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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geographie
von Ellipsen haben. Die erste rationelle Erdmessung
führte 1615 Willebrord Snellius in den Niederlan-
den aus. Während durch verbesserte Instrumente
immer genauere Breitenbestimmungen gewonnen
wurden, war es vor der Veröffentlichung der von
Tob. Mayer berechneten Mondtafeln und vor Er
findung genau gehender Uhren (Ohronometer) in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrh, nicht möglich, zuver-
lässige Längenbestimmungen zu gewinnen. Cool
wandte bei feinen Seereifen die neuen Methoden
zuerst mit großem Erfolge an. Die Entwicklung der
Kartographie <s. Landkarten) hängt mit dem
Wiederbekanntwerden des Ptolemäus zusammen,
von desfen G. 1478 die erste mit Karten versehene
Ausgabe in Florenz erschien. Von da an bestanden
bis 1570, wo das "^Iio^tinni 0idi8" von Ortelius
erschien, alleKartensammlungen, die durch den Druck
vervielfältigt wurden, nur aus Ptolemäus-Aus-
gaben. Es sind in diefem Zeitraum '',2 sichere Aus-
gaben bekannt, davon enthalten 26 Ausgaben uu-
gefähr 700 alte Ptolemäifche und gegen 400 neue
Karten. Gegen die Fülle dieses Kartenmatcrials
tritt die geringe Anzahl der bis 1570 einzeln ersckic-
nenen Karten gewaltig zurück. Der Reformator der
Kartographie im 16. Jahrh, war Gerhard Mercator
(s. d.). Zu den schon im Altertum bekannten Pro-
jektionen traten seit Ende des 15. Jahrh, viele neue
(s. Kartenprojektion und vgl. Artikel Globus nebst
Karten zur Geschichte der Geographie lä
und 6). - Vgl. Steinhäuser, Grundzügc der ma-
thematischen G. (3. Aufl., Wien 1887); Epstein, Geo-
nomie ^mathematische G.^I (ebd. 1888): Günther,
Handbuch der mathematischen G. (Stuttg. 1890).
2) Die physikalische G. oder Geophysik ent-
wickelte sich im 16. und 17. Jahrh, noch ziemlich lang-
sam. Sie wurde gefördert von Männern wie Leo-
nardo da Vinci (1452-1519), G. Hartmann in
Nürnberg, der 1543 die Inklination der Magnet-
nadel entdeckte, Galilei, dem Erfinder des Thermo-
meters, Torricelli, dem Erfinder des Barometers.
Genaue Beobachtungen über die Vorgänge in der
Atmofphäre waren erst nach Herstellung dieser In-
strumente möglich. Das Zeitalter der Messungen
begann um die Mitte des 17. Jahrh. Die ersten
trigonometr. Höhenmessungen wurden um 1700 und
1701 gemacht. Um die Mitte des 18. Jahrh, ent-
wickelte sich allmählich eine schärfere Terminologie
für die verschiedenen Formen der starren Erdrinde.
A. von Humboldtbegründete dievergleichendeHöhen-
kunde. Um das Ende des 18. Jahrh, erfand man
zuerst eine klare kartogr. Zeichensprache für die Dar-
stellung des Terrains. A. G. Werner (1750-18l7)
wurde der Vater der Geologie. In Bezug auf den
Mechanismus derGebirgsbilduna hatte schon Saus-
sure an seitlichen Zusammenschub gedacht, doch ist
diese Lehre erst 1868 durch Shaler angeregt und
durch Dana, Süß und Heim weiter ausgebildet und
neben derjenigen vom Absinken einzelner Erdrinden-
schollcn längs größerer oder kleinerer Verwcrfungs-
spalten zur Grundlage unserer Ansichten über die
Entstehung der Unebenheiten der Erde gemacht
worden. Die ersten Versuche, die Tiefen des Oceans
zu messen, stellten I. R. Forster und Cook 1772 an;
aber erst seit 1851 begannen genauere Tiefseefor-
schungen (s.d.). I.I.Ott (1715-69) stellte die ersten
Versuche an, die Bodentemperaturen in verschiede-
nen Tiefen zu messen, während 1749 Kapitän Ellis
zuerst dieWärme größerer^eetiefen zu messen unter-
nahm. Die Wissenschast der M e teorologie ent-
wickelte sich erst, als der Kurfürst Karl Theodor
j von der Pfalz 1780 die Mannheimer Akademie für
i Meteorologie anlegte. Linne gab schon 1737 die
Polargrenze mancher Gewächse im nördl. Schweden
an, und Goethe entwarf (bald nach 1807) nach Hum-
boldts Angaben und Beobachtungen das erste land-
schaftlich aufgefaßte Bild der Pflanzenregionen,
^chon 1777 datte A. W. Zimmermann die erste Erd-
karte für die Verbreitung der Säugetiere entworfen.
Humboldts und Ritters Verdienst war es sodann,
in der vergleichenden Erdkunde die G. zur Wissen-
schaft im modernen Sinne zu erheben. - Vgl.
Peschel, Physische Erdkunde (2 Bde., 2. Aufl., hg.
von Leipoldt, Lpz. 1884-85); Supan, Grundzüge
! der physischen Erdkunde (ebd. 1884); Richthofen,
Führer für Forfchungsreisendc (Berl. 1886); Gün-
ther, Lehrbuch der Geophysik und physikalischen G.
(2 Bde., Stuttg. 1884-85); ders., Lehrbuch der phy-
sikalischen G. (ebd. 1891); Berghaus, Physik. Atlas
! (begründet 1836 vonHeinr.Verghaus; in75Karten,
' vollständig neu bearbeitet, Gotha 1886-92).
! 3) Die politisch- st atistis ch e G. wurde früher
i und fleißiger als die übrigen Teile der Wissenschaft
bearbeitet. Nach dem Vorgange der fleißigen Eamm-
' ler Mernla, Job. Hübner und Hager brachte feit
l 754 A. F. Büsching ein durch Vollständigkeit des
Stoffs, genaues Quellenstudium und Zweckmäßig-
keit der Anordnung ausgezeichnetes, noch gegen-
wärtig vielfach branchbares Werk zu stände. Ihm
folgten d'Anville, Normann, Gatterer, Fabri, später
Gaspari, Stein, Cannabich, Maltebrun u. a., die
zum Teil wichtige größere Werke, zum Teil für den
Schulunterricht nützliche Kompendien herausgaben.
Eine neue Periode aber begann mit Karl Ritter
(s. d.), der durch die von ihm begründete neue Me-
thode der Behandlung der G. erst die Weihe stren-
! gerer, höherer Wissenschaftlichkeit gab. Er ist der
Schöpfer der allgemeinen vergleichenden
Erdkunde, welche sich zur Aufgabe gestellt hat,
die Erde im Verhältnis zur Natur und Geschichte
als einen Organismus zu erkennen, die Beziehun-
! gen der Natur zum Geiste, ihren Zusammenhang
! mit dein Leben und der Entwicklung des Menschen,
dessen Wohn- und Erziehungshaus die Erde ist,
durch Vergleichung aller Zeiten seiner Geschichte
nachzuweisen und so den Physik, und histor. Wissen-
schaften eine sichere Grundlage zu gewähren oder
vielmehr die nach Ziel und Methode so weit aus-
cinanderstrebenden Natur- und Geisteswisscnschaften
! zu einer höhern Einheit zu verbinden. Da aber
Ritter immer mehr die geschichtliche Vetrachtungs-
weife in den Vordergrund feiner Untersuchungen
stellte, so sank allmählich die G. zur Dienerin der
Geschichte berab, ein Zustand, aus dem sie erst seit
dem moderigsten Zeitalter der Entdeckungen sich wieder
aufschwang. Und nun erst, nachdem die naturwissen-
schaftliche Grundlage wieder ganz in ihr Recht ge-
treten war, konnte die G. ihre heutige Stellung er-
ringen. Daß man neuerdings die Nittersche Be-
zeichnung "vergleichende" Erdkunde, die einst wie
eine allwirkende Zauberformel galt, wieder fallen
^ ließ, hat feinen Gruud in der Einsicht, daß das
"Vergleichen" ein unentbehrlicher Bestandteil jeder
! wissenschaftlichen Methode, also nichts befonders
z Gcographifchcs ist. Die Ritterschen Bahnen ver-
folgten noch einige Zeit hindurch von Rougemont,
! von Roon, Berghans, Meinicke, Wappäus, vou
Klöden, Daniel, Kutzen, Neumann u. a. Doch bc
steht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen