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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gentilen - Gentz (Friedr. von)
Gelltrlcn, Angehörige einer 66N8 (s. (i"nt68).
Ventiinonune (frz., spr. schangtljomm), Edel-
mann, Kavalier; auch soviel wie Gentleman (s.d.).
GenNli (spr. dschen-), Alberico, ital.-engl. Jurist,
geb. 14. Jan. 1552 zu Sangenesio in den Apenninen,
promovierte zu Perugia, kehrte dann nach seiner
Vaterstadt zurück, mußte aber seines prot. Glaubens
wegen uach Asterreich und von da nach England
fliehen, wo er 1587 zum Professor des Civilrechts
ernannt wurde. Nachdem er sodann 1600 zur Mit-
gliedschaft von ^i-av'5 Inn zugelassen war, starb er
l 9. Juni 1608. G.s Schriften haben einen dauern-
den Wert wegen ihres Eingehens auf die durch die
neuern Staatenverhältnisse hervorgerufenen staats-
rechtlichen Fragen. Er schrieb: "i>6 leß^tionidug
lidri tr68" (Lond. 1585), "Ds^ui'6 dolli lidri ti'68"
l Leiden 1588-89; neu aufgelegt vonTH.E. .Holland,
Orf. 1877; italienisch von Fiorini, Livorno 1877);
"Hi8panica6 aäv0cHti0ni8 lidri äno" (1613).
Gentilismus (lat.), Heidentum.
Gentilität, s. lautes.
Gentilly (spr. schangtljih), Stadt nn Kanton
Villejuif, ArrondissementSceaux des franz. Depart.
Ecine, im S. an Paris anstoßend (Pferdebahn),
vor der Enceinte und an der Gürtelbahn, hat (1891)
1 l 600, als Gemeinde 15 017 E., zahlreiche Land-
häuser, Alterversorgungsanstalt, Fabrikation von
Alaun, künstlichen Blumen, Uhrenfedern, bedruckten
Stoffen, Gerberei, Kohlen- und Wollhandel und
Weinniederlagen.
Gentleman (engl., spr. dschenntl'men; ent-
sprechend dem franz. (^millioinme) bezeichnet in
England den höhern Mittelstand, der zwischen dem
hohen Adel und den arbeitenden Klassen seine Stel-
lung hat, also die Varonets, Ordensritter, Groß-
händler, Fabrikherren, Künstler und Gelehrte, über-
haupt Personen, die auf Bildung und unabhängige
Stellung Anspruch machen. In derUmgangssprache
erleidet indessen das Wort noch eine verschiedene
Anwendung, indem man einen G. bald den nennt,
der die Gesetze der Etikette und der gesellschaftlichen
Bilduug befolgt, bald jeden Mann von ehrenhaftem,
zuverlässigem Charakter darunter begreift. In der
Anrede an Versammlungen bedeutet "Gentlemen"
nicht mehr als das deutsche "Meine .Herren". -
Gentlemanlike (spr. -leik), nach Art eines G.
Vsnt1einen-a.t-I.rinL (engl., spr. dschenntl'mcn
ätt arms), eine aus Offizieren gebildete königl.
Leibgarde.
Ventieinen ok tne lTin^'s beäonkinber
(spr. dschenntl'men, -tschehmb'r), in England die
königl. Kammerjunker.
Gentry (engl., spr. dschenntri), im Sprachge-
brauch derengl.HeraldikderniedereAdel,welcher für
Varonets, Ordensritter u. a. anerkannt wird. Im
gewöhnlichen Sprachgebrauch bezeichnet G. die Ge-
samtheit der Honoratioren in Land und Stadt,
welche auf Grundlage eines größern Besitzes, höherer
Bildung und öffentlicher Thätigkeit in Ehrenämtern
die heutige regierende Klasse Englands darstellen.
(S. Gentleman.)
Gentz, Friedr. von, Publizist, geb. 2. Mai (uach
andern Angaben 8. Sept.) 1761 zu Breslau, stu-
dierte die Rechte in Frankfurt und Königsberg,
wurde 1786 Geh. Sekretär beim Generaldirettorium,
1793 preuß. Kriegsrat. Seit seinem Königsberger
Aufenthalt ein begeisterter Anhänger Kants und
Rousseaus, begrüßte G. mit Jubel die Bestrebun-
gen der Französischen Revolution (so besonders in
dem Allssatz "über den Ursprung und die obersten
Principien des Rechts", 1791); aber schon 1792
zeigte er sich ernüchtert durch die Übertreibungen
der franz. Demokraten, durch den Umsturz aller
Principien staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung.
In den berühmten Abhandlungen und Zusätzen sei-
ner Übersetzung des Werkes von Edmund Burke
(s. d.) über die Französische Revolution verteidigte
er die histor. Staatslehre wider den weltbürger-
lichen Radikalismus der Revolution und die Macht
des Staates wider den zügellosen Individualismus.
Seit 1795 begann er dann seine konservativen
Grundsähe wieder mit liberalen und nationalen
Reformideen zu versetzen und gründete die "Neue
deutsche Monatsschrift", für die er eine Reihe seiner
inhaltlich und stilistisch meisterhaften Aufsätze zur
Zeitgeschichte schrieb. Er war damals von Ge-
danken des engl. Konstitutionalismus erfüllt und
richtete 1797 an den neuen König von Preußen,
Friedrich Wilhelm III., ein glänzendes Sendschrei-
ben, worin er dem König eine liberale und nationale
Politik empfahl, die Gewährung von Preßfreiheit
verlangte und vor allem eine Einigung Deutsch-
lands unter den beiden Hauptmächten in Form
einer Diktatur forderte. In seinem "Historischen
Journal" 1799 und 1800 trat G. als der Vorkämpfer
des Koalitionskrieges gegen Frankreich und als der
Parteigänger Englands hervor, wie er selbst be-
hauptete aus Überzeugung, wie seine Gegner ihm
vorgeworfen haben aus Eigennutz, da er von Eng-
land reiche Pensionen bezog. In Preußen, wo seit
dem Baseler Frieden an der Neutralitätspolitik fest-
gehalten wurde, war G.' Stellung unmöglich ge-
worden. 1802 vertauschte er den preuß. Staats-
dienst mit dem österreichischen. Als Hofrat bei der
kaiserl. Hof- und Staatskanzlei entfaltete er nun
eine unermüdliche Thätigkeit in der Bekämpfung
Napoleons durch Denkschriften, Korrespondenzen
und litterar. Publikationen, ohne jedoch auf den
Gang der österr. Politik unter L. Cobenzl Einfluß
zu gewinnen. Unablässig feuerte er die Mächte zum
kriege an; allen, die sich als Feinde des Eroberers
bekannten, lieh er seine Feder. Die schwungvollste
und kräftigste Sprache unter seinen damaligen
Schriften reden die "Fragmente aus der neuesten
Geschichte des polit. Gleichgewichts" (Lpz. 1801;
2. Aufl. 1806), die ganz Europa zum Kampfe gegen
den Erbfeind aufrütteln wollen, sowie das berühmte
österr. Kriegsmanifest vom 15. April 1809.
Der Wiener Friede (14. Okt. 1809) vernichtete
alle seine Hoffnungen auf die Befreiung Europas.
Sein früherer Idealismus war dahin; aus einem
feurigen Anwalt der Freiheit Europas gegen den
Unterdrücker Napoleon wurde G. der einseitige Ver-
treter österr. Interessen und mehr und mehr das Werk-
Kongreß von 1815^so war G. auch in Aachen (1818),
in Karlsbad und Wien (1819) sowie auf den Kon-
gresseuvonTroppau,Laibachund Verona (1820-22)
der Protokollführer, der erste Sekretär und der publi-
zistische Vertreter Österreichs. Die meisten offiziellen
Aktenstücke der Reaktionszeit rühren von ihm her.
Er wurde der eifrigste Vertreter des Systems der
Stabilität, "der Erhaltung der Ruhe um jeden
Preis", der getreue Adjutant Metternichs im Kampfe
gegen den Liberalismus. Als es auf den Karls-
bader Konferenzen galt, die Freiheitsverheißungen