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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gerbel-Embach - Gerber
Gerbel-Gmbach, Karl Nikolaus von, Publizist
uud Dichter, geb. 9. (21.) Mai 1837 in Kaluga,
deutscher Abkunft, studierte die Rechte in Dorpat,
machte ausgedehnte Reisen durch Rußland und
Deutschland und ließ sich dann dauernd in Dresden
nieder. Neben einer starken publizistischen Thätig-
keit trat er auch als Herausgeber der belletristischen
Zeitschrift "Pantheon" (Dresd. 1873) hervor. Von
seinen Prosaschriften sind zu nennen: "Die Atten-
tatsperiode in Rußland" (Heilbr. 1881) und die mit
der Raskol-Bewegung in Rußland sich beschäftigende
Broschüre "Russ. Sektierer" (ebd. 1883), die eine
genaue Kenntnis der Verhältnisse Ruhlands be-
kunden. Unter dem Pseudonym Nicolai Karlo-
witsch schrieb er sein Aufsehen erregendes Buch
"Die Entwicklung des Nihilismus" (Berl. 1879;
3. Aufl. 1880). Unter G.s Poesien sind seine "Dich-
tungen" (Lpz. 1869) und "Religiöse Dichtungen"
s.heilbr. 1881) sowie das Drama "Artarerres"
(Dresd. 1891) besonders hervorzuheben.
Gerbelieren, s. Gerbulieren.
Gerben des Leders, s. Lederfabrikation.
Gerbepflanzen, Pflanzen, die ganz oder in ein-
zelnen Teilen (besonders Rinde, Wurzel, Früchten)
Gerbsäuren (s. d.) enthalten.
Gerber, Gewerbetreibende, die sich mit der An-
fertigung von Leder aus rohen Häuten beschäftigen.
(S. Lederfabrikation.) Sie zerfallen je nach Art
und Zweck ihrer Arbeit in Sohlledergerber, Ober-
ledergerber, Rotgerber, Weißgerber, Safsianer und
Korduaner und bilden an größern Orten meist auch
ebenso viel verschiedene Innnngen; gewöhnlich
wurde wenigstens zwischen Rotgerber-Innung und
Weißgerber-Innung unterschieden. Das Gewerbe
findet sich bei allen, auch von der Kultur nicht be-
rührten Völkern und reicht in das fernste Altertum
zurück. Bekannt ist der G. Simon zu Joppe (Apostel-
gesch. 9,43; 10,6 fg.). Bis Anfang des 19. Jahrh,
wurde es handwerksmäßig betrieben nach Regeln,
die sich oft vom Vater auf Sohn vererbten. Von da
an sand jedoch auch hier die Physik und Chemie Ein-
gang, und etwa seit 1870 verfällt der handwerks-
mäßige Betrieb rafch und geht in den Industrie-
betrieb über. Eine neue Organisation begann sich
in den fünfziger Jahren zu begründen. Es entstan-
den der Verein deutscher G., später auch Distrikts-
verbände (etwa 18), und 1892 der "Centralverein
der deutschen Lederindustrie" (Sitz in Berlin; 1893
mit einem Mitgliederbeitrag von 7429 M.), dem sich
zehn jener Distriktsverbände anschlössen. Auch giebt
es Fachzeitschriften (in Deutschland und Österreich-
Ungarn 15>) und Gerberschulen (s. d.).
Gerber, Käfer, f. Walker.
Gerber, Ernst Ludw., musikalischer Schrift-
steller, geb. 29. <Hept. 1746 in Sondershaufen als
Sohn des dortigen.Hoforganisten Heinrich Niko -
laus G., wurde 1775 seines Vaters Amtsnach-
folger und starb 30. Juni 1819. Unermüdlich sam-
melte er alle erlangbaren Lebensnachrichten bekann-
ter Musiker und veröffentlichte ein "fnstor.-biogr.
Lexikon der Tonkünstler" (2 Bde., Lpz. 1791-92),
dem später eine Fortsetzung als "Neucs histor.-biogr.
Lexikon der Tonkünstler" (4 Bde., ebd. 1812-14)
folgte. Beide Werke sind noch jetzt das Beste, was
die deutsche Litteratur in diesem Fache besitzt.
Gerber, Joh. Gottfr. .heinr., Ingenieur, geb.
18. Nov. 1832 zu .Hof in Bayern, studierte an den
polytechnischen Schulen in Nürnberg und München
und wurde nach Ablegung der Staatsprüfung 1850
mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über die Isar bei
Großhesselohe betraut. 1858 - 73 leitete er die
Brückenbauabteilung der Cramer-Klettschen Fabrik
zu Nürnberg und 1873-84 war er Direktor der aus
dieser Abteilung hervorgegangenen "Süddeutschen
Brückenbau-Aktiengesellschaft" in München, welche
dann aufgelöst wurde und überging in die "Ma-
schinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg", bei der G.
seitdem als Aufsichtsrat und technischer Beirat be-
teiligt ist. Unter Berücksichtigung der Wöhlerschen
Versuche und der dynamischen Wirkung der beweg-
ten Last hat G. für die Berechnung der Brücken
Regeln aufgestellt, nach denen seit 1872 in Bayern
und Hessen die Eisentonstruktionen für Eisenbahn-
und Straßenbrücken berechnet werden. 1866 ließ
er sich in Bayern ein neues Trägersystem paten-
tieren, "Träger mit freischwebenden Stützen", wel-
ches zuerst 1867 bei Brücken über die Regnitz bei
Vamberg und über den Main bei.Haßfurt ausge-
führt wurde. Dieses System (s. Eisenbrücken, Bd. 5,
S. 920d) ist seitdem bei vielen großen Brücken-
bauten in Amerika und England angewendet unter
dem Namen "Auslegerbrücken" ((^iitii6V6i'). Auch
das sog. Gerbersche Gelenk für Eisenkonstruktion heißt
nach ihm. Er schrieb: "Das Paulische Trägersystem"
(Nürnb. 1859), "Die Rheinbrücke bei Mainz" (Mainz
1863); ferner "Die Ifarbrücke bei Großhesselohe"
(in der "Allgemeinen Bauzeitung", Wien 1859),
"Berechnung der Brückenträger nach System Pauli"
(in der "Zeitschrift des Vereins deutscher Inge-
nieure", Berl. 1865), "Träger mit freiliegenden
Stützpunkten" (in der "Zeitschrift des bayr. Archi-
tekten- und Ingenieurvereins", Münch.1870), "Be-
stimmung der zulässigen Spannungen in Eisenkon-
struktionen" (ebd. 1874), "Notizen über Eisenkon-
struttionen mit Gelenkverbindungen" (in der "Zeit-
schrift für Vaukunde", ebd. 1882), "Einsteighallen
im Centralbahnhof München" (im "Organ für Fort-
schritte des Eisenbahnwesens", 1887).
Gerber, Karl Friedr. Wilh. von, Jurist und
Staatsmann, geb. 11. April 1823 zu Ebeleben im
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, studierte
zu Leipzig und .Heidelberg die Rechte, habilitierte
sich 1844 in Jena, wurde 1846 außerord., 1847
ord. Professor in Erlangen und 1851 Kanzler der
Universität Tübingen. 1857-61 beteiligte sich G.
als württemb. Abgeordneter an der in Nürnberg
und .hambnrg tagenden Konferenz zur Kodifikation
des deutschen Handels- und Seerechts, an deren
Zustandekommen er einen hervorragenden Anteil
hat. 1862 ging er als Professor der Rechte und
Oberappellationsgerichtsrat nach Jena, 1863 als
Professor des deutschen Rechts, Staats- und Kirchen-
rechts nach Leipzig. 1867 war er Mitglied des Kon-
stituierenden Reichstags in Berlin und 1871 Präsi-
dent der ersten Landessynode in Sachsen. Nach
dem Rücktritt Falkensteins übernahm er I.Okt. 1871
das sächs. Ministerium des Kultus und öffentlichen
Unterrichts, nach dem Tode des Kriegsministers
Fabrice (März 1891) auch den Vorsitz im Gesamt-
ministerium. Er starb 23. Dez. 1891 in Dresden.
Unter seiner Verwaltung ist die gegenwärtige Orga-
nisation der evang.-luth. Kirche Sachsens zur Aus-
führung gekommen; nicht minder sind die Verhält-
nisse des Staates zur kath. Kirche gesetzlich geregelt
worden. Ferner hat unter seiner Leitung sowohl das
Volks- als auch das höhere Schulwesen eine neue
gesetzliche Ordnung erhalten (1873 und 1876) und
sind die Verhältnisse der Universität Leipzig ebeniy