Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

690

Gehör

Taf. II, Fig. 1, 2 und 4, 2) mündet in den Vorhof ein, während die untere, weitere und kürzere, die Paukentreppe (scala tympani, Taf. II, Fig. 1, 3 und 4, 3), nur durch die Membran im runden Fenster von der Paukenhöhle getrennt wird. Die knöcherne Achse, um die sich der Schneckengang (Taf. II, Fig. 4, 1) schraubenförmig windet, wird als Spindel (modiolus, Taf. II, Fig. 1, 4), das blinde Ende des Schneckenkanals als Kuppel (cupula, Taf. II, Fig. 1, 1) unterschieden. Die Schnecke wird von einem Ast des Hörnerven, dem Schneckennerv (nervus cochleae, Taf. II, 2, 6 und 4, 6), innerviert. Die drei Bogengänge oder halbzirkelförmigen Kanäle (canales semicirculares, Taf. I, Fig. 1, 9 und 4, 1-3 und Taf. II, Fig. 3, 10) endlich sind drei Cförmig gekrümmte, mit ihren Ebenen senkrecht aufeinander stehende Kanäle, die den hintern obern Teil des Labyrinths bilden und ihre Lage hinter dem Vorhof haben. Jeder besitzt eine Anfangs- und eine Endmündung in der Vorhofshöhle, und zwar erweitert sich die Anfangsmündung zu einer ovalen flaschenähnlichen Höhle, welche Ampulle (Taf. II, Fig. 2, 2) genannt wird. Man unterscheidet einen obern, einen untern oder hintern und einen äußern oder horizontalen Bogengang, von denen der untere der längste, der äußere der kürzeste ist.

Die eben beschriebenen Hohlräume des knöchernen Labyrinths werden zum Teil von dem häutigen Labyrinth (Taf. II, Fig. 2) ausgefüllt, das mit Wasser erfüllt und der Sitz der Gehörnerven (Schnecken- und Vorhofsnerv) und ihrer akustischen Endorgane ist. Zwischen der innern Oberfläche des knöchernen Labyrinths und dem häutigen Labyrinth

^[img]

Querschnitt durch das Cortische Organ.

a Reißnersche Haut, b Huschkes Gehörzähne, c Cortische Membran, d innere obere Hörzelle, e innere nntere Hörzellen, f innere, g äußere Cortische Pfeiler, h äußere absteigende Hörzellen, i äußere aufsteigende Hörzellen, k Grundmembran, l Blutgefäß, m Nervenfasern des Schneckennervs, n knöcherne Spiralplatte, o Schneckengehäusewand.

befindet sich eine geringe Menge einer serösen Flüssigkeit (perilympha s. aquula Cotunni), welche das häutige Labyrinth gewissermaßen schwimmend erhält und auch die ganze Schnecke erfüllt. Das häutige Labyrinth setzt sich aus zwei im Vorhof gelegenen häutigen zarten Säckchen (Fig. 2, i) und drei in den knöchernen Bogengängen liegenden und diesen ähnlich gestalteten häutigen Röhren oder Schläuchen, den häutigen Bogengängen (Fig. 2, 3-5), zusammen, die sämtlich mit dem Ohrwasser, einer eiweißhaltigen Endolymphe, erfüllt sind und zu den eigentlichen akustischen Endapparaten des Gehörnerven in engster Beziehung stehen. Von den beiden Vorhofssäckchen steht das kleinere, sog. runde Säckchen (sacculus rotundus s. sphaericus) mit der Schnecke in Verbindung, während das andere größere, das sog. längliche Säckchen (sacculus ellipticus s. utriculus) nach hinten in die häutigen halbzirkelförmigen Kanäle übergeht, welche die knöchernen Bogengänge ausfüllen und wie diese in der Nähe des Vorhofs mit ampullenförmigen Erweiterungen versehen sind (Fig. 2, 2). Auf der Innenfläche der Vorhofssäckchen und der häutigen Ampullen verbreitet sich ein Teil des Gehörnerven, der sog. Vorhofsnerv (nervus vestibuli, Fig. 2, 7), dringt in das Epithel ein und endigt in Zellen, die oben je mit einem feinen borstenförmigen Haare, dem Hörhärchen oder Hörfaden, besetzt sind. An der Nervenausbreitung in beiden Säckchen bemerkt man ein paar unscheinbare größere weiße Flecken, die sog. Gehörflecken, die durch zahllose spitze sechsseitige Krystalle von kohlensaurem Kalk, den Gehörsand oder die Gehörsteinchen (Otolithen), gebildet werden. Von besonderer Bedeutung sind die häutigen Gebilde, welche sich im Innern der knöchernen Schnecke befinden, und in welchen die Endausbreitung des eigentlichen Hörnerven, des Schneckennerven, enthalten ist. Außer den bereits oben erwähnten, durch die Spiralplatte voneinander geschiedenen Spiralgängen oder Treppen, der Vorhofs- und Paukentreppe, die übrigens in der Kuppel der Schnecke durch ein Loch miteinander in offener Verbindung stehen und mit Labyrinthwasser angefüllt sind, befindet sich in der Schnecke noch eine außerordentlich wichtige dritte oder mittlere Treppe, der häutige Schneckengang oder Schneckenkanal (canalis cochlearis, Taf. II, Fig. 4, 1), der dadurch zu stande kommt, daß von der Mitte der Spiralplatte, da, wo der häutige Teil derselben an den knöchernen sich anschließt, eine zarte Membran, die sog. Reißnersche Haut (Fig. 4, 7 und nebenstehende Fig. a) sich nach außen und oben, nach der Vorhofstreppe zu, nach der äußern Schneckenwand hinzieht und dadurch einen mittlern engen dreiseitigen Kanal absondert. Dieser häutige, gleichfalls mit Labyrinthwasser erfüllte Schneckenkanal ist das weitaus wichtigste Organ des gesamten Labyrinths, weil er in einem eigentümlich umgewandelten Epithel den physiologisch bedeutsamsten Teil des ganzen Gehörorgans, die Endorgane der Schneckennerven, enthält, die nach ihrem Entdecker, dem Italiener Marquis Alfonso Corti (1851), auch als Cortisches Organ bezeichnet werden und die für den Hörnerven dieselbe Bedeutung besitzen, welche der Netzhaut des Auges für den Sehnerven zukommt.

Das Cortische Organ befindet sich auf der innern Hälfte der häutigen Spiralplatte oder sog. Grundmembran, welche die Scheidewand zwischen Schneckengang und Paukentreppe bildet, und setzt sich aus Epithelzellen des Schneckengangs zusammen, deren Oberfläche von einer gefensterten Membran, der sog. Netzhaut (membrana reticularis) überkleidet ist. Die wichtigsten dieser mikroskopisch kleinen Epithelialbildungen sind, von innen nach außen betrachtet: die innern Hör- oder Haarzellen, die Cortischen Bogen und die äußern Haarzellen. Gewissermaßen die Stütze des ganzen Organs bilden die Cortischen Bogen (s. vorstehende Figur, f g