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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gelenkschmiere; Gelenksteifigkeit

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Gelenkschmiere - Gelenksteifigkeit

sind das Aufhören des Fiebers, die Abschwellung der Gelenke, die Verminderung der Schweißbildung und eine normale Harnbeschaffenheit zu bezeichnen.

Die Behandlung des akuten G. verlangt, auch in den anscheinend leichten Fällen, vor allen Dingen durchaus absolute Ruhe und Schonung der affizierten Gelenke durch Bettruhe, zweckmäßige Lagerung, nötigenfalls selbst Fixierung durch leichte Pappwatteverbände, sowie gleichmäßigem Warmhalten durch leichte Umhüllungen mit Werg, Watte, Flanellbinden u. dgl.; in manchen Fällen leisten zwar kalte Umschläge und Eisbeutel unleugbar gute Dienste, aber im allgemeinen werden dieselben von den meisten Kranken weniger gut als die trockne Wärme vertragen. Gegen übermäßige Schmerzen erweisen sich schmerzlindernde Einreibungen (Chloroformliniment, Ichtyol, Petroleumäther, Elaylchlorür) sowie Einspritzungen von zweiprozentiger Carbolsäurelösung unter die Haut der Gelenkgegend, unter Umständen auch die örtliche Anwendung der Elektricität und vor allem Morphiuminjektionen nützlich. Von den innern Heilmitteln haben sich neuerdings die Salicylsäure, das salicylsaure Natron, das Antipyrin und Phenacetin als vortreffliche Mittel gegen den akuten G. vielfach bewährt; auch das Salol und das Salipyrin, das Exalpin und das salzsaure Phenocoll wirken oft günstig. Solange das Fieber währt, ist eine entsprechend schmale Diät zu wählen (s. Fieber); als Getränk reicht man dem Kranken Wasser, Selters- oder Sodawasser, Citronenlimonade u. dgl. Wenn nach dem Schwinden der akuten Krankheitserscheinungen reichlichere Gelenkausschwitzungen zurückbleiben, so wende man Jodpinselungen, komprimierende Verbände, in hartnäckigen Fällen Massage an. Während der Genesung hüte sich der Kranke, das Bett zu früh zu verlassen und vorzeitige Gehversuche anzustellen, da hierdurch leicht Rückfälle hervorgerufen werden. Überhaupt meide er nach überstandener Krankheit noch lange Zeit hindurch Erkältungen und übermäßige Anstrengungen, trage wollene Unterkleider, sorge für sonnige und trockne Wohn- und Schlafräume und suche sich allmählich und mit der gehörigen Vorsicht durch kalte Bäder und Abreibungen gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten.

2) Der akute fieberlose G. (Monarthritis acuta rheumatica) ist eine durch rheumatische Einflüsse hervorgerufene, fieberlos verlaufende, entzündliche Gelenkaffektion, die immer nur rein örtliche, keinerlei Allgemeinerscheinungen verursacht, gewöhnlich nur ein Gelenk und zwar mit einer gewissen Vorliebe das Schulter-, Knie-, Fuß- oder Handgelenk befällt, und unter dem Bilde einer einfachen Gelenkentzündung (s. d.) verläuft. Die Behandlung besteht im Fixieren des Gelenks durch geeignete Verbände, in der Anwendung von trockner Wärme und von Hautreizen, im weitern Verlaufe im Gebrauch der Massage und in vorsichtigen passiven Bewegungen.

3) Der chronische G. (Rheumatismus articulorum chronicus, Rheumarthritis chronica) stellt eine sehr schleichende und langwierige, fieberlose, infolge rheumatischer Schädlichkeiten entstehende Gelenkentzündung dar, die meist nur ein einzelnes oder nur eine geringe Zahl von Gelenken ergreift, nicht wie der akute G. von einem Gelenk auf das andere überspringt und niemals Herzaffektionen zur Folge hat. Er entwickelt sich entweder durch Vernachlässigung und unzweckmäßiges Verhalten aus den beiden vorigen Formen, oder tritt, was das häufigere ist, von Haus aus als chronische Entzündung auf. Die Schädlichkeiten, welche den chronischen G. hervorrufen, bestehen nicht, wie bei dem akuten, in einmaliger starker Abkühlung der Körperoberfläche, sondern meist in oft wiederholter Einwirkung von Kälte oder Nässe auf den Organismus. Dem entsprechend kommt der chronische G. vorwiegend bei den niedern Volksklassen vor und wird am häufigsten durch das Bewohnen kalter und feuchter Räume, durch Hantieren im Wasser, Stehen auf feuchtem Boden u. dgl. hervorgerufen, weshalb Wasserarbeiter, Wasch- und Scheuerfrauen, Tagelöhner, Dienstmädchen und verwandte Berufsklassen mit besonderer Vorliebe von der Krankheit heimgesucht werden. Auch darin unterscheidet sich der chronische G. vom akuten, daß er nicht wie dieser das jüngere, sondern im Gegenteil vorwiegend das höhere Lebensalter (vom 40. bis zum 60. Lebensjahre) befällt. Die hauptsächlichsten Kennzeichen bestehen in mehr oder weniger heftigen, hinsichtlich ihrer Intensität sehr schwankenden Gelenkschmerzen, welche bei rauher und stürmischer Witterung gewöhnlich ausfallend gesteigert werden, bei warmem und beständigem Wetter hingegen oftmals ganz verschwinden, in einer bald nur mäßigen, bald beträchtlichen Anschwellung der Gelenke, einer gewissen Steifigkeit und Unbeholfenheit des betreffenden Gliedes, und bei längerm Bestehen des Leidens in gewissen Formveränderungen der befallenen Gelenke, in denen man häufig infolge der Rauhigkeit ihrer Gelenkflächen bei Bewegungen ein knarrendes oder knackendes Geräusch vernimmt. Auf das Allgemeinbefinden äußert der chronische G. meist keine nachteiligen Wirkungen; manche Kranke ertragen ihr Leiden 20, selbst 30 Jahre hindurch bis zum Tode.

Bei der Behandlung des chronischen G. spielen die Hautreize (Einreibungen mit spirituösen Mitteln, Jodtinktur, heiße Douchen u. dgl.) eine wichtige Rolle, deren Wirkung durch die Anwendung trockner Wärme (Einwicklung in Werg, Watte, Gichtpapier, Flanellbinden) wesentlich unterstützt wird. Von besonderer Wichtigkeit ist ferner die Anregung der Hautthätigkeit wie des gesamten Stoffwechsels durch warme Bäder, durch deren methodische Anwendung in vielen Fällen nicht nur Linderung der Schmerzen, sondern auch eine mehr oder minder vollständige Rückbildung der Gelenkverdickungen erzielt wird. Die Bäder können als einfache Warmwasserbäder, Solbäder, Irisch-Römische und Russische Dampfbäder angewendet werden; in hartnäckigen Fällen ist es dienlich, nach dem Bade die Hauttranspiration durch Einwicklung in wollene Decken zu steigern. Von den natürlichen Bädern haben die indifferenten Thermen von Teplitz, Gastein, Wildbad und Warmbrunn, die Schwefelbäder von Aachen und Burtscheid, die Solbäder von Wiesbaden, Kreuznach und Reichenhall besondern Ruf. In hartnäckigen Fällen von chronischem G. wirken oft auch Moorbäder und heiße Sandbäder vortrefflich. Auch die Elektricität, insbesondere der konstante Strom, wird häufig mit Vorteil gegen rheumatische Gelenkleiden benutzt, ebenso die Massage (s. d.). - Vgl. Hartmann, Der akute und chronische G. (Stuttg. 1874); Pagenstecher, Gicht und Rheumatismus (3. Aufl., Lpz. 1888).

Gelenkschmiere, s. Gelenk.

Gelenksteifigkeit, Ankylose oder Anchylosis, ein häufiger Ausgang der Gelenkentzünduug (s. d.), beruht entweder auf einer völligen Verwach-^[folgende Seite]