Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

749
Gemeindevertretung - Gemeindevorstand
die Gemeinde Krankenversicherungsbeiträge und!
hat ihnen daft'n solgende Krankenunterstützung zu
gewähren: 1) vom Beginn der Krantheit ab freie
ärztliche Behandlung, Arznei sowie Brillen, Bruch-
bänder und ähuliche Heilmittel' 2) im Falle der Er-
werbsunfähigkeit vom dritten Tage nach dem Tage
der Ertrankung ab für jeden Arbeitstag ein Kran-
kengeld in Höhe der Hälfte des ortsüblichen Tagc-
lohnes der gewöhnlichen Tagearbeiter. An Stelle
diefer Leistuugen darf unter Umständen freie Kur
und Verpflegung in einem Krankendaufe gewäbrt
werden; neben derselben muß dann aber eine Unter-
stützung an die Angehörigen gezahlt werden, wenn
der im Krankenhaus Untergebrachte die Angcbörigcn
bivher aus seinem Arbeitsverdienst unterhalten hat.
Die Krankenunterstützung endet spätestens mit
dem Ablauf der dreizehnten Woche nach Beginn
der Krankheit, im Falle der Erwerbsunfähigkeit
spätestens mit dem Ablauf der dreizehnten Wocke
nach Veginn des Krankcngeldbezuges. Sie währt
jetzt also, wenn die Erwerbsunfähigtcit erst im Laufe
der Krankheit eintritt, unter Umständen erheblich
länger als 13 Wochen. Das Krankengeld ist nach
Ablauf jeder Woche zu zahlen lß. 6). Die Ge-
meinden sind berechtigt, zu beschließen, daß in be-
stimmten Fällen Krankengeld erst nach einer be-
stimmten Frist, nur teilweise oder gar nicht gezablt
werde (z. B. an Versicherte, welche die G. durck
eine mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenreckte
bedrohte strasbare Handlung geschädigt baben, und
an solche, welche sich eine Krankheit vorsätzlich oder
auf schuldhafte Weise zugezogen haben); ferner,
daß das Krankengeld allgemein oder unter bestimm-
ten Voraussetzungen schon vom Tage des Eintritts
der Erwerbsunfähigkeit ab, sowie für Sonn- und
Festtage zu zahlen ist, sowie daß auf Antrag der Ver-
sicherten freie ärztliche Behandlung und Arzuei auch
für deren Familienangehörige zu gcwäbrcn sind.
Die Gemeinden können beschließen, daß die ärztliche
Behandlung, die Lieferung der Arznei und die >iur
und Verpflegung nur durch bestimmte 'Arzte, Apo-
theker und Krankenhäuser erfolgen sollen und Be-
zahlung für anderweitig genommene Hilfe, soweit
es sich nicht um "dringende Fälle" handelt, ab-
gelehnt wird. Ferner sind sie ermächtigt, Vorschriften
über die Krankenanmeldung, über das Verhalten
der Kranken und über die Krankenaufsicht zu er-
lassen und für Zuwiderhandlungen Ordnungsstra-
fen festzusetzen (8.6a.). Die Feststellung des orts-
üblichen Tagelohnes findet durch die höbere Ver-
waltungsbehörde nach Anhörung der Gemeinde-
behörde statt, und zwar geschiebt sie für männliche
und weibliche Perfonen und für Personen über und
unter 16 Jahren getrennt; auch darf für Kinder
unter 14 Jahren eine besondere Feststellung er-
folgen (§. 8). Die Versicherungsbeiträge sollen in
der Regel 1^ Proz. des ortsüblichen Tagelobnes
nicht übersteigen; für Gewährung ärztlicher Hilfe
an Angehörige mü^en besondere Zusatzbeiträge er-
hoben werden. Alle diese Beiträge fließen in eine
besondere Kasse, deren Einnahmen und Ausgaben
getrennt von den übrigen der Gemeinde bebandelt
werden müssen und deren Verwaltung die Gemeinde
unentgeltlich sührt. Ein Jahresbericht ist alljährlich
der höhern Verwaltungsbehörde einzureichen. Rei-
chen die Bestände der Krankenversicherungskasse
zur Deckung der Auslagen nicht aus, so sind aus
der Gemeindekasse gegen Rückzahlung aus dem Re-
servefonds Vorschüsse zu leisten (ß. 9). Ergiebt sich
aus den Jahresabschlüssen, daß die gesetzlichen
Krankenversicherungsbeiträge zur Deckung der ge-
setzlichen Krankenunterstützungen nicht genügen, so
können sie auf 2 Proz. erhöht werden. Überschüsse
der Einnahmen über die Ausgaben sind zunächst
zur Ansammlung von Reservefonds zu verwenden,
im weitern Verlauf zur Herabsetzung des Beitrages
oder zur Erhöhung, bez. Erweiterung der Unter-
stützungen (§. 10).
Mehrere Gemeinden können sich zu gemeinsamer
G. vereinigen; auch kann durch Beschluß eines wei-
tern Kommunalverbandes (Kreis, Bezirk, Provinz)
dieser für die G. an die Stelle der demselben ange-
hörenden einzelnen Gemeinden gesetzt oder die Ver-
einigung mehrerer ihm angehörenden Gemeinden zu
gemeinsamer G. angeordnet werden. Solche Ver-
einigung kann endlich unter bestimmten Voraus-
setzungen durch die höhere Verwaltungsbehörde an-
geordnet werden, namentlich der Anschluß kleinerer,
ärmerer an große Gemeinden (§ß. 12,13). Jede
auf Grund der angegebenen Bedingungen herbei-
geführte Vereinigung kann auf demselben Wege,
auf dem sie entstanden ist, auch wieder aufgelöst
werden (§. 14).
Für die G. und die organisierten Krankenkassen
sind gemeinsame Bestimmungen gegeben bezüglich
der Pflicht der Arbeitgeber, ihre Arbeiter an- und ab-
zumelden, die Beiträge für dieselben im voraus, mit
dem Rechte des Abzugs bei der Lohnzahlung, einzu-
zahlen und ein Drittel der Gesamtbeiträge aus eige-
nen Mitteln zu leisten; ferner bezüglich der Maß-
regeln gegen solche Arbeitgeber, welche mit Abfüh-
rung der Beiträge im Rückstände geblieben sind und
deren Zahlungsunfähigkeit im Zwangsbeitreibungs-
verfabren festgestellt ist; desgleichen bezüglich der
Scklichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber,
Arbeitnehmer, G. u. s. w. (§ß. 49 fg. u. 76d fg.).
Die für Gemeinden getroffenen Bestimmungen
gelten auch in der Hauptsache für die einem Gc-
meindeverbande nicht einverleibten selbständigen
Gutsbezirke und Gemarkungen (§. 83).
Die rcichsgesetzliche G. kann durch landesrecht-
liche ähnliche Einrichtungen, wie sie z.B.in Bayern
bestehen, ersetzt werden, wenn die gewährte Unter-
stützung den Anforderungen des Reichsgesetzes ge-
nügt und höhere Beiträge, als nach demselben zu-
lässig sind, nicht erhoben werden (ß. 15 des Kranken-
versickerungsgesetzes). Neben der G. bestehen in
einzelnen süddeutschen Staaten (Württemberg, Ba-
den) landcsgesetzlicbe Einrichtungen mit geringern,
insbesondere auf Verpfleguug im Krankenhaus be-
schränlten Leistungen (Krantenpflegeversicherung).
Gemeindevertretung, das aus Wahlen her-
vorgebende, die Gesamtheit der Gemeindegcnossen
in derselben Weise vertretende Kollegium, wie das
Volk im Staate vom Landtag, im Reiche vom Reichs-
tag vertreten lvird. Analog dem Verhältnis des
Landtags zur ^taatsregierung ist auch das Ver-
hältnio der G. zum Gemeindevorstand. (S. Ge-
meindcrat.)
Gemeindevorstand, das an der Spitze der
Gemeinde stebende, zur Vertretung der Gemeinde
gegen Dritte und zur Leitung und Führung der Go-
meindegeschafte befugte Organ. Nach vielen Ge-
meindeordnungen ist der G. eine einzelne Person,
welckerBürgermeifter oderin denLandgemeindender
östl. Provinzen Preußens Gemeindevorsteher,
^ ckulze, in Württemberg HchulU) eisi heißt. Den
Schulzen stehen Beigeordnete, schössen, Dorf-