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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gerichtssprengel - Gerichtsstand
fertigungen dieses Gerichtshofs nur in deutscher
Sprache zu erlassen. Wenn jedoch die Verhandlung
in einer andern als der deutschen Sprache geführt
worden ist, hat der oberste Gerichtshof seine Ent-
scheidung darüber samt den Gründen in der Sprache,
in welcher die Verhandlung in erster Instanz geführt
wurde und in der deutschen Sprache binauszugeben.
-" Im Königreich Ungarn (einschließlich Sieben-
bürgen) ist die magyar. Sprache bei allen Gerichten
l>x, im Königreich Kroatien und Slawonien Mtl.
der ehemaligen Militärgrenze) die troat. Sprache.
Gerichtssprengel, s. Gerichtsbezirk.
Gerichtsstab. Der Stab war nach älterm
deutschen Recht das Zeichen der richterlichen Gewalt.
Mit demselben gebot der Richter Stille und hegte
das Gericht. An dem Stab wurde der Eid geleistet,
der Nichter "stabte" den Eid. Bei der Vollziehung
der Todesstrafe wurde über dem Verbrecher der Stab
gebrochen.
Gerichtsstand l^0i-uui). Sofern in einem Staate
mebrere auf gleicher Stufe stehende und daher sach-
lich gleich zuständige Gerichte, wie mehrere Amts-,
Land oder Oberlandesgerichte, vorhanden sind, be-
darf es einer Festsetzung, wie unter ihnen die Ge-
richtsbarkeit abzugrenzen ist. Diese Abgrenzung er-
folgt naturgemäß nach dem örtlichen Verhältnisse,
in welchem die Parteien oder die Streitsacken zu
dem Sprengel der konkurrierenden Gerickte steben.
Daraus ergiebt sich eine örtliche Zuständigkeit der
Gerichte, und diese wird als G. bezeichnet.
I. Die Deutsche Zivilprozeßordnung ent-
hält über den G. im wesentlichen folgende Grund-
sätze. Der G. bildet eine auf dem Interesse der
Rechtsordnung beruhende Prozeßvoraussetzung.
Tesdalb unterliegt die Wahrung desselben der Be-
rücksichtigung der Gerichte von Amts wegen, wie der
Vorabeinrede des Beklagten. Für den G. ist maß-
gebend der Zeitpunkt der Klageerhebung, d. h. der
Zustellung der schriftlichen Klage an den Beklagten.
Spätere Veränderungen der thatsächlichen Verbält-
nisse bleiben außer Betracht. Im übrigen bestimmt
sich der G. nach folgenden Regeln. Zunächst bat
das Gesetz einen allgemeinen G. aufgestellt.
Die Bedeutung desselben liegt darin, daß er regel-
mäßig für alle gegen eine Perfon zu erbebenden Kla-
gen gilt. Diesen G. haben physische Personen bei dem
Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Wohnsitz oder, in
Ermangelung eines Wohnsitzes, ihren Aufenthalts-
ort im Deutfchen Reiche haben, oder, falls auch ein
solcher unbekannt ist, ihren letzten Wohnsitz gehabt
haben. Gewisse Besonderheiten in dieser Beziehung
gelten für Militärpersonen, deutsche Exterritoriale
(s. Exterritorialität), sowie für Ehefrauen und
Kinder, für welche namentlich der Wobnsitz regel-
mäßig von dem des Familienhauptes abhängt (sog.
abgeleiteter G.). Sagegen haben solche Parteien,
welche im Rechtsleben nicht als physische Personen
in Betracht kommen, indes als Korporationen, Per-
sonenverevne (Gesellschaften, Genossenschaften) oder
Vermogensmafsen (Stiftungen, Anstalten) die Fä-
higkeit besitzen, im eigenen Namen zu klagen oder
beklagt zu werden, ihren allgemeinen G. da, wo sie
ihren Sitz haben. Ahnlich bestimmt sich dieser G.
für den Fiskus des Deutschen Reichs und der Bun-
desstaaten durch den Sitz der für den Streitfall zur
Malischen Vertretung befugten Behörde.- Auher
dem allgemeinen G. hat das Gefetz eine Reibe be-
sonderer G. vorgesehen, d. b. solcher, welcke dem
Kläger unter besondern Umständen neben dem all-
gemeinen zur Wahl stehen. Hierher gehören folgende
G. Für alle vermögensrechtlichen Klagen wird ein
solcher G. durch einen den Verhältnisten nach auf
längere Dauer berechneten Aufenthalt begründet bei
dem Gericht des Aufenthaltsortes. Für die auf den
selbständigen Geschäftsbetrieb einer gewerblichen
Niederlassung, auf die Bewirtschaftung eines Land
guts bezüglichen Klagen besteht ein G. beim Gericht
des Niederlassung^ortes bez. des Landguts. Gegen
Personen, welche im Deutschen Reiche keinen Wobn-
sitz haben, kann wegen vermögensrechtlicher An-
sprüche bei jedem Gericht geklagt werden, in dessen
Bezirk sie Vermögen haben oder sich der in Anspruch
genommene Gegenstand befindet. Der allgemeine
G. von Korporationeil, Personenvereinen ist auck
der G. für solche Klagen, welche von denfelben gegen
ibre Mitglieder als solche oder von ihren Mitglie
dern in dieser Eigenschaft gegeneinander erhoben
werden. Ein sog. dinglicher G. ist bestimmt für
Klagen, welche das Grundeigentum und dessen Be-
lastung betreffen, insofern für dieselben das Gericht,
in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist, zustän-
dig, und zwar zum Teil ausschließlich zuständig sein
soll. Fernere besondere G. sind: der G. der Erb'
schaft, identifch mit dem letzten allgemeinen G.des
Erblassers, für gewisse auf den Nachlaß bezügliche
Klagen, teils unbeschränkt (wie für die Erbschafts-
und Erbteilungsklage), teils nur unter bestimmten
Voraussetzungen; der G. der Vertragsobliga
tionen, für Klagen auf Erfüllung oder Feststellung,
Vertragsaufhebung oder Entschädigung wegenNicht-
erfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung, beim Ge-
richt des Erfüllungsortes begründet; hier, d. h. an
dein durch den Wechsel bestimmtenZahlungsort,kann
auch gegen den Aceeptanten eines gezogenen und
den Aussteller eines eigenen Wechsels geklagt wer-
den. Dagegen ist der Regreßanspruch gegen die Vor-
münner an dem Ort ihrer Handelsniederlassung
oder an ihrem Wohnort zu verfolgen. Wenn mehrere
Wechselverpflichtete gemeinschaftlich verklagt wer-
den, so ist nach ß. 56(i der Deutschen Civilprozeh-
ordnung außer dem Gerichte des Zahlungsortes
jedes Gericht zuständig, bei dem einer der Beteiligten
seinen allgemeinen G. hat. Enthält der Wechsel die
Klausel: "Zahlbar aller Orten", so hat dies nach der
Rechtsprechung vor der Deutschen Civilprozeßord-
nung die Bedeutung einer Vereinbarung des Wechsel -
schuldners mit dem Wechselgläubiger, sich überall
belangen zu lassen, wo er angetroffen wird. Der G.
des Meß - und Marktortes für Klagen aus auf
Messen und Märkten (Jahr-und Wochenmärkte aus-
genommen) abgeschlossenen Handelsgeschäften, an
die Voraussetzung gebunden, daß sich im Augenblick
der Klagerhebung der Beklagte oder ein zur Prozess
führung legitimierter Vertreter desselben am Meß-
und Marktort oder im Gerichtsbezirk aufhält; der G.
der Verwaltung, für Klagen aus einer solchen,
beim Gericht des Ortes der Verwaltungsführung; der
G.der unerlaubtenHandlung,bei demGericht
begründet, in dessen Bezirk die Handlung begangen
ist. Endlich kennt die Civilprozeßordnung noch den
besondern G. des Zusammenhangs; und zwar
ist für die Widerklage (s. d.), wenn sie mit dem Klage-
anspruch oder den gegen diesen vorgebrachten Ver-
teidigungsmitteln tonnex ist, das Gericht der Klage,
für Klagen der Prozehvertreter, Beistände und Ge-
richtsvollzieher wegen Gebühren und Auslagen das
Gericht des Hauptprozesses zuständig. Für gewisse
Notstandsfälle, die sich in Ansehung der gesetzlichen