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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Sprachen

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Germanische Sprachen

Im J. 1857 wurden die Ruinen der frühern Kartause in Nürnberg erworben, um, nach den Plänen Essenweins ausgebaut, den stets wachsenden Sammlungen als Aufbewahrungsort zu dienen. Bis Anfang 1888 war dieser Ausbau zum größern Teile beendet und es waren bereits in über 80 Sälen, Hallen, Zimmern und Kabinetten die Sammlungen ausgestellt. Diese bestanden aus folgenden, gewissermaßen selbständigen, doch aber organisch miteinander verbundenen Abteilungen: 1) vorgeschichtliche, 2) römische, 3) germanische und frühmittelalterliche Denkmäler; 4) architektonische Denkmäler, Modelle ganzer Bauten, Fußböden, Thüren, Schlosserarbeiten, Öfen u. s. w.; 5) ornamentale Skulptur; 6) figürliche Skulptur (s. Tafel: Trauernde Maria, beim Artikel Madonna); 7) Grabdenkmäler in ihrer Entwicklung von der röm. Periode bis ins 17. Jahrh.; 8) Denkmäler der kleinen Plastik; 9) Medaillen; 10) Siegel; 11) Denkmäler der monumentalen Malerei (Glasgemälde); 12) Gemäldegalerie; 13) Kupferstichsammlung, einschließlich Holzschnitten, Lithographien, Handzeichnungen, Miniaturen, Sammlungen histor. Blätter, Porträte, Landkarten, Stadtpläne und Prospekte, Schrift-und Druckproben, Spielkarten; 14) Gewebe; 15) Büchereinbände; 16) Musikinstrumente und Musikalien; 17) wissenschaftliche Instrumente und Apparate, darunter eine besondere pharmaceutische Abteilung; 18) technische Apparate und Instrumente; 19) Denkmäler des häuslichen Lebens vom großen Mobiliar an bis zu den geringsten Gebrauchsgegenständen, die in sich wieder eine Reihe von Abteilungen bilden; 20) Kostümsammlung; 21) Waffen; 22) kirchliche Denkmäler; 23) Denkmäler des Staats- und Rechtslebens; 24) Denkmäler des Zunftwesens; 25) Denkmäler des Handels und Verkehrswesens (als Handelsmuseum zu einer selbständigen Abteilung abgerundet); 26) Münzsammlung; 27) Archiv; 28) Handschriftensammlung; 29) Sammlung alter Druckwerke; 30) die eigentliche Bibliothek; 31) Sammlung von Abbildungen. Die Bibliothek umfaßt alle Zweige der allgemeinen wie Kultur- und Kunstgeschichte Deutschlands. Das Archiv hat dazu gedient, vieles zum Teil überaus kostbare Material vor Vernichtung zu retten, und ist so zu einem ergänzenden Bestandteil fast jedes Einzelarchivs in Deutschland und namentlich Deutsch-Österreichs geworden.

Die Entwicklung der Anstalt ist noch nicht abgeschlossen und somit die Möglichkeit gegeben, daß noch einzelne Abteilungen sich angliedern, um das Bild zu vervollständigen. Das G. M. veröffentlicht seit 1853 eine in Monatsheften erscheinende Zeitschrift: "Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit" (seit 1884 u. d. T. "Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums", welche Zeitschrift nur den Gönnern und Förderern des G. M. gratis geliefert wird). Von sonstigen Veröffentlichungen sind neben einer Reihe kleinerer Broschüren, neben den Katalogen der kirchlichen Geräte, Bauteile, Gewebe, Gemälde, Glasgemälde. Spielkarten, Kupferstiche des 15. Jahrh., prähistor. Altertümer, Bucheinbände, Originalskulpturen, Bronzeepitaphien, Drechslerarbeiten, alter Originalholzstöcke u. s. w. und Führern durch die Sammlungen zu nennen: die faksimilierte Nachbildung einer umfassenden Bilderhandsckrift des 15. Jahrh. u. d. T. "Mittelalterliches Hausbuch" (Lpz. 1866; 2. Aufl., Frankf. 1887) sowie "Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen" (4 Lfgn., Lpz. 1872-77), "Die Holzschnitte des 14. und 15. Jahrh. im Germanischen Nationalmuseum" (mit 144 Tafeln, Nürnb. 1874), Hans Tirols "Belehnung König Ferdinands mit dem Haus Österreich" (Frankf. 1887).

Die Anstalt ist, seit sie in Nürnberg dauernden Sitz genommen, von der bayr. Regierung mit den Rechten einer juridischen Person ausgestattet und als Stiftung für Unterrichtszwecke unter Genehmigung der Satzungen, die ihre volle Unabhängigkeit und Selbständigkeit aussprechen, erklärt worden. An ihrer Spitze steht ein aus 24-30 Gelehrten aus verschiedenen Gegenden Deutschlands zusammengesetzter Verwaltungsausschuß, der sich bei Erledigung einer Stelle selbst ergänzt und sich seinen Vorsitzenden wählt, der zugleich als Direktor die Beschlüsse der alljährlich stattfindenden Versammlungen ausführt, die Vertretung der Anstalt ausübt, die Beamten anstellt, dem Plenum der Versammlung aber Rechenschaft und Rechnung zu legen hat. Erster Direktor ist seit 1894 Gustav von Bezold. Das Reich giebt der Anstalt seit 1894 jährlich 62000 M., der Staat Bayern 18000, die Stadt Nürnberg 5200 M.; diese 85200 M. sind nach einer Übereinkunft der drei genannten Geber zur Deckung der laufenden Verwaltungskosten bestimmt, während die Einnahmen aus den freiwilligen Beiträgen deutscher Fürsten, Korporationen, Vereine und Privatpersonen (etwa 50000 M.) und aus den Eintrittsgeldern (etwa 10000 M.) nur zur Erweiterung der Sammlung dienen sollen. Auch Stiftungen sind der Anstalt zugeflossen. - Vgl. außer den Jahresberichten des G. M. auch Hektor, Geschichte des Germanischen Nationalmuseums von seinem Ursprunge bis zum J. 1862 (Nürnb. 1863); Essenwein, Das Germanische Nationalmuseum, dessen Bedarf u. s. w. (ebd. 1884); Leitschub, Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg (Bamb. 1890).

Germanische Sprachen (mit Unrecht auch wohl Deutsche Sprachen, engl. Teutonic languages genannt), die von den german. Völkern (s. Germanen) gesprochenen Sprachen, die, untereinander sehr nahe verwandt, zusammen den german. Zweig des indogerman. Sprachstammes (s. Indogermanen) bilden. Eine nähere Verwandtschaft dieses Zweiges mit dem Litauisch-Slawischen, wie er früher in der Sprachwissenschaft allgemeiner angenommen wurde, läßt sich nicht erweisen, noch weniger ein engerer Zusammenhang mit dem Keltischen. Die G. S. unterscheiden sich von den übrigen indogerman. Sprachen am schärfsten durch die sog. Lautverschiebung (s. d.) und durch die Zurückziehung der ursprünglich frei wechselnden Wortbetonung aus die Stammsilbe. Vom ersten geschichtlichen Auftreten an erscheinen die Germanen in verschiedene Stämme geteilt und auch ihre Sprache mundartlich gespalten, sodaß das Urgermanische, die allen Einzelsprachen und Mundarten zu Grunde liegende Form, nur wissenschaftlich erschlossen und wieder hergestellt werden kann.

Die mundartlichen Verschiedenheiten der G. S. waren in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung noch nicht erheblich, sodaß man für die Zeit bis zur german. Völkerwanderung von einer urgerman. Sprache reden kann. Von dieser sind zwar nur ganz vereinzelt ein paar Worte und eine größere Anzahl Eigennamen bei griech. und röm. Schriftstellern und aus einigen röm. Inschriften überliefert, aber die Fortschritte der sprachvergleichenden Methode ermöglichen, zumal bei Verwertung der ältesten Lehnworte, mit ziemlicher Sicherheit eine Rekonstruktion der altgerman. Sprache. Vgl. F. Kluge,