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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Generalversammlung
der Entwurf eines Vürgerl. Gesetzbuches für das
Deutsche Reich enthalten Bestimmungen über die
G. oder Mitgliederversammlungen der Vereine und
über die den G. gleichstehenden Gewerkenversamm-
lungen der Gewerkschaften; das Reichsgesetz über
die Gesellschaft mit beschränkter Hastuug (s. d.) ent-
hält Bestimmungen über die Mitgliederversamm-
lungen dieser Gesellschaften. Bei den Gegcnseitig-
keitsgefellschaften ist die Sache durch die Statuten
geregelt. Die G. ist überall, wo sie vorkommt, der
oberste Willensträger des Vereins oder der Ge-
sellschaft, dessen BesclMsse, soweit sie sich innerhalb
der durch Gesetz und Statut normierten Zuständig-
keit halten, von den Verwaltungsorganen zu be-
folgen sind. Indessen ist die G. nicht Organ der
Gesamtheit Dritten gegenüber, sodaß diese erst aus
den mit dem Vorstand, gemäß des Beschlusses der
G. oder den sonst dazu berufenen Personen, ab-
geschlossenen Rechtsgeschäften Rechte gegen die Ge-
samtheit ableiten können (Handelsgesetzbuch Art.
227, 196; Gesetz vom 1. Mai 1889, tz/24; Gesetz
vom 15. Juni 1883, §. 35; Gesetz vom 0. Juli 1881,
8. 23; Schweizer Obligationenrccht Art. 654, 700).
Man unterscheidet konstituierende, ordentliche und
außerordentliche G. Über die konstituierende G.
der Aktiengesellschaft f. Gründung. Bei der Verufs-
genossenschaft (Unfallversichcrungsgesetz vom 6. Juli
1884, §. 16) erfolgt die Beschlußfassung über die
Bildung der Verufsgenossenschaft durch die zu einer
G. zu berufenden Betriebsunternehmer mit Stim-
menmehrheit (§. 13 des Gesetzes) unter Vorbehalt
der Genehmigung des Bundesrates. Das Statut
wird von der G. beschlossen, und diese wählt den
Vorstand. Ordentliche G. sind diejenigen, welche
nach Gesetz oder Statut zu bestimmt wiederkehren-
den Zeiten abgehalten werden; bei der Kommandit-
gesellschaft auf Aktien (Handelsgesetzbuch Art. 185),
der Aktiengesellschaft (Art. 239), der eingetragenen
Genossenschaft (§§. 31, 46 des Gesetzes vom 1. Mai
1889) mindestens einmal in den ersten sechs Mona-
ten des Geschäftsjahrs zur Feststellung der Bilanz,
des Gewinns und Verlustes, bez. Entgegennahme
des Geschäftsberichts. Außerordentliche G.
sind zu berufen, wenn dies im Interesse der Ge-
samtheit erforderlich ist. Sie muß berufen werden,
wenn der zehnte Teil der Genossen, wenn die Kom-
manditisten, welche den zehnten Teil des Gesamt-
kapitals, die Altionäre, welche den zwanzigsten Teil
des Grundkapitals innehaben (soweit nicht Statut
oder Gesellschastsvertrag eine niedrigere Zahl for-
dert), die Einberufung unter Anführung der Gründe
uud des Zwecks schriftlich fordern. Wird dem Ver-
langen uicht entsprochen, so kann das Gericht die
Antragsteller zur Berufung der G. ermächtigen. Un-
verzüglich zu berufen ist die G. einer Aktiengesell-
schaft, wenn der aus einer Bilauz sich ergebende
Verlust die Hälfte des Grundkapitals erreicht, die
G. einer eingetragenen Genossenschaft nach Eröff-
nung des Konkurfes zur Beschlußfassung, ob die
bisherigen Mitglieder des Vorstandes und des
Aufsichtsrates beizubehalten oder andere zu bestel-
len sind. Die G. einer Genossenschaft mit unbe-
schränkter Haftpflicht oder mit unbefchränkter Nach-
schußpflicht ist zu berufen, sobald sich bei der Ge-
schäftsführung ergiebt, daß das Vermögen der
Genossenschaft einfchließlich des Reservefonds und
der Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden
nicht ausreicht, um zu beschließen, ob die Genossen-
schaft aufgelöst werden soll.
Die Berufung der G. hat bei der Kommanditge-
sellschaft durch die persönlich haftenden Gesellschaf-
ter oder den Aufsichtsrat, bei der Aktiengesellschaft
durch diefen oder den Vorstand, beiden eingetragenen
Genossenschaften durch den Vorstand, sofern nicht
nach dem Vertrage, dem Statut oder dem Gesetz
andere Personen dazu befugt sind, und zwar in der
durch das Statut oder den Gesellschaftsvertrag be^
stimmten Form uuter Angabe des Zwecks zu er-
folgen, bei der Aktiengesellschaft uuter Offenlassung
einer vierzehntägigen Frist, bei der Genossenschaft
einer Frist von einer Woche.
Nber Gegenstände, deren Verhandluug nicht ord-
nungsmäßig (bei der Aktiengesellschaft eine Woche,
bei der Genossenschaft drei Tage) vorher angekündigt
ist, darf nicht Befchluß gefaßt werden; ausgenom-
men ist der Antrag auf Berufung einer außerordent-
lichen G. Zur Stellung von Anträgen und zu Ver-
handlungen ohne Beschlußfassung bedarf es der vor-
gängigen Ankündigung nicht. Die zum Antrag auf
Einberufung einer außerordentlichen G. Berechtig-
ten können auch fordern, daß Gegenstände zur Be-
schlußfassung auf die Tagesordnung gefetzt werden;
auch kann gerichtliche Ermächtigung erteilt werden.
Die Beschlüsse der G. einer Genossenschaft sind in
ein Prototollbuch einzutragen, dessen Einsicht jedem
Genossen und der Staatsbehörde gestattet werden
muß. Jeder Beschluß der G. einer Aktiengesellschaft
bedarf zu feiner Gültigkeit der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung, ohne daß Zeugen zuge-
zogen zu werden brauchen. Hier ist auch eine be-
glaubigte Abfchrift der Urkunde nach der G. von
dem Vorstande zum Handelsregister einzureichen.
Die den Mitgliedern zustehenden Rechte zur Be-
thätigung ihrer Teilnahme an den Geschäften der
Gesamtheit sind in der G. auszuüben. Jeder Genosse
hat eine Stimme, jede Aktie gewährt das ^timm-
recht, dasselbe wird nach Aktienbeträgen ausgeübt.
Der Gesellschaftsvertrag kann für den Fall, daß
eine Person mehrere Aktien besitzt, die Ausübung
des Stimmrechts für dieselben durch einen Höchst-
betrag oder in Abstufungen oder nach Gattungen
beschränken. Das Statut der Berufsgenossenschas-
ten kann die Zusammensetzung der Genossenschafts-
versammlung aus Vertretern vorschreiben.
Die Aktionäre können das Stimmrecht durch Be-
vollmächtigte ausüben, welche sich durch schriftliche
Vollmacht zu legitimieren haben. Die Genossen einer
eingetragenen Genossenschaft können das Stimm-
recht nicht durch Bevollmächtigte ausüben. Das
findet auf handlungsunfähige Personen, und wenn
eine Korporation, Handelsgesellschaft, Genossen-
schaft oder ein Personenverein Genosse ist, auf diese
sowie auf Frauen, wenn diefe nach dem Statut von
der G. ausgeschlossen sind, keine Anwendung.
Aktionäre oder Genossen, welche durch einen Be-
schluß entlastet oder von einer Verbindlichkeit be-
freit werden sollen, oder mit denen namens der Ge-
samtheit ein Rechtsgeschäft eingegangen werden foll,
dürfen nicht mitstimmen. Die'Beschlusse der G. er-
folgen in der Regel durch abfolute ^timmenmchr-
beit der Erschienenen. Die früher für die G. der
Korporationen und Vereine ausgesprochene Ansicht,
daß zur Gültigkeit eines Beschlusses zwei Drittel der
Beteiligten erschienen sein müßten, ist aufgegeben.
Die der Beschlußfassung der G. volbchaU^n
Fälle sind aus den Gesetzen zu ersehen.
Wer sich besondere Vorteile dafür hat gewähren
oder verfprechen lassen, daß er bei einer Abstimmung