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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gentz; Genu; Genua

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Gentz (Wilhelm) - Genua (Provinz)

der Bundesakte möglichst geräuschlos zu beseitigen, war es G., der die Erfindung machte, daß unter den in Art. 18 verheißenen "gleichförmigen Verfügungen über die Preßfreiheit" nichts anderes zu verstehen sei als eine in sämtlichen Bundesstaaten möglichst gleichförmig verwaltete Censur, und daß mit den in Aussicht gestellten "landständischen Verfassungen" nur Ständeversammlungen, nicht Volksvertretungen gemeint seien. Auch auf den Wiener Konferenzen (1819) trugen ähnliche sophistische Interpretationen von G. den Sieg davon. So stellte G. seit 1815 sein reiches Talent in den Dienst der Reaktion, doch blieb ihm das bittere Gefühl nicht erspart, daß das System, dem er diente, sich mehr und mehr als unhaltbar erwies. Durch die Julirevolution fühlte er sich im Innersten gebrochen. Er starb 9. Juni 1832 in Weinhaus bei Wien.

G. war als Publizist von bewunderungswürdigster Gewandtheit, als Stilist von einer klassischen Darstellungsgabe, aber zum Staatsmann fehlte ihm die sittliche Kraft und Charakterfestigkeit. Trotz seiner reichen Einnahmen, die seit dem Wiener Kongreß mehr als 60000 M. jährlich betrugen, war er in beständiger Geldverlegenheit, weil er ohne epikureischen Sinnengenuß nicht zu leben vermochte. Von Willensfreiheit, von polit. Überzeugungstreue konnte daher bei dem im Solde der Regierungen und Höfe Stehenden keine Rede sein. Seit dem Wiener Kongreß war er mit Gunst- und Ehrenbezeigungen jeder Art, mit Dekorationen und baren Belohnungen von allen Seiten überschüttet worden; den Adel hatte ihm der russ. Kaiser verliehen. Seine wichtigern Schriften sind enthalten in den Sammlungen von Weick (5 Bde., Stuttg. 1836-38) und Schlesier (5 Bde., Mannh. 1838-40). Dazu kommen die "Mémoires et lettres inédites", hg. von Schlesier (Stuttg. 1841), "Briefwechsel zwischen Friedrich G. und Adam Müller 1800-29" (ebd. 1857), G.' "Tagebücher" aus dem Nachlasse Varnhagens von Ense (4 Bde., Lpz. 1873-74); ferner: "Aus dem Nachlasse F. von G.'" (bg. von Prokesch-Osten, 2 Bde., Wien 1867); "Friedrich von G.' Briefe an Pilat" (hg. von K. Mendelssohn-Bartholdy, 2 Bde., Lpz. 1868); Klinkowström, "Briefe polit. Inhalts von und an G." (Wien 1870) und Prokesch-Osten (Sohn), "Dépêches inédites du chevalier de G. aux hospodars de Valachie" (3 Bde., Par. 1876-77); ders., "Zur Geschichte der orient. Frage. Briefe aus dem Nachlasse Friedrich von G.' 1823-29" (Wien 1877). - Vgl. die Biographie G.' von Haym in der "Allgemeinen Eneyklopädie" von Ersch und Gruber (Sektion 1, Bd. 57, Lpz. 1854) - Mendelssohn-Bartholdy, Friedrich von G. (ebd. 1867); Fournier, G. und Lobenzl (Wien 1880). Die letzten Versuche der Ehrenrettung machte Joseph Gentz in "Friedrich G. und die heutige Politik" (Wien 1861) und "Über die Tagebücher von Friedrich G." (ebd. 1861). über das Verhältnis von G. zu Metternich vgl. Beer, Fürst Clemens Metternich (in "Der Neue Plutarch", Bd. 5, Lpz. 1877).

Gentz, Wilhelm, Maler, geb. 9. Dez. 1822 zu Neuruppin, besuchte die Universität in Berlin, trat 1842 in das Atelier des Professors Klöber in Berlin, begab sich dann an die Antwerpener Akademie und wurde in Paris Schüler Gleyres und Coutures. Eine Reise durch Spanien und Marokko 1847 entschied seine künftige Richtung und veranlaßte den Künstler zu weitern Reisen, auf welchen er 1850 Ägypten, Nubien, Kleinasien und die Türkei be-

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suchte. Die künstlerischen Ergebnisse dieser Reisen fanden dei dem Pariser Aufenthalte G.' in eigenartiger Richtung Verwendung, indem er nach dem Vorgange Horace Vernets biblische Motive in treuer Wiedergabe orient. Wesens komponierte. Zu seinen bedeutendsten Schöpfungen dieser Zeit gehören: Der verlorene Sohn, Christus im Hause des Simon (1854; für die Kirche seiner Vaterstadt gemalt), Christus unter den Pharisäern und Zöllnern (im Städtischen Museum in Chemnitz). Neben Stoffen biblischen Inhalts lieferte jedoch der Künstler von vornherein Darstellungen aus dem Volksleben des Ostens. So zunächst den Sklavenmarkt zu Assuan, der unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Ägypten vollendet ward; dann in den sechziger Jahren Das Lager der Mekkakarawane, Das Gebet der Mekkakarawane, Die Karawanenbegegnung in der Wüste. 1870-73 erschienen: Nillandschaft mit Flamingos, Der Märchenerzähler bei Kairo, Das Totenfest in Kairo (1871; Dresdener Galerie), Die Dorfschule in Oberägypten, Der Schlangenbeschwörer, Sklaventransport dnrch die Wüste (Stettiner Museum). 1873 machte der Künstler Studien in Palästina, welche ihm zu dem Bilde: Einzug des Kronprinzen des Deutschen Reichs in Jerusalem 1869, dienten; das 1876 vollendete Gemälde gelangte in die Berliner Nationalgalerie. Dieselbe Gleichwertigkeit des Figürlichen und der Landschaft, welche alle diese Werke auszeichnet, findet sich auch noch im Koranspruch als Heilmittel (1877), in einer Scene aus Algier (1879), in der Koranvorlesung in der Grotte des Jeremias (1880) und in der Gedächtnisfeier des Rabbi Isaak Varchischats in Algier (1881; Leipziger Museum), während er von da ab mehr und mehr zwischen eigentlichem Figurenbild und staffierter Landschaft unterscheidet. Zur erstern Art gehören die Idylle in der Thebais (1883) und der Palmsonntag zu Gebel Adep in altchristl. Zeit (1886), zur letztern dagegen der Abend am Nil (1884) und Abendlandschaft an den Katarakten des Nils (1887). An der Berliner Akademie als Professor und Senatsmitglied thätig, versuchte G. sich auch auf schriftstellerischem Grebiet, indem er schon 1853 seine frühern Reisen in dem Buche "Briefe aus Ägypten und Nubien" beschrieb. Für Ebers' "Ägypten" lieferte er mehrere Illustrationen, ebenso für dessen Romane. G. starb 23. Aug. 1890 zu Berlin.

Genu (lat.), das Knie (s. d.); G. valgum, Bäckerbein (s. d.), X-Bein; G. varum, Säbelbein, O-Bein.

Genua. 1) Provinz des Königreichs Italien, in der Landschaft Ligurien, umfaßt im wesentlichen das alte Ligurien und den größten Teil der spätern Republik G., grenzt im N. an die Provinzen Porto Maurizio und Cuneo, im W. an Alessandria und Pavia, im O. an Massa e Carrara, im S. an das Mittelländische Meer, hat 4114,45 (nach Strelbitskij 4194) qkm, (1881) 760122, nach einer Berechnung (31. Dez. 1893) 821511 E., d. i. 200 E. auf 1 qkm, und zerfällt in die 5 Kreise Albenga (57506 bez. 59312 E.), Chiavari (110866 bez. 118992 E.), G. (389263 bez. 414845 E.), Savona (97023 bez. 107872 E.) und Spezia (105464 bez. 117063 E.) mit zusammen 196 Gemeinden. Die Provinz bildet einen schmalen Küstenstrich um den Meerbusen von G. her, dessen Küste östlich von G. bis Spezia Riviera di Levante, westlich von G. bis zur franz. Grenze Riviera di Ponente heißt. Das Land ist größtenteils gebirgig und wird durchzogen im W. von den Ausläufern der Seealpen (Monte-Carmo 1389 m),