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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Geleitsbrief; Gelenau bei Ehrenfriedersdorf; Gelenk

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Geleitsbrief - Gelenk

wo er Sicherheit gefunden, zurückzukehren. Die in Deutschland früher den Landesjustizverwaltungen zustehende Befugnis, freies G. zu erteilen, worüber ein Geleitsbrief ausgestellt wird, ist durch §. 337 der Deutschen Strafprozeßordnung den zuständigen Gerichten beigelegt. Das freie oder sichere G., dessen Erteilung an Bedingungen geknüpft werden kann, gewährt danach Befreiung von der Untersuchungshaft, jedoch nur hinsichtlich derjenigen Strafthat, für welche es erteilt ist; es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht, wenn der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft oder wenn er die ihm gestellten Bedingungen nicht erfüllt. In Österreich wird das freie G. von dem Justizminister erteilt (Österr. Strafprozeßordn. §§. 419, 420). - Über militärisches G. s. Bedeckung (militär.).

Geleitsbrief, Geleitsgeld, s. Geleit.

Gelenau bei Ehrenfriedersdorf, Dorf mit Rittergut in der Amtshauptmannschaft Annaberg der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau, 17 km im NW. von Annaberg, an der Nebenlinie Wilschthal-Ehrenfriedersdorf der Sächs. Staatsbahnen, hat (1890) 5698 (2834 männl., 2804 weibl.) E., Post, Telegraph, schöne got. Kirche; Spitzenklöppelei, Strumpfstrickerei, Baumwollspinnerei, eine Farbenfabrik, 2 Strumpffabriken und Kalksteinbrüche.

Gelenk (Articulus, Articulatio), diejenige Form der Knochenverbindung, bei der zwei oder mehrere Knochen mit entsprechend gestalteten und überknorpelten Flächen aneinander stoßen und durch Bänder (s. d.) derart zusammengehalten werden, daß sie ihre Stellung zueinander ändern, d. h. sich bewegen können. Den Gegensatz zu dieser beweglichen oder unterbrochenen Knochenverbindung (Diarthrose) bildet die unbewegliche oder ununterbrochene (Synarthrose), bei welcher, wie bei den Schädelknochen, den meisten Gesichtsknochen und den Beckenknochen, die einander gegenüberstehenden Knochenflächen in ihrer ganzen Ausdehnung durch Zwischenmassen fest und unbeweglich miteinander verbunden sind; eine Art Mittelglied zwischen beiden bildet die sog. Fuge (Symphyse), bei welcher, wie bei der Schambeinfuge, dick überknorpelte, durch eine spaltförmige Höhle voneinander getrennte Knochenflächen durch straffe Bandapparate mit einem Minimum von Beweglichkeit zusammengehalten werden. Die G. sind für die Funktionen des tierischen und menschlichen Körpers von der allergrößten Bedeutung, insofern nur durch sie die wundervolle Gliederung und freie Beweglichkeit des Körpers ermöglicht wird.

An jedem G. unterscheidet man die knöchernen Gelenkenden (superficie articulares), von denen das eine gewöhnlich mehr oder minder kugelförmig, das andere mehr oder minder flach oder pfannenartig ausgehöhlt ist und die beide mit einem glatten elastischen Überzug von Knorpelsubstanz überzogen sind und außerdem noch durch eine im G. abgesonderte zähe, klebrige, eiweißartige Flüssigkeit, die Gelenkschmiere (synovia), jederzeit schlüpfrig erhalten werden, sodaß sie leicht aneinander hin und her gleiten können, weiterhin die sog. Gelenkkapsel oder das Kapselband (ligamentum capsulare, s. Tafel: Die Bänder des Menschen, Bd. 2, S. 359), eine feste sehnige Haut, welche sackartig beide Gelenkenden fest umschließt und einen zwischen den Gelenkenden gelegenen allseitig geschlossenen Hohlraum, die Gelenkhöhle, begrenzt, sowie endlich die sog. Hilfsbänder oder Faserbänder (ligamenta accessoria), platte sehnige Stränge, die außerhalb des Gelenkraums in verschiedener Richtung von einem Knochen zum andern gehen und teils die Verbindung der letztern zu befestigen, teils die Beweglichkeit des G. einzuschränken bestimmt sind. Die Gelenkkapsel ist auf ihrer innern, der Gelenkhöhle zugekehrten Fläche mit einer feinen serösen Haut, der Gelenk- oder Synovialhaut (membrana synovialis), überzogen, welche die eben erwähnte Gelenkschmiere absondert und in vielen G. auch noch eine Anzahl von Falten und zottenartigen Fortsätzen, die sog. Gelenk- oder Synovialzotten (vilii synoviales) bildet, die sich in die Gelenkhöhle hinein erstrecken und zur Auspolsterung derselben dienen. Eine besondere Eigentümlichkeit mancher G. bilden die sog. Zwischenknorpel (cartilagines interarticulares), freie, nur an die Gelenkkapsel befestigte Knorpelscheiben, die als Lückenbüßer mehr oder weniger weit zwischen die Gelenkflächen der Knochen hineinragen und dadurch die Festigkeit der betreffenden Gelenkverbindung erhöhen.

Von der Beschaffenheit und Größe der sich verbindenden Gelenkflächen der Knochen hängt es im wesentlichen ab, wie viel Beweglichkeit den betreffenden Knochen verstattet wird. Ein an einer großen Fläche mit dem andern verbundener Knochen kann nicht so viel oder so freie Beweglichkeit besitzen als einer, der nur mit einer kleinen Fläche den andern berührt. Außerdem wird diese Beweglichkeit durch die Gestalt der Gelenkflächen und durch die größere oder geringere Nachgiebigkeit der Gelenkbänder und der über das G. hinweggehenden Muskeln beeinflußt. Zudem ist auch der Druck der äußern Atmosphäre für die Funktionen der Gelenke von größter Bedeutung, insofern der Luftdruck schon an und für sich, nach Durchschneidung sämtlicher Weichteile mit Einschluß der Gelenkkapsel, vollkommen ausreicht, die Gelenkflächen in Kontakt und somit die dazugehörigen Skelettabschnitte in Zusammenhang zu erhalten. Ja der Luftdruck überwiegt meist das Maß von Kraft, das für den Zusammenhalt der Gelenkflächen notwendig ist, um ein Bedeutendes. So wird das Gehen (s. d.) ganz wesentlich dadurch erleichtert, daß der konvexe Kopf des Oberschenkelbeins so vollkommen genau und luftdicht in die konkave Pfanne des Beckenknochens eingelenkt ist, daß beide Flächen, ohne alle Mitwirkung von Bändern und Muskeln, durch den bloßen Luftdruck fest aneinander gehalten werden und das Gewicht des Beins bei jeder Pendelschwingung des letztern, ohne Kraftaufwand von seiten des Körpers, von der Atmosphäre gleichsam getragen wird.

Hinsichtlich der mechan. Verhältnisse pflegt man folgende Formen von G. zu unterscheiden: 1) Freie oder Kugelgelenke (arthrodiae), welche Bewegungen in jeder Richtung gestatten, wie z. B. das Schultergelenk. Wird dabei das kugelige Ende des einen Knochens ganz von der Gelenkgrube des andern umfaßt, wie das am Hüftgelenk der Fall ist, so wird dies als Nuß- oder Pfannengelenk (enarthrosis) bezeichnet; 2) Winkel- oder Scharniergelenke (ginglymi), welche nur Beugung und Streckung, also nur Bewegung in einer Ebene gestatten, wie z. B. das Ellbogengelenk, die Finger- und Zehengelenke; 3) Roll- oder Drehgelenke (rotationes), bei denen sich ein Knochen um einen zweiten oder um seine eigene Achse dreht, wie z. B. der Atlas um den Zahnfortsatz des zweiten Hals-^[folgende Seite]