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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gerwig - Gesamtbürgschaft
den Goethcschen Briefwechsel" (Lpz., 1836) ist ein
Muster Wor.-ästhetischer Kritik. 1838 erschieneir
seine "Kleinen histor. Schriften" (Leipzig). Mit Vor-
liebe den polit. Angelegenheiten Deutschlands sich
zuwendend und voll Eifer, durch publizistische Arbei-
ten das polit. Bewußtsein des deutschen Volks anzu-
regen, verfaßte er die Flugschriften "Die Mission
der Deutschkatholiken" (Hcidelb. 1845; 2. Aufl. 1846),
"Die prot. Geistlichkeit und die Deutschkatholiken"
(ebd. 1846), "Heidelberger Adresse an die Schleswig-
holsteiner" (anonym, Hamb. 1846), "Die preuß.
Verfassung und das Patent vom 3. Febr." (Mannh.
1847). Nach der Auflösung der Nationalversamm-
lung in Frankfurt nahm er seine Studieu wieder auf,
deren Frucht das geistvolle Buch über "Shakespeare"
(4Bde., Lpz. 1819-50; 4. Aufl., mit Anmerkungen
von N. Gene'e, 2 Bde., 1872) war.
Im I. 1853 veröffentlichte G. die "Einleitung
in die Geschichte des 19. Jahrh." und ein Jahr nach-
ber den ersten Band der "Geschichte des 19. Iabrh.
seit den Wiener Verträgen" (8 Bde., Lpz. 1855-66).
Die erstere Schrift zog ihm einen Prozeh wegen
Hochverrats und polit. Agitation zu, der aber schließ-
lich mit Aufhebung des Verbots endete; das zweite
Werk, das mit der Iulirevolution abfchließt, wurde
beim Erscheinen der ersten Bände mit großem Bei-
fall aufgenommen, ließ aber dann wegen der Aus-
führlichkeit, mit der im dritten Bande die Revolu-
tionen der südamerik. Staaten geschildert werden,
den Leser ziemlich gleichgültig und fand zuletzt den
stärksten Widerspruch, als G. in der Vorrede zum
8. Bande, und selbst noch im Nov. 1870 in der
Vorrede zu einer neuen Auflage seiner "Geschichte
der deutschen Dichtung", seiner Verstimmung über
den Gang der polit. Angelegenheiten Deutschlands
offenen Ausdruck gab und deutsche Kleinstaaterei
und Vuudestagspolitik gegen die Annexionen und
die führende Stellung Preußeus in Schutz nalnn.
Doch hat G. iu beiden seiner Hauptwerke balm-
brechcnd gewirkt und zur Erweckung des nationalen
Bewußtseins ungemein viel beigetragen, obgleich
ihm noch nicht das urkundliche Material in genü-
gender Weise zu Gebote stand. Daß er seinen dok-
trinären Liberalismus zu sehr zur Schau trug und
die geschichtlichen Thatsachen mit zu vielen Re-
flexionen begleitete, wird seinen spätern polit. Schrif-
ten fast allgemein zum Vorwurf gemacht. In sei-
nem "Nekrolog Friedr. Christoph Schlossers" (Lpz.
1861) sprach er sich über die Aufgaben des Geschicht-
schreibers aus. Als letzte größere Arbeit veröffent-
lichte er "Häudel und Shakespeare. Zur Ästhetik der
Tonkunst" (Lpz. 1868). Seine "Hinterlassenen Schrif-
ten" (Wien 1872) enthalten zwei Aufsätze: "Denk-
schrift zum Frieden an das preuh. Königshaus" und
"Selbstkritik". Aus G.' Nachlaß gab seine Witwe
"Handels Oratorientexte, übersetzt von G." (Berl.
1873) heraus. - Vgl. C. Braun, Gegen Georg Gott-
sried G. (Lpz. 1871); Gosche, Gcrvinus (2. Aufl., ebd.
1871); Lehmann, Georg Gottsried G. (Hamb. 1871);
H. Nückert in "Unserer Zeit" (Lpz. 1871). G.' 1860
geschriebene Selbstbiographie erschien 1893 (Lpz.).
Gertvig, Robert, Eiscnbahningenieur und
Reichstagsabgeordneter, geb. 2. Mai 1820 in Karls-
ruhe, besuchte das Lyceum und die Polytechnische
Schule daselbst, wurde 1851 zum Assessor, 1853 zum
Vaurat, 1863 zum Oberbaurat und 1871 zum Bau-
direktor ernannt. 1850-57 war er zugleich Direktor
der Uhrmacherschule in Furtwangen und damit be-
traut, die häusliche Gewcrdthätigkeit des Schwarz-
waldes zu fördern. Beauftragt, die Trace für die
Verbinduug der Kiuzigthalbahn Offenburg-Hausach
mit dem Bahnstrange Villingen-Donaueschingen-
Immendingen aufzustellen, entledigte sich G. dieser
Aufgabe mit solchem Geschick, daß diese nach seinem
Projekt 1866-73 ausgeführte sog. Schwar,iwa/d-
bahn sich den kühnsten Gebirgsbahnen zur Seite
stellt. 1872 wurde G. mit der Oberleitung dc^
Baues der Gotthardbahn betraut und stand oicfcm
Posten bis 1875 vor, in welchem Jahre er als Ober-
baudirektor die technische Leitung des gesamten bad.
Eiseubabnwesens übernahm. G. war Mitglied des
bad. Landtags und 1875-84 des Deutschen Reichs-
tags als Vertreter des bad. Wahlkreises Donau-
cschingen; er gehörte der nationalliberalen Partei
an. 1880 wurde er zum außerordentlichen Mit-
glied der preuß. Akademie des Bauwesens ernannt.
G. starb 6. Dez. 1885 in Karlsruhe.
Gerhon (oder Geryönes, grch. auch Gcryo-
u c u s), sagenhafter Besitzer großer Rinderherden, die
sein Hirte Eurytion mit dem Hunde Orthros auf der
Insel Erytheia weidete, bis alle von Herakles, dem
die Entführung der Herden des Eurytion von
Eurystheus aufgegeben war, erlegt wurden. G.
wird in älterer Zeit als ein Risse mit drei (selten
mit zwei) vollständigen Leibern geschildert, später
wurde ihm ein Leib mit drei Köpfen und sechs Ar-
men und Beinen zugeschrieben. Außer den zahl-
reichen griech. Kunstdarstellungen ist ganz besonders
ein cyprisches Relief in orient. Auffassung beach-
tenswert. Geryönes, d. i. Schreier, war ursprüng-
lich wohl nur ein "Gewitterriese" wie die Gewitter-
kyklopen, an deren Dreizahl auch die Dreileibigkeit
des G. erinnert.
Gerhonskopf, in der Heraldik ein menschlicher
Kopf mit drei Antlitzen, entsprechend dem Ianus-
kopf mit deren zwei.
Ges, Längenmaß, s. Göß.
(5ss (ital. 8o1 domoiio; frz. soi demol; cnal.
8 üat), in der Musik das um einen halben Ton er-
niedrigte F, wird durch Z und vorgezeichnetes / be-
zeichnet und ist von 1^i8 nur enharmonisch verschie-
den, mit dem es bei Tastinstrumenten zusammenfällt.
Gesägt, f. Blatt (Bd. 3, S. 85 d).
Gesalbter, im Alten Testament von dem ge-
weihten Gottesvolke Israel, insbesondere von dessen
Propheten, Priestern und Königen gebrauchter Aus-
druck. Im Neuen Testament und in nachbiblischen
Schriften der Juden wird "G. des Herrn" aus-
schließlich der durch die Propheten geweissagte
.No'nig aus Davids Geschlecht genannt, von dem
man die Herstellung des Gottesreiches auf Erden
erwartete; im Neuen Testament und in der christl.
Kirche wurde daher der Ausdruck als Eigenname,
hedr. "Messias" (s. d.), griech. "Christus" ('s. d.), auf
die Person Jesu von Nazareth als des mit dem hei-
ligen Gottesgeiste G. übertragen. (^. ^cilbung.)
Gefamtabenteuer, s. Hagen, F. H. von der.
Gesamtbclehlnmg (lat. WveLtiwrg. 8imvilw-
U03.), die Belohnung zur Gesamten Hand (s. d.).
Gesamtburgschaft (Fried ensbürgschaft),
ein Rechtsinstitut, wonach die Mitglieder einer Ge-
meinde für alle in ihrer Gemarkung verübten Ver-
brechen gemeinschaftlich einzustehen, den Verbrecher
entweder ausfindig zu machen und auszuliefern oder
aber für die auf das Verbrechen gefetzte Buße selbst
aufzukommen hatten. Bei den german. Völkern
wurde schon in der Merowingerzeit, namentlich bei
Diebstählen, die allgemeine Verfolgung des Diebes
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