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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geschmacksknospen - Geschoß

Endzeilen der Haut haben. Bei Landtieren wird man Geschmacksorgane am Anfang des Nahrungsrohres zu suchen haben. Von Urtieren, Hohltieren und Stachelhäutern ist nichts bekannt, was auch nur mit einem Schimmer von Wahrscheinlichkeit als besonderes Geschmacksorgan in Anspruch genommen werden könnte. Auch von den Würmern kennen wir sie mit Sicherheit nicht, obwohl z. B. die Blutegel durch ihr Gebaren beweisen, daß sie schmecken. Bei den Wasser bewohnenden Krebsen mag Geruch und G. zum Teil noch zusammenfallen, aber sie treffen in ihrer Nahrung entschieden Auswahl, ebenso die Weichtiere. Man hat bei den Krebsen zwei Büschel nervenhaltiger Haare an den Gliedern des äußern Astes der Innenfühler als Geschmacksorgane angesehen, und bei verschiedenen Schnecken, deren Zunge unmöglich in dieser Richtung funktionieren kann, faßt man gewisse Papillen mit besondern Nervenendzellen (Geschmacksknospen) an den Fühlern und bei einigen Muscheln ähnliche Gebilde am Rand des Mantels als Sitz des G. auf. Die Insekten besitzen G. und teilweise einen sehr hoch entwickelten. Manche Raupen fressen bloß ganz bestimmte Pflanzen, oder solche, deren Blätter offenbar ähnliche Substanzen enthalten, wenn sie auch ein ganz anderes Aussehen haben. So frißt die Raupe des mittlern Weinvogels Fuchsia und Epilobium, die einen recht verschiedenen Habitus haben, aber beide zur Familie der Onagrieen gehören, die des Oleanderschwärmers Oleander und Immergrün, äußerlich sehr wenig ähnliche Pflanzen, aber beide Mitglieder der Familie der Apocyneen. Stubenfliegen erweisen sich als sehr wählerisch und Wespen suchen sich die reifsten Beeren an einer Weintraube aus und kosten Stück für Stück, unterscheiden pulverisierten Zucker und Alaun sehr wohl, kosten mit Chinin versetzten Honig, um sofort wieder von ihm abzulassen, es kann sie also der Geruch in diesem Falle nicht leiten. Als Sitz des G. der Insekten dürften Gruben und becherförmige Organe im Schlund und am Hinterende der Zunge anzusehen sein. Bei den Wirbeltieren ist man von vornherein geneigt, die Zunge als Sitz des G. anzusehen, und das mag für die meisten Landtiere, wo ihr feinerer Bau im ganzen betreffs der Nervenendigungen demjenigen des Menschen mehr oder weniger ähnlich ist, zutreffen. Für die Fische, die überhaupt nur eine rudimentäre Zunge besitzen, ist das sehr zweifelhaft, ebenso für gewisse Vögel (z. B. dem Pelikan). Auch bei den Schlangen kann die Zunge, die beim Schlingen weit nach vorn liegt, kein Geschmacksorgan enthalten, wie das überhaupt für alle Tiere, die ihre Beute ganz oder in sehr großen Stücken verschlingen, sehr zweifelhaft ist. Die Vögel haben mit wenig Ausnahmen eine von festem Hornepithel überzogene Zunge, und ihr Schmecken vollzieht sich wahrscheinlich im Gaumen. Wirbeltiere, die ihre Beute lebend und ganz verschlingen, haben vielleicht gar kein Geschmacksorgan in dem Sinne wie wir, es kann ihr Lustgefühl am Fressen möglicherweise auf eine ganz andere Art, etwa unmittelbar durch Gefühle, welche die sich bewegenden, zappelnden Bissen verursachen, erregt werden.

In ästhetischer Beziehung heißt G. die Fähigkeit, das Schöne in der Natur wie in Kunstwerken zu empfinden und es vom Häßlichen zu unterscheiden. Insofern diese Fähigkeit lediglich der Gefühlsseite des Menschen angehört, glaubt man wohl dem subjektiven Belieben größern Raum gestatten zu können, und in diesem Sinne sagt man, daß sich über den G. nicht streiten lasse. Insofern aber das wahrhaft Schöne und Künstlerische festen Gesetzen unterliegen soll, deren Darstellung die Aufgabe der Ästhetik (s. d.) wäre, könnte nur derjenige G. ein gebildeter genannt werden, dessen Urteil mit diesen allgemeinen Gesetzen übereinstimmt. Doch ist es sehr fraglich, ob es nicht gleichberechtigte entgegengesetzte Geschmacksrichtungen giebt.

Geschmacksknospen, Geschmackssinn, s. Geschmack.

Geschmacksmuster, s. Musterschutz.

Geschmackstäuschungen, s. Geschmack.

Geschmeide (von schmieden abgeleitet), eigentlich eiserne Ketten, dann goldene Ketten zum Schmuck und Schmucksachen. (S. Goldschmiedekunst.)

Geschmeidigkeit, soviel wie Dehnbarkeit (s. d.),

Geschmeiß, in der Jägersprache der Kot der Raubvögel.

Geschmolzenzeug oder Brandzeug, Feuerwerkssätze, die zur Füllung von Brand- und Leuchtgeschossen dienen. (S. auch Warmgeschmolzenzeug und Kaltgeschmolzenzeug.)

Geschnittene Steine, s. Gemme und Steinschneidekunst.

Geschoß (frz. étage), in der Baukunst soviel wie Stockwerk. Man unterscheidet beim Wohnhausbau von unten nach oben fortschreitend Kellergeschoß (Souterrain), Erdgeschoß (rez-dechaussée), zwischen diesem und dem folgenden öfters ein Zwischen- oder Halbgeschoß (Entresol, Mezzanin), dann das erste Stockwerk (Hauptgeschoß, bel-étage), das zweite, dritte Stockwerk u. s. w., endlich das Dachgeschoß (Mansarde). Die Anzahl der G. ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden, am größten wohl in England und Amerika. In Deutschland ist die Zahl der G. im städtischen Wohnhausbau meist abhängig von der Breite der betreffenden Straße, da viele Bauordnungen verbieten, die Häuser höher zu führen, als die Straße breit ist, um den gegenüber liegenden Gebäuden das Licht nicht zu sehr zu nehmen. Die Höhe des einzelnen G. beträgt für bessere städtische Häuser jetzt 3,5 bis 4,0 m lichte Höhe, sollte aber selbst in den bescheidensten Wohnhäusern nicht unter 2,5 m. herabgehen.

Geschoß, Wurfkörper, Projektil, auch Kugel (frz. projectile), ein meist regelmäßig gestalteter, mit der Hand oder einer besondern Vorrichtung fortzuschleudernder Körper, der einen in größerm Abstand befindlichen Gegenstand treffen und denselben gefährden oder vernichten soll. G., welche mit der Hand entsendet werden, kommen jetzt noch bei Naturvölkern vor; bei Kulturvölkern werden sie nur in Verbindung mit Feuerwaffen als Kriegsmittel, zu Jagdzwecken, zur Selbstverteidigung u. s. w. gebraucht.

Ein zufällig vorhandener oder mit Vorbedacht ausgewählter Stein ist als das erste G. zu denken. Ein zugespitzter Stab, in seiner Längenrichtung fortgeschleudert, kann bereits als ein Fortschritt gelten; er führte auf die Wurflanze, den Wurfspieß/Speer oder Ger, die auch als Stoßwaffen dienten. Hierher gehörte ferner das Wurfbeil und die Wurfkeule der Kelten, sowie die noch heute im Gebrauch befindliche Wurfsichel der polynesischen Stämme, der sog. Bumerang (s.d.). Näheres über Speere, Wurfspeere und Wurflanzen s. Speer.

Um den geworfenen Körper aus größerer Ferne oder mit erhöhter Wirkung und Genauigkeit auf