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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gelenkabsceß; Gelenkbänder; Gelenkeiterung; Gelenkenden; Gelenkentzündung

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Gelenkabsceß - Gelenkentzündung

Wirbels oder das Köpfchen der Armspindel um seine eigene Achse; 4) straffe G. (amphiarthroses), deren Knochenenden durch straff angezogene Bänder so fest zusammengehalten werden, daß sie sich nur wenig aneinander verschieben können, wie das bei den verschiedenen Hand- und Fußwurzelqelenken der Fall ist.

Ein falsches oder widernatürliches G. (Scheingelenk, pseudarthrosis) entsteht bisweilen nach Knochenbrüchen, wenn die beiden Bruchenden infolge von Störungen des Heilungsvorgangs nicht durch feste Knochenmasse wieder miteinander verwachsen, sondern nur durch eine dehnbare fibröse Zwischenmasse miteinander verbunden werden. In solchen Fällen bildet sich eine einem natürlichen G. analoge Knochenverbindung, die aber dadurch, daß sie den betreffenden Knochen an einer widernatürlichen Stelle seiner normalen Festigkeit und Starrheit beraubt, die Gebrauchsfähigkeit des verletzten Gliedes gewöhnlich beträchtlich vermindert und deshalb ein operatives Eingreifen erforderlich macht; man pflegt derartige falsche G. unter antiseptischen Vorsichtsmaßregeln zu eröffnen, die alten Bruchenden mit dem Meißel wieder anzufrischen und mit Silberdraht oder Elfenbeinstiften zu vereinigen, worauf dann meist eine knöcherne Verwachsung der beiden Bruchenden und damit die Heilung der Pseudarthrose erfolgt.

Von einem neuen G. (neathrosis) spricht man, wenn nach Verrenkungen der ausgerenkte Gelenkkopf nicht in seine Pfanne zurückgebracht wird, sondern an der Stelle, die er zufällig einnimmt, durch seinen beständigen Druck und durch eintretende Knochenwucherung der Umgebung einen Eindruck und allmählich eine mehr oder minder erhebliche Vertiefung bewirkt, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit einer natürlichen Gelenkhöhle besitzt und auch eine gewisse Beweglichkeit der verrenkten Gliedmaße wieder gestattet.

Ein künstliches G. (articulus artificialis) endlich nennt man jede bewegliche Knochenverbindung, die auf operativem Wege hervorgerufen wird, um eine durch pathol. Vorgänge entstandene widernatürliche knöcherne Verwachsung der normalen Gelenkenden wieder zu beseitigen. (S. Arthroplastik.)

Gelenkabsceß, s. Gelenkentzündung.

Gelenkbänder, s. Gelenk.

Gelenkeiterung oder Gelenkempyem, s. Gelenkentzündung.

Gelenkenden, s. Gelenk.

Gelenkentzündung (Arthritis), die Entzündung der Gelenke und ihrer nächsten Umgebung, bietet hinsichtlich ihrer anatom. Eigentümlichkeiten, ihrer Intensität, ihres klinischen Verlaufs und ihrer Ausgänge die allergrößten Verschiedenheiten dar, je nachdem nur die Gelenkschleimhaut oder die Knochen und Knorpel, oder die Gelenkbänder, oder alle diese Teile zusammengenommen von der Entzündung ergriffen wurden.

Man unterscheidet deshalb gewöhnlich folgende Formen der G.: 1) Die akute einfache oder seröse G. (Arthromeningitis oder Synovitis acuta serosa), deren Sitz vorwiegend die Synovial- oder Gelenkschleimhaut ist und die mit einer gewissen Vorliebe die großen Gelenke, namentlich das Knie-, Hüft-, Schulter-, Fuß- und Ellbogengelenk befällt. Ihre Ursachen sind außerordentlich mannigfaltig. Zunächst sind es verschiedenartige örtlich einwirkende mechan. Schädlichkeiten namentlich Quetschungen, Verstauchungen, Verrenkungen, Wunden und andere Verletzungen der Gelenke, die mehr oder minder schwere G. zur Folge haben. Weiterhin geben Erkältungen, insbesondere Durchnässungen und die Einwirkung von kalter Zugluft nach vorhergegangener Erhitzung eine häufige Ursache der akuten G. ab; diese Form der G. nennt man meist die rheumatische. (S. Gelenkrheumatismus.) Auch manche Konstitutionskrankheiten, wie Gicht, Skrofulose, Tuberkulose und Syphilis, geben in ihrem Verlaufe häufig Veranlassung zu heftigen Entzündungen der Synovialschleimhaut. Ebenso kann der Tripper unter Umständen eine eigenartige G. zur Folge haben. (S. Tripper.)

Die Krankheit beginnt in der Regel mit Rötung und Schwellung der Gelenkschleimhaut, wozu sich sehr bald Schmerzen bei Bewegungen des Gelenks, ein mehr oder minder reichlicher Erguß von wässeriger seröser Flüssigkeit in die Gelenkhöhle und eine bald größere, bald geringere Anschwellung der ganzen Gelenkgegend gesellen; wird der Erguß bedeutend, so entsteht hierdurch das eigentümliche Gefühl der Schwappung oder Fluktuation im Gelenk. Fieber kann vorhanden sein, kann aber auch fehlen. Wenn der Flüssigkeitserguß in die Gelenkhöhle nur gering ist, so fühlt und hört man häufig bei Bewegung des Gelenks oder bei Druck auf dasselbe ein deutliches Knarren oder Knirschen, das durch die gegenseitige Reibung der rauhen Gelenkflächen zu stande kommt. Die Ausgänge dieser akuten serösen Entzündung sind sehr verschieden; entweder tritt vollständige Heilung ein, indem die ergossene Flüssigkeit wieder aufgesaugt wird, oder die Krankheit geht in die chronische Gelenkwassersucht (s. d.) über, oder sie führt zu tiefer greifenden Zerstörungen der Gelenkknorpel, zur Verwachsung der Gelenkflächen und damit zu dauernder Gelenksteifigteit (s. d.), oder endlich sie geht in akute eiterige G. über und kann wie diese durch fortgesetzte Eiter- und Säfteverluste das Leben gefährden.

2) Die akute eiterige G. (Arthromeningitis oder Synovitis acuta prorulenta), auch wohl als Gelenkempyem oder als Gelenkeiterung (Arthropyosis, Pyarthros) bezeichnet, entwickelt sich entweder durch Vernachlässigung und andere ungünstige Umstände aus der vorigen oder tritt gleich von Anbeginn an als eiterige Entzündung im Verlaufe schwerer Infektionskrankheiten, namentlich der Pyämie, des Kindbettfiebers, der Pocken, Masern, des Scharlachs und des Typhus, auf; auch kann jede Gelenkwunde (s. d.), wenn der atmosphärischen Luft mit ihren Fäulniserregern der Zutritt zur Gelenkhöhle offen steht, schwere, selbst lebensgefährliche Gelenkeiterungen zur Folge haben. Die Symptome sind ungleich bedrohlicher als bei der serösen Form. Unter mehr oder weniger hohem Fieber, selbst Schüttelfrösten, wird das Gelenk außerordentlich schmerzhaft, sodaß der Kranke bei der geringsten Bewegung laut aufschreit, die Haut über dem Gelenk ist gerötet, teigig angeschwollen und hinterläßt bei Fingerdruck eine seichte Grube; im weitern Verlauf tritt entsprechend der meist reichlichen Eiteransammlung in der Gelenkhöhle eine auffallende Anschwellung der ganzen Gelenkgegend hinzu, und frühzeitig pflegen sich gewisse eigentümliche fehlerhafte Stellungen der Gelenke auszubilden. Gewöhnlich hält der Kranke das entzündete Gelenk ängstlich in einer sog. Mittellage, d. h. in halber Beugung, bei welcher die um das Gelenk herumliegenden Bänder und Muskeln