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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gemeingefühl; Gemeingeist; Gemeingläubiger; Gemeinheit; Gemeinheitsteilung

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Gemeingefühl – Gemeinheitsteilung

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen'

  • gen des Fahrwassers, Delikte gegen Schiffahrtszeichen, Verursachung der Strandung eines Schiffs;

  • 5) Vergiftung von Brunnen;
  • 6) Verletzung der zur Verhütung von ansteckenden Krankheiten oder Viehseuchen getroffenen Vorsichtsmaßregeln;
  • 7) Nichterfüllung öffentlicher Lieferungsverträge in Kriegsgefahr oder im Notstande;
  • 8) Gefährdung durch Bauwerke (Bestrafung dessen, welcher bei Leitung oder Ausführung eines Baues wider die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst handelt: §§. 306–330).

Die Strafen sind Gefängnis, zeitiges und lebenslängliches Zuchthaus, in den Fällen zu 3 auch Erklärung der Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahn- oder Telegraphendienste oder in bestimmten Zweigen dieser Dienste. Auch die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens ist strafbar, ebenso wie die Nichtanzeige von dem Vorhaben eines solchen (§§. 126, 139). (S. auch Nahrungsmittelgesetz, Sprengstoffgesetz.) Das Gesetz, betreffend die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom 21. Okt. 1878 ist seit dem 1. Okt. 1890 nicht mehr in Geltung. Im Österr. Strafgesetzbuche von 1852 sind die gemeingefährlichen Verbrechen nicht in einem besondern Abschnitte zusammengestellt, sondern sie finden sich, nach andern Gesichtspunkten geordnet, zerstreut vor. Dagegen folgt der Strafgesetzentwurf von 1889 wesentlich dem System des deutschen Rechts.

Gemeingefühl, alle diejenigen Gefühle und Empfindungen, die uns von unserm eigenen Innern, von dem Zustand und den Veränderungen unsers eigenen Leibes unterrichten, im Gegensatz zu den objektiven Sinneswahrnehmungen, die durch äußere Objekte und Vorgänge in uns hervorgerufen und deshalb von uns ohne weiteres auf die Außenwelt zurückbezogen werden. Das G. resultiert aus einer Menge von Einzelgefühlen, die vermittelst der Empfindungsnerven in unserm Gehirn zum Bewußtsein gelangen und die deshalb von jedem Körperteile ausgelöst werden können, der überhaupt Empfindungsnerven besitzt, wogegen alle Teile, welche keine Empfindungsnerven enthalten, wie die Haare, die Nägel, die Oberhaut, weder Gefühl besitzen, noch irgend eine Empfindung zu erregen im stande sind. Im gesunden Zustand leiten die Empfindungsnerven nur so schwache Erregungszustände zum Gehirn, daß unsere Aufmerksamkeit gar nicht durch sie in Anspruch genommen wird; jede stärkere Erregung dagegen wird von uns als unangenehme Sensation, als Schmerz (s. d.) empfunden, und giebt uns Kunde, daß irgendwo im Körper eine Störung des normalen Lebensprozesses, eine krankhafte Abweichung stattfindet. Am lebhaftesten und deutlichsten sind derartige Gefühlsempfindungen in der äußern Haut und den ihr benachbarten Schleimhäuten, die durch ihre lebhafte Schmerzempfindlichkeit einen wachsamen Hüter gegen alle den Körper von außen bedrohenden Eingriffe und Schädlichkeiten darstellen.

Weiterhin geben die Muskeln, und zwar sowohl die willkürlichen als die unwillkürlichen, die Quelle für verschiedenartige und wichtige G. ab, die man gewöhnlich unter dem Namen Muskelgefühle oder Muskelsinn zusammenfaßt. An und für sich sind zwar die gesunden Muskeln gegen die gewöhnlichen Reize unempfindlich, sodaß sie bei Operationen ohne besondere Schmerzempfindung durchschnitten, gequetscht und gedehnt werden können, dagegen besitzen sie eine außerordentlich feine ↔ Empfindung für das Gefühl der Anstrengung oder Ermüdung, das sich bei fortgesetzter Muskelarbeit selbst bis zum Schmerz steigern kann und uns mit großer Exaktheit den Zeitpunkt angiebt, wann der überanstrengte Muskel der Ruhe und der Zufuhr guten sauerstoffhaltigen Blutes bedarf. Ebenso besitzen unsere Muskeln ein außerordentlich feines und sicheres Gefühl dafür, wieviel Kraft wir aufwenden müssen, um einen uns entgegenstehenden Widerstand zu überwinden. Vermittelst dieses eigenartigen Muskelgefühls, welches man als Kraftsinn zu bezeichnen pflegt, sind wir nicht nur im stande, die für einen bestimmten Zweck aufzuwendende Muskelkraft jederzeit richtig und genau zu bemessen, sondern auch den Unterschied zweier Gewichte unabhängig vom Tastsinn zu bestimmen, ja sogar bei geschlossenen Augen die gegenseitige Lage unserer Glieder richtig anzugeben. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist der Muskelsinn bei der Bildung der Töne und Sprachlaute innerhalb des Kehlkopfes und in der Mundhöhle, beim Singen und Sprechen, insofern er hier zur Schätzung des zur erforderten Muskelaktion nötigen Impulses von den Nerven aus ganz unentbehrlich ist. Weitere G. sind die Empfindungen des Hungers, Durstes, der Sättigung, des Stuhl- und Harndranges; an gewissen Körperstellen nimmt das mit den Gefühlsempfindungen verbundene Lust- und Unlustgefühl ganz eigenartige specifische Gestalten an, wie die Empfindungen des Juckens, des Kitzels, der geschlechtlichen Wollust u.dgl.

Gemeingeist, soviel wie Gemeinsinn (s. d.).

Gemeingläubiger wurden früher und werden jetzt noch vielfach diejenigen Konkursgläubiger (s. d.) genannt, welchen ein Vorrecht nicht zusteht.

Gemeinheit heißt die gemeinschaftliche Benutzung ländlicher Grundstücke, möge sie auf einem gemeinsamen oder Gesamteigentum oder auf ein- oder wechselseitigen Dienstbarkeitsrechten beruhen. Es handelt sich hier hauptsächlich um Weideberechtigungen, Forst-, Fischerei-, Torfnutzungen, Berechtigungen zum Plaggen-, Heide- und Bültenhieb u.s.w. Teilweise sind die der gemeinschaftlichen Benutzung unterworfenen Grundstücke, Weiden u.s.w. eigentliche Allmenden (s. d., G. im engern Sinne), überhaupt hängen die in Rede stehenden Verhältnisse unmittelbar mit der alten Dorfanlage, der Feldgemeinschaft (s. d.) und dem Flurzwang (s. d.) zusammen. Der Zunahme der Bevölkerung und den Fortschritten der Landwirtschaft gegenüber mußte die Verwertung vieler gemeinschaftlich benutzter Gemeindeländereien als eine sehr ungenügende und irrationelle erscheinen. Noch dringender machte sich das Bedürfnis fühlbar, die den Privatgrundbesitz belastenden Servituten und Teilnehmungsrechte zu beseitigen, und so wurde in der neuern Zeit auf Grund einer besondern Gesetzgebung in großem Umfange die Gemeinheitsteilung (s. d.) durchgeführt. Im Sinne der Gemeinheitsteilungsordnungen bedeutet G. dann auch die Realgemeinde, d.h. die Korporation der zur Benutzung der gemeinschaftlichen Länderei berechtigten Gemeindegenossen, von welcher sich allmählich die polit. Gemeinde mehr oder weniger geschieden hat.

Gemeinheitsteilung, die Aufhebung der Gemeinheiten (s. d.), kann, falls es sich um gemeinschaftlich benutzte Gemeindeländereien, die sog. Allmenden (s. d.), namentlich Weide und Wald handelt, einfach durch Aufteilung dieser Grundstücke an die Berechtigten erfolgen, die also dann ihren

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 753.