verhältnis der Regel zur Ausnahme in der Wahl ↔ eines zweckmäßigen Behandlungsmodus auszudrücken und dabei anzuerkennen, daß der Vollzug lange dauernder Freiheitsstrafen eine andere Einrichtung fordert als derjenige kürzerer Freiheitsentziehungen. Die allererste Vorbedingung für die Ermöglichung einer praktischen Gefängnisreform wäre die genaue, durch sorgfältige statist. Beobachtung gewährleistete Feststellung aller wesentlichen thatsächlichen Verhältnisse. An einer allgemeinen amtlichen Statistik des G. fehlt es leider in Deutschland, sogar in Preußen, wo nur das Ministerium des Innern ausführliche Nachweisungen (zuletzt bis 1. April 1882 reichend) über die Anstalten seines Ressorts veröffentlichte, ohne daß gleichzeitig in gleicher Form über die Anstalten des Justizministers berichtet wurde.

Bei der Gefängnisreform hat überdies auch die Gesellschaft selbst eine der wichtigsten Aufgaben zu lösen, nämlich in betreff der Gefängnisvereine, die sich mit der Fürsorge für entlassene Sträflinge beschäftigen (s. Gefangenenfürsorge).

Die Litteratur über das G. ist sehr umfangreich, Über den Stand der Gefängnisreformen in Europa vgl. außer Mittermaiers obengenannter Schrift noch dessen: Die Gefängnisverbesserung (Erlangen 1858); ferner: Hänell, System der Gefängniskunde (Gött. 1866); Zugschwerdt, Der Vollzug der Freiheitsstrafe (Wien 1867); die Berichterstattung über den ersten internationalen Gefängniskongreß zu London u. d. T.: Prisons and reformations at home and abroad (hg. von Pears, Lond. 1872), und über den zweiten Kongreß zu Stockholm (1878). Von den dem G. gewidmeten Zeitschriften sind die wichtigsten: die Allgemeine deutsche Strafrechtszeitung (Lpz. 1861–74), die vom Verein der Strafanstaltsbeamten herausgegebenen Blätter für Gefängniskunde (Heidelb. 1864 fg.), die ital. Rivista delle discipline carcerarie von Beltrani-Scalia und das inhaltreiche zu Paris erscheinende Bulletin de la Société générale des prisons. Infolge des zweiten internationalen Gefängniskongresses vereinigte sich eine Anzahl von Regierungen zur Bildung einer internationalen Gefängniskommission, welche die Arbeiten zukünftiger Kongresse vorbereiten und die gewonnenen amtlichen Erfahrungen austauschen soll. Die letzte Kundgebung dieser Kommission liegt in dem Bulletin de la Commission pénitentaire internationale Nr. 2 vor (Jan. 1883). Ferner: Holtzendorff und Jagemann, Handbuch des G. in Einzelbeiträgen (2 Bde., Hamb. 1888); Dalcke und Genzmer, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnisverwaltung in Preußen (2. Aufl., Berl. 1889); Streng, Das Zellengefängnis Nürnberg (Stuttg. 1879); H. Seuffert, Gefängnisverwaltung (in «Stengels Wörterbuch des Verwaltungsrechts», 2 Bde., Freib. i. Br. 1889–90).

Gefäß, in der Botanik, s. Gefäße; in der Anatomie, s. Gefäße und Gefäßsystem; G. am Degen und Säbel, s. Säbel.

Gefäßbarometer, s. Barometer.

Gefäßbündel nennt man in der Botanik Vereinigungen mehrerer in Bau und Funktion verschiedenartiger Zellen und Zellfusionen zu strangartigen Gebilden, die sich fast in allen Organen der Gefäßkryptogamen und Phanerogamen vorfinden. Die Elemente, aus denen sich die G. zusammensetzen, haben zum größten Teil die Funktion, die Stoffwanderung in der Pflanze zu vermitteln, es findet also in den G. sowohl die Leitung der von den

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 650.