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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gerichtsbarkeit; Gerichtsbeisitzer; Gerichtsbezirk; Gerichtsferien

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Gerichtsbarkeit (akademische) – Gerichtsferien

Geschäfte der Justizverwaltung ebenso wie die Ausübung der nicht streitigen G. übertragen werden (§. 4 des Einführungsgesetzes). Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt, beziehen festes Gehalt und können wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben, an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden (§§. 6 fg.).

Ausnahmegerichte sind, vorbehaltlich der Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrechte (s. d.), unstatthaft; niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden (§. 16). Von der inländischen G. ausgenommen sind aus völkerrechtlichen Gründen gewisse gesandtschaftliche Personen. (S. Exterritorialität.)

Für Österreich sind die entsprechenden Grundsätze in dem Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt vom 21. Sept. 1867 niedergelegt. Danach soll alle G. im Namen des Kaisers ausgeübt werden (Art. 1), von dem oder in dessen Namen die Richter auf Lebenszeit ernannt werden (Art. 5). Dieselben sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes selbständig und unabhängig und dürfen wider Willen nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen und Formen durch gerichtlichen Beschluß an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt, nur durch richterliches Erkenntnis ihres Amtes entsetzt werden (Art. 6). Ausnahmsgerichte sind nur in den von den Gesetzen im voraus bestimmten Fällen zulässig (Art. 2); Rechtspflege und Verwaltung ist in allen Instanzen getrennt (Art. 14). Durch ein ferneres Staatsgrundgesetz vom selben Tage ist zur Entscheidung bei Kompetenzkonflikten zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden – und in streitigen Angelegenheiten öffentlichen Rechts – ein Reichsgericht (s. d.) eingesetzt.

Gerichtsbarkeit, akademische, s. Akademisch.

Gerichtsbarkeit, geistliche. Die geistliche G. führt in ihren Anfängen zurück bis in die byzant. Zeit; schon in der Gesetzgebung des oström. Reichs war die geistliche G. ein ordentlicher Bestandteil der Gerichtsverfassung. Nachdem in der Merowingerzeit eine principielle Einschränkung der geistlichen G. stattgefunden hatte, nahm in der Karolingerzeit die geistliche G. immer größere Dimensionen an; sie wurde ausgeübt in der Form der sog. Sendgerichte (s. d.), ursprünglich vom Bischof, späterhin von den Archidiakonen (s. Archidiakonus) als bischöfl. Delegaten. Ihren Höhepunkt erreichte die geistliche G. im Mittelalter, insbesondere durch die Gesetzgebung Alexanders Ⅲ. und Innocenz’ Ⅲ. Sie umfaßte 1) alle Sachen geistlicher Personen oder Gesellschaften, weiterhin auch der Witwen und Waisen, der Freigelassenen, der Armen («personae miserabiles»); 2) alle Sachen, wo kirchliche Einrichtungen (Kirchengut, Patronat, Zehnten) in Frage waren; 3) alle Sachen, welche den Glauben oder die kirchliche Disciplin (Ehe, Eid, Testamente, Fleischessünden, Ketzerei) betrafen. Innocenz Ⅲ. dehnte die geistliche G. auf alles aus, wo ein Moment der Sünde in Betracht kommt. Damit war die geistliche G. allumfassend geworden, der weltlichen Gewalt verblieb nur, was die Kirche ihr überließ. Als geistliche Gerichte wurden bischöfl. Kollegialbehörden, die Ordinariate (s. auch Generalvikar und Konsistorium), eingerichtet. Die deutschen Kaiser unterwarfen sich diesem principiellen Standpunkt, insbesondere Friedrich Ⅱ. in der Authentica Statuimus von 1220 u. a. Seit dem 14. Jahrh. begann die Reaktion gegen dieses System und zertrümmerte allmählich die geistliche G. völlig. Heute ist dieselbe für Deutschland durch das Gerichtsverfassungsgesetz (§§. 13‒15), welches geistliche Gerichte als solche nicht mehr anerkennt, vollkommen beseitigt. Am längsten hatte sich die geistliche G. in Ehesachen erhalten, für welche sie in Bayern und andern Territorien Deutschlands erst durch das Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, §. 76, beseitigt wurde. Auch in der evang. Kirche hatte für Ehesachen und früher vielfach auch für Delikte gegen den Glauben und für Fleischessünden sich eine geistliche G. ausgebildet, welche aber niemals wie in der kath. Kirche als auf göttlicher Ordnung, sondern nur als auf Mandat des Staates beruhend aufgefaßt wurde. Die kath. Kirche hält ihre dogmatische Auffassung der geistlichen G. auch heute noch streng fest (vgl. den Syllabus Errorum Pius’ Ⅸ. von 1864) und gewährt nur «in Anbetracht der Zeitumstände» Konzessionen, wie dies im bayr. und österr. Konkordat deutlich zum Ausdruck gebracht ist. Wenn auch nach dem Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz die geistliche G. nicht mehr als solche im eigentlichen Sinne anerkannt werden kann, so steht doch nichts im Wege, daß auch fernerhin in den Formen der geistlichen G. die Kirchendisciplin über Kleriker und Laien gehandhabt werde (sog. forum internum). Auf diesem Wege findet sich die kath. Kirche auch thatsächlich mit dem modernen Staate, speciell dem Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz ab, und so tritt die Unvereinbarkeit des Dogmas von der gottgeordneten geistlichen G. mit dem Princip der ausschließlichen Staatsgerichtsbarkeit äußerlich nicht hervor.

Gerichtsbeisitzer, s. Beisitzer.

Gerichtsbezirk (Gerichtssprengel), der räumliche Bezirk, welcher bei einer Mehrzahl gleichartiger Gerichte desselben Staates jedem derselben zugewiesen ist. Die Zuweisung hat eine doppelte Bedeutung. Es darf nämlich einmal das Gericht der Regel nach Amtshandlungen nur innerhalb seines Bezirks vornehmen, außerhalb desselben nur mit Zustimmung des Amtsgerichts des betreffenden Ortes oder bei Gefahr im Verzuge; alsdann hat es aber dem Amtsgericht des Ortes Anzeige zu machen. Sodann bildet der G. die Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit, den Gerichtsstand (s. d.).

Gerichtsferien, diejenige Zeit des Jahres, in welcher sowohl behufs Beurlaubung der Gerichtsbeamten als auch zur Schonung der mit der Ernte beschäftigten Bevölkerung keine gerichtlichen Verhandlungen stattfinden und keine gerichtlichen Entscheidungen erlassen werden, ausgenommen in Feriensachen (s. d.). Keinen Einfluß haben aber die Ferien auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Konkursverfahren. In Deutschland dauern die G. vom 15. Juli bis 15. Sept. Zur Erledigung der Feriensachen können bei den Landgerichten Ferienkammern, bei den Oberlandesgerichten und dem Reichsgericht Feriensenate gebildet werden. Die G. verhindern den Beginn und hemmen den Lauf der Prozeßfristen, mit Ausnahme der Notfristen und der Fristen in Feriensachen. (Vgl. Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27. Jan. 1877, §§. 201‒204; Deutsche Reichscivilprozeßordnung vom 30. Jan. 1877, §. 201.) Auf die Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sind die G., wie in §. 1 des preuß. Ausführungsgesetzes vom 24. April 1878 noch besonders ausgesprochen ist, ohne Einfluß.