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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gent
Oudeburg ('s Gravellsteen, l^Intto^u ä68 ^omto8),
868 erbaut, dann Residenz der Grafen von Flan-
dern, jetzt völlig restauriert. Von der uralten Abtei
St. Bavo sind Ruinen erhalten. Modern sind der
Iustizpalast von Roelandt (1846 vollendet; s. Ta-
fel: Niederländische Kunst II, Fig. 4), zwischen
zwei Armen des Lys, die Universität mit schöner
Aula und das Institut ä68 8ci6uc6? (1,5 Iia), von
H. Pauli, 1890 vollendet. Die wichtigsten Denk-
mäler sind das des Industriellen L. Bauwens, des
liberalen Parteiführers Metdepenningen und das
Bronzestandbild I. van Arteveldes von De Vigne-
Quyo (1863) auf de:n altertümlichen, in der Ge-
schichte der Stadt denkwürdigen Freitagsmarkt. Eine
Stadt für sich bildet der große Beghinenhof im NO.,
1875 vom Herzog von Arenberg hierhin verlegt, mit
18Konventenund7000Belvohnerinnen. DieHäufer
sind Backsteinbauten in got. Stil. Der kleine Ve-
ghinenhof (aus 17. und 18. Jahrh.) imO. des Staats-
bahnhofes wird von 300 Frauen bewohnt.
Unterrichts- und Bildnngsanstaltcn. Die
Universität wurde 25). Sept. 1816 durch König Wil-
helm I. mit 4 Fakultäten (Philosophie, Jurisprudenz,
Naturwissenschaften und Medizin) gegründet. An
Stelle der 1830 unterdrückten naturwissenschaft-
lichen und philof. Fakultät wurden freie Fakultäten
gegründet, bis 25. Sept. 1835 die Regierung die
ursprünglichen wiederherstellte. Am 1. Okt. 1838
wurden Schulen für Ingenieurwissenschaften und
für Kunst und Industrie O00I68 3i><!oilU68 ä6 zr"nio
civil 0t ä'lN'tg ot m<niut'acwro8) und 28. Dez. 1847
die I^colo noimalo ä68 8ci6iio68 hinzugefügt. Die
Universität hat insgesamt 74 Docenten und (1891)
788 Studierende, darnnter 85 Ausländer. Zur
Bibliothek (300000 Bände) gehören ein Münz- und
ein Kupferstichkabinett. Die Hörsäle und Laborato-
rien der naturwissenschaftlichen Fakultät, mit der die
Kurfe für Techniker und Architekten verbunden sind,
liegen im Institut äo" N^ionc^Z. Daneben bestehen
ein königl. Athenäum im frühern Baudclookloster,
ein Gymnasium unter Leitung der Jesuiten (600
Zöglinge), ein bischöfl. Seminar, Malerakademie,
Konservatorium für Musik und eine Gewerbeschule
für Tischler, Schmiede u. s. w. Das Museum im alten
Augustinerklostcr enthält 250 Gemälde, darunter
Werke von G. dc Craycr (s. d.); in der ehemaligen
Karmeliterkirche sind reicbbaltige kunstgewerbliche
Sammlungen untergebracht. Außerdem bestehen
ein Zoolog, und ein botan. Garten. Beliebte Parts
sind auf dem Konter und all der Coupure, wo auch
die großen Blumenmärkte und Ausstellungen statt-
finden, sowie auf den Wällen der Citadelle. Ein
franz. Theater giebt Opern, ein vläm. Schauspiele.
Die wichtigsten Zeitungen sind: "I^a I^när" Iidt>-
ia,1c;", "^onl'n^I <io l^lunl", "I/Imzmi't.ii^", "63,xot
V9.N (^6Qt", "N688HA6I' ti6 ^3,N<I", "1^3. I^idsrie",
"Vien pudlie" und der socialistische "Vooiuit".
Behörden und Wohlthätigkeitsanstal-
ten. G. ist Sitz der Provinzialbehörden, eines
Bischofs, eines Appellhofes für ganz Flandern
sowie Tribunals und Handelsgerichts. Anßer den
beiden Beghinenhäusern sind zahlreiche Mönchs-
und Nonnenklöster vorhanden; die wichtigsten Wohl-
thätigkeitsanstalten sind: das Bürgerspital Biloque
mit Gebäuden aus dein 13. Jahrh., ein Vlinden-
institut, Alterversorgungöhaus und Waisenhaus;
meist sind Krankenhäuser mit den kirchlichen Stiftun-
gena erbunden. Berühmt ist das große Zuchthaus.
Das Zellengefängnis hat Raum für 420 Sträflinge.
Industrie, Handel undVerke h r. Obgleich
die Stadt von ihrer Höhe im 15. Jahrh, berab-
gesunken ist und die Trennung von Holland (1830)
schädlich wirkte, ist die Industrie noch immer bedeu-
tend. Es bestehen 200000 Spindeln für Flachs-,
Werg- und Iutespinnerei, 600 000 für Baumwoll-
spinnerei, außerdem Spitzenmanufaktur, Mafchinen-
bau, Eisengießerei, Tuch-, Leder-, Papier- und
Tapetenfabrikation. Die große Leinenweberei La
^iys beschäftigt allein 3000 männliche und weibliche
Arbeitskräfte. Sehr bedeutend ist auch die Blumen-
zucht; es bestehen 80 Handelsgärtnereien, darunter
die von L. van Houtte in der südöstl. Vorstadt Gent-
brugge. Hyacinthen, Tulpen, Orchideen sowie
Treibhauspflanzen kommen in größtem Maßstabe
nach Frankreich, Rußland und Amcrita zur Ausfubr.
Der Handel wird außer durch die Bahnlinien vor
allem durch die Kanäle begünstigt. Der nach Ter-
neuzen zur Westerschelde führende zeigt feit Ver-
tiefung des Echeldckanals, Anlage neuer Hafen-
einrichtungen und von Trockendocks starke Zunahme
des Verkehrs (1892:1l8015 y. Die Coupure (1758
vollendet) verbindet die Lys mit dem Vrügge-Ostender
Kanal. Haupthandelsartikel sind Getreide, Rüböl
und Flachs sowie die eigenen Erzeugnisse.
Geschichte. G. wird schon im 7. Jahrh, er-
wähnt. Gegeil 868 baute daselbst Graf Balduin I.
eine Burg gegen die Normannen. Dieser bemäch-
tigte sich 949 Kaiser Otto d. Gr.; dock um 1000 ver-
trieben die mächtiger werdenden Grafen von Flan-
dern den kaiferl. Burggrafen. Unter ihrer Herr-
schaft wuchs die Stadt mebr und mehr, fodaß sie zu
den Zeiten Philipps von Valois und Karls VI. von
Frankreich 20000 Mann ins Feld stellen konnte.
Dieses Wachstum ihrer Macht gab den Gentern
einen stolzen Freihcitssinn; Volksaufstände waren
im 13. bis 15. Jahrh, häufig. So entstand die be-
rühmte Schilderbebung Jakobs van Artevelde (s. d.)
gegen den Grafen Louis de Crecy in der ersten
Hälfte des 14. Jahrh.; so der Widerstand gegen die
Anerkennung Pbilipps des Kübnen von Burgund
als Grafen von Flandern (1385). Ebenso erhoben
sie sich 1450 gegen den Herzog Philipp den Guten,
als dieser eine neue Steuer auf Salz und Gelrelde
legte, wurden aber bei Gaverc bezwuugen und tief
gedemütigt. Nach dein Tode Marias, die in G.
residiert hatte, zwangen die Genter deren Gemahl,
den Erzherzog Maximilian, zu den: für ihn und die
Niederlande nachteiligen Frieden von Arras, 23. Dez.
1482. Sie weigerten sich 1539, an einer der Graf-
schaft Flandern auferlegten Steuer teilzunehmen, in-
dem sie sich auf ihre Privilegien beriefen. Karls V.
Schwester Maria, die Statthalterin der Niederlande,
lieft hierauf alle Genter Kaufleute, die sich außerhalb
dor Stadt befanden, verhaften, mit der Drohung, sie
so lange festzuhalten, bis die Stadt sich fügen werde.
Die Genter verjagten den Adel und die Anhänger
der Regierung. Doch Karl V. eilte mit großer Macht
aus Spanien persönlich herbei, stillte schnell den
Aufruhr, ließ 26 Führer hinrichten, konfiszierte fämt-
liche Privilegien, Renten und Waffen der Stadt und
der Zünfte und legte eine jährliche Kontribution von
6000 Fl. und eine Geldbuhe von 150000 Gold-
gulden auf, von welcher die Citadelle erbaut wurde.
In G. wurde 1576 die Genter Pacifikation (s. d.)
geschlossen. An dem Freiheitskriege nahm die Stadt
den lebhaftesten Anteil, bis sie sich 1584 unter
harten Bedingungen an Alexander Farnese er-
geben mußte. Auswanderung, Brandschatzungcn