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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gerüche; Geruchlosigkeit; Geruchsnerven; Geruchsorgane

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Gerüche – Geruchsorgane

Geruchssinn ist einer der niedern Sinne, indem seine Funktion sich aus die Fortleitung gewisser Empfindungen, die nur durch materielle Eindrücke hervorgebracht werden, beschränkt und die Menschen, denen er, was nicht so selten ist, gänzlich fehlt, nur geringe Genüsse entbehren, während ihre geistige Ausbildung dadurch nicht im mindesten gehemmt wird. Von größerer Bedeutung hingegen ist der Geruchssinn für die materiellen Lebensverrichtungen, was man namentlich durch die Beobachtung vieler Tiere erkennt, denen er zur Ernährung und Fortpflanzung ihres Geschlechts unentbehrlich ist.

Das Organ des Geruchssinns beim Menschen ist die Nase (s. d.), in der sich der Geruchs- oder Riechnerv (nervus olfactorius), der in den vordern Lappen des Großhirns (s. Gehirn, S. 677 b) entspringt, verbreitet und in seinen peripherischen Endorganen, den Riechzellen, mit der hindurchströmenden Luft die Eindrücke empfängt, für deren Aufnahme er bestimmt ist. Diese Riechzellen befinden sich zwischen den Epithelzellen der sog. Riechschleimhaut, d. i. des Teils der Nasenschleimhaut, der den obern Teil der Nasenscheidewand und die beiden obern Nasenmuscheln überkleidet, und stellen langgestreckte schmale Zellen von spindelförmiger Gestalt und zwei ausläuferartigen Fortsätzen dar, deren einer etwas dickerer mit einem abgestutzten Ende frei an der Oberfläche der Epithelschicht endigt, wogegen der andere dünnere nach abwärts in die Schleimhaut geht und mit den Riechnervenfasern zusammenhängt. Auch fast alle Tiere haben Geruchsorgane (s. d.); bei den höher stehenden sind sie oft viel entwickelter als beim Menschen und befähigen zu erstaunlichen Leistungen.

Was den Vorgang des Riechens anlangt, so sind es höchst wahrscheinlich chem. Einwirkungen, durch welche die Riechstoffe die Geruchsnerven erregen, und zwar ist es durchaus erforderlich, daß die betreffenden chem. Agentien eine gasförmige Form besitzen, denn flüssige, stark riechende Substanzen, wie Kölnisches Wasser, in der Rückenlage bei herabhängendem Kopf in die Nase gebracht, bewirken durchaus keine Geruchsempfindung. Weiterhin ist Feuchtigkeit der in der Nase befindlichen Schleimhaut und das Vorbeistreichen der Luft an dieser notwendige Bedingung der Geruchsempfindung. Je schneller dieser Luftstrom durch das Geruchsorgan geführt wird, um so deutlicher ist die Geruchsempfindung; aus diesem Grunde ziehen wir, wenn wir einen guten G. besser genießen wollen, die Luft bei erweiterten Nasenlöchern und geschlossenem Munde kräftiger in die Nasenhöhle zur Riechschleimhaut hinauf und schneller durch die Nase hindurch (d. i. das sog. Schnuppern oder Schnüffeln), und aus dem nämlichen Grunde hört beim Anhalten des Atems oder beim Atmen durch den Mund jedwede Geruchsempfindung auf. Manche Riechstoffe können noch in überraschender Verdünnung gerochen werden; so riecht die Luft noch nach Brom, wenn 1 ccm derselben nur 1/30000 mg Brom enthält, ja von Moschus wird noch 1/2000000 mg, von Mercaptan sogar 1/460000000 deutlich gerochen. Die Verwandtschaft zwischen G. und Geschmack ist so eng, daß bei vielen Empfindungen zwischen beiden sich keine bestimmte Grenze feststellen läßt. Krankheiten des G. bestehen entweder in einer gänzlichen Aufhebung oder in einer besondern Stimmung desselben, in welcher Geruchsempfindungen sich zeigen, die andere gesunde Menschen nicht haben. Bei den krankhaften Veränderungen liegen oft Krankheiten des Geruchsorgans (chronische Katarrhe, Eiterungen u. dgl.) oder allgemeine Nervenkrankheiten, z. B. Hypochondrie und Hysterie, zu Grunde.

Vgl. Bernstein, Die fünf Sinne des Menschen (Bd. 12 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», 2. Aufl., Lpz. 1889); von Vintschgau, Physiologie des Geruchssinns (in Hermanns «Handbuch der Physiologie», Bd. 3, Tl. 2, ebd. 1880); Hack, Riechen und Geruchsorgan (Wiesb. 1885).

Gerüche, welche über die Grenze eines Grundstücks dringen, hat der Nachbar nur zu dulden, insoweit solche die regelmäßige Benutzung des eigenen Grundstücks nicht erheblich beeinträchtigen oder die Grenzen der Ortsüblichkeit nicht übersteigen.

Geruchlosigkeit, s. Anosmie.

Geruchsnerven, s. Gehirn und Geruch.

Geruchsorgane spielen bei sehr vielen Tieren eine sehr große Rolle, indem sie ihnen einmal bei der Auswahl der Nahrungsmittel, bei Verfolgung der Beute und Vermeidung der Gefahr behilflich sind, dann aber auch zu Führern und Erregern der Geschlechtsthätigkeit werden. Bei den niedersten Tieren (Urtieren, Hohltieren, Stachelhäutern, Würmern) lassen sich besondere G. nicht nachweisen, wenn es auch nicht zweifelhaft sein kann, daß viele derselben riechen. Bei den Gliedertieren sind die Fühler Sitz der G., welche hier in Gestalt feiner Fäden und Haare oder Röhrchen, Grübchen und Zäpfchen auftreten, unter denen besondere Nerven in eigener Art enden. Für die Insekten ist es ein ziemlich allgemein geltendes Gesetz, daß die Männchen größere und weit höher entwickelte Fühler und damit zahlreichere G. besitzen als die Weibchen, namentlich dann, wenn diese sich langsamer bewegen oder sich an versteckten Orten aufhalten.

Auch die Fühler der Weichtiere (Schnecken) sind der Sitz eines Spürsinnes. Bei den Landschnecken finden sich an dem vordern Ende der größern Fühler zwischen besondern Epithelzellen eine große Anzahl feiner Sinneszellen (Kölbchen und Stiftchen), an welche die Endigungen eines Nervs treten, der sich vom Fühlernerv (Augennerv) abzweigt. Andere Forscher suchen den Sitz des Geruchs der Schnecken in dem sog. Semperschen Organ, einer Anzahl drüsiger, am Mundrand gelegener Läppchen; manche auch in der sog. Fußdrüse. Bei manchen Nacktschnecken findet sich am Vorderende des Atmungsorgans eine mit gangliösen Zellen besetzte Hautfalte, die auch als ein Geruchsorgan aufgefaßt wird. Bei Wasserschnecken finden sich an der Basis der Kiemen gefranste Organe (Nebenkiemen), die zum Spüren dienen sollen, ebenso bei Kopffüßern an der Basis der Tentakel hinter den Augen in Gestalt zweier feiner Höhlungen, die von zahlreichen Falten und Vorsprüngen durchzogen sind.

Was die Wirbeltiere angeht, so hat man beim Lanzettfisch ein mit Sinneszellen ausgebildetes Grübchen am vordern Ende als Geruchsorgan deuten wollen, doch ist es sehr fraglich, ob diese Auffassung berechtigt ist. Die Rundmäuler sind die einzigen Wirbeltiere mit einem unpaaren Geruchsorgan, sie sind monorhyn, während alle übrigen amphirhyn sind. Ihr Geruchsorgan ist ein einfacher, oben auf dem Kopf mit einer kurzen Röhre beginnender Hautsack, in den hinten die beiden Geruchsnerven eintreten. Ausgekleidet ist derselbe mit einer gefaltenen Riechhaut und kommuniziert beim Inger mit der Mundhöhle, bei den Neunaugen aber nicht. Bei allen andern Fischen ist