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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gemeindevermögen - Gemeindeversicherung
Zwecke aber, welche die Aufwendung größerer Mittel
erfordern, wie Schule, Armenpflege, Deichanlagen,
Feuerlöschwesen u. s. w. und namentlich für die Hand-
habung der Ortspolizei werden die Gemeinden zu
gröstern Verbänden mit eigener korporativer Per-
sönlichkeit und Verfassung zusammengelegt. Der in
der Preuß. Kreisordnung von 1872 unternommene
Versuch, solche G. in der Form von A mtsgemein -
denzu bilden, scheint wenig Erfolg gehabt zu haben,
soweit der rein kommunale Wirkungskreis in Be-
tracht kommt; wohl aber bilden die Amtsbezirke
(s. d.) die Grundlage der Polizeiverwaltung des plat-
ten Landes. In der Preuß. Landgemeindeordnung
für die sieben östl. Provinzen vom .-5. Juli 1891.
(s. Gemeinderecht) ist der Gedanke abermals auf-
genommen worden, und zwar in der Form der sog.
Zweckvcrbände, für welche genaue gesetzliche Vor-
schriften gegeben worden sind.
Gemeindevermögen. Die natürlichste Grund-
lage der Gemeindebildung ist in der Regel ein aus !
Grund und Boden bestehendes G. gewesen. Ur- ,
sprünglich war dasselbe meistens Allmende ts. o.), !
in neuerer Zeit aber ist mehr und mehr das G. mit ^
öffentlichem Charakter hervorgetreten, das nicht zum ^
privatwirtschaftlichen Nutzen der Gemeindeglieder, !
sondern zur Erfüllung der specifischen Aufgaben
und Zwecke der Gemeinde als solcher verwendet
wird. Dasselbe besteht teils au5 stehenden Anla-
gen für die Bedürfnisse des öffentlichen Dienstes,
z. B. Gebäuden, auch öffentlichen Gärten, Prome-
naden u. s. w., teils aus dem eigentlichen Käm- ^
mereivermögen, das als finanzielle Einnahme-
quelle verwaltet wird. Sowohl die Größe wie die Zu- ^
sammensetzung des Vermögens der Gemeinden ist z
natürlich je nach der geschichtlichen Entwicklung der- !
selben eine außerordentlich verschiedene. Viele der
aus unbedeutenden Orten neu entstandenen Indu-
striestädte haben so gut wie gar kein ursprüngliches
G.; bei den meisten Großstädten wird das ertrag-
bringende G. von den G emei n d c s ch ulden (s. Kom-
munalanleihcn) weit übertroffen, andercrfeits aber
giebt es auch, namentlich in Südwestdeutschland,
noch Gemeinden, welche ihre öffentlichen Bedürfnisse
gänzlich oder fast gänzlich auv ihrem Vermögen zu
bestreiten im stände sind, ja sogar außerdem an die
berechtigten Bürger noch Holz oder sonstigen "Bürger-
nutzen" abgeben. Das Vermögen der altbegründeten
lleinern städtischen Gemeinden besteht meistens noch
aus Waldungen, Weiden, Weinbergen, Ackerland
u. s. w. In der neuesten Zeit findet man in den Städten
auch wirtschaftliche Vetriebsanlagen (Gasanstalten,
Wasserleitungen u. s. w.) als wichtige Bestandteile
der G. (s. Gemeindeunternehmungen). Auch Kapi-
talanlagen in Wertpapieren und Hypotheken kom-
men gegenwärtig bei vielen Gemeinden als Be-
standteile ihres nutzbaren Vermögens vor. Der
Staat hat sich durchweg ein mehr oder weniger weit-
gehendes Aufsichts- und Vestätignngsrecht über die
G. vorbehalten, namentlich hinsichtlich der Veräuße-
rung von Immobilien, der Verwendung von Grund-
stockvermögen für laufende Ausgaben, der Rodung
von Waldungen u. s. w. Wo ein besonderes Bürger- !
oder Allmcndvermögen besteht, wird für die Auf- ^
uahme in die neben der staatsbürgerlichen Einwoh-
nergemeinde bestehende berechtigte Bürgergemeindc
ein'Einkaufsqeld erhoben. In der Bad. Städte- ^
ordnung ist übrigens bestimmt, daß in den ihr unter- !
stellten Gemeinden das Allmendvermögen zum all-
gemeinen G. zu rechnen sei; neue Allmendgenüsse ^
für einzelne Bürger sollen nicht mehr geschaffen
werden, und die frei werdenden Anteile fallen der
Gemeinde anheim.
Die Erträge aus dem nutzbaren G. sind einem
raschen Wechsel unterworfen, weil die Finanzver-
waltung häufig, z. B. bei Anleihen, Kapitalanlagen
nur vorübergehender Art mit sich bringt.
In den preilst. Städten war nach den letzten Auf-
nahmen für 1883/84 der Ertrag aus dem nutzbaren
G., d. h. aus bewirtschafteten und verpachteten bez.
vermieteten Grundstücken bez. Gebäuden, aus der
Verwaltung der Bergwerke und gewerblichen An-
lagen, ausschließlich der zu gemeinnützigen Zwecken
errichteten, sowie aus Gemeindefonds und sonstigen
Nutzungen am größten in Osnabrück (32,84 M.
pro Kopf): dann folgen Greifswald mit 22,29 M.,
Demmin mit 19,64 M., Görlitz mit 18,29 M., Bunz-
lau mit 17,96 M., Antlam mit 15,io M., Goslar
mit 11,22 M. u. s. w. (mit Ausnahme von Görlitz
und Osnabrück fämtlich Städte mit weniger als
25 000 E.). In Berlin war der Ertrag 0,96'M., in
Vr^vlau 3,7i M., in Köln 2,u; M., in Frankfurt a.M.
4 M., in Hannover 3,25 M., in Danzig 2,96 M., in
Magdeburg 3,75 M., in Stettin 4,72 M. auf den
Kopf der Bevölkerung. Den niedrigsten Betrag
hatten Ottenfen, Grabow a. O. und Höhscheid mit
0,11 M., Remscheid und Königshütte (Oberschle-
sien) mit 0,09 M., Ehrenfeld mit 0,08 M., Witten
mit 0,0i M. und Oberhausen mit 0,03 M. Der Ge-
samtdurchschnitt in 174 preusi. Städten mit mehr
als 10 000 E. war 2,96 M. Die 13 Großstädte von
mehr als 85 000 bis 275 000 E. hatten 2,75 M.,
die 37 grösiern Mittelstädte von 25000 bis 75 000 E.
3,72 M., die 123 kleinern Mittelstädte von 10000
bis 25 000 E. 3,9i M. pro Kopf.
Gemeindeverficherung, Gemeindekran -
ken v ersich erung, umfaßt diejenige Kranken-
versicherung, welche direkt von der Gemeinde allen
Versicherungspflichtigen, die nicht einer gesetzlich
anerkannten Krankenkasse angehören, gegen beson-
dere Beiträge der Versicherten und deren Arbeit-
geber zu gewähren ist. Diese unorganisierte Ver-
sicherung durch eine kommunale Einrichtung ohne
selbständige Eristenz, ohne Beteiligung der Ver-
sicherten an der Verwaltung und mit quantitativ
und qualitativ zurücktretenden Leistungen, soll nur
aushilfsweise zur Durchführung des Kranken-
versichcrungszwangs dienen, sofern und soweit or-
ganisierte Krankenkassen nicht errichtet werden; den
Schwerpunkt der gesetzlichen Krankenversicherung
sollen dagegen durchaus die organisierten Kranken-
kassen, insbesondere die Ortskrankenkassen (s. d.)
bilden, deren Errichtung den Gemeinden übertragen
worden ist. Nichtsdestoweniger hat die G. in der
Praris einen recht erheblichen Umfang angenommen,
der sie über ihre eigentliche Bedeutung als eine Art
von Notbehelf thatsächlich hinaushebt. Die wesent-
lichsten Bestimmungen für die G. sind nach dem
Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 und
der Novelle dazu vom 10. April 1892 folgende:
Die G. tritt ein für alle Versicherungspflichtigen
Personen, welche nicht bereits einer besondern
Zwangs-Krankenkasse oder einer die aMtzlicken
Mindestleistungen gewährenden Hilfskasse ohne Vei-
tvittszwang angehören. Freiwilliger Beitritt ist
zulässig bei Personen, welche der Versichcrungs-
pflicht nicht unterliegen, wenn ihr jährliches Ein-
kommen 2000 M. nicht übersteigt, sowie bei Dienst-
boten (8- 4). Von allen diesen Personen erhebt