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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Geschoß
den Gegner oder das zu erlegende Tier zu richten,
als es mit der bloßen Hand oder in Verbindung
mit der Schleuder möglich war, benutzte man die
Elasticität des Holzes, Horns, Stahls oder der
Tiersehnen als bewegende Kraft. Die älteste Waffe
der Art ist der Bogen (s. d.), sein G. der Pfeil (s. d.).
Im Mittelalter tritt zum Bogen die Armbrust (s. d.),
mittels welcher der Bolzen (s. d.) geschossen wird,
und der Valester (s. d.) oder die Steinschleuder,
welche Kugeln aus gebranntem Thon, Marmor
oder Blei entsendet.
Zum Schlendern schwererer G. dienten im Alter-
tum und Mittclalter die Kriegsmaschinen (s. d.).
So schössen die Euthytonen der Griechen Pfeile von
0,75 bis 2 m Länge und einem Gewicht von 0,25 bis
2 kF, die Palintonen warfen Steine von 4,5 bis
80 KZ Schwere. Bei den Römern findet sich zuerst
der Feuerpfeil. (S. Falarika.) Die Byzantiner be-
dienten sich der Kriegsmaschinen, um Töpfe mit
Griechischem Feuer (s. d.) auf den Feind zu schleu-
dern. Im Mittelalter warf man Steinkugeln und
Steinmassen bis zu 30 Ctr. Gewicht, auch Mengen
kleiner Steine, die ähnlich wie der spätere Haael
gleichzeitig entsendet werden, ferner mit Nägeln be-
schlagene Balken, Feuerpfeile, mit Brennstoffen ge-
füllte Fässer, glühende Eisenstücke und selbst Leich-
name von Menschen und Vieb.
Bei den Feuerwaffen scheint man anfänglich
die G. der mittelalterlichen Kriegsmaschinen bei-
behalten und namentlich große Pfeile und Stein-
blöcke benutzt zu haben. Seit der Mitte des
14. Jahrh, trifft man hauptsächlich steinerne Ku-
geln, die je nach dem verfügbaren Material aus
Marmor, Vafalt oder Ziegel bestanden, bisweilen
auch mit Blei überzogen waren. Die Bearbeitung
solcher Kugeln war häusig unvollkommen. Für
kleinere G. wird späterhin für leichtere Handfeuer-
waffen fast ausschließlich Blei benutzt, doch kommen
im 15. und 16. Jahrh, auch bronzene Kugeln vor.
Eiserne Vollkugeln, infolge der noch seltenen An-
wendung des Eisengusses anfänglich wenig ver-
breitet, wurden unter Ludwig Xl. in Fra'.'.kvcich zu-
erst allgemein eingeführt. In Deutschland ist die
EisenkMl erst gegen 1500 in größerer Menge an-
gewandt worden. Infolge des höhern specifischen
Gewichts des Eisens gegenüber dem Stcin konnten
die Kaliber herabgesetzt werden. Größere Hand
feuerwaffen wenden gleichfalls eiferne Kugeln an.
Glühende Eifcnstücke und -Kugeln hatte man fchon
aus den Gewerffen geschleudert, die Anwendung
glühender Kugeln bei Geschützen beginnt mit etwa
1400. Andere Brandgeschossc ls. d.) wurden noch
lange Zeit aus Schleudermaschinen geworfen und
konnten bei Geschützen erst dann Verwendung finden,
nachdem man dem Brandsatz eine ^toßplatte oder ein
Gerippe von Eisen zum Schutz gegen die zertrüm-
mernde Wirkuug der Pulverladung gegeben hatte.
So entstand die Brandkugel oder Karkasse ls. d.).
Um 1450 kommen ähnlich eingerichtete Leuchtkugeln
vor. Springende Kugeln sollen um 1430 von einem
bürsten Malatesta von Nimini erfunden worden
1>in; man nimmt an, daß sie aus zwei zusammen-
geschmiedeten Halbkugeln bestanden haben. Die im
ganzen gegossenen eisernen Hohlkugeln sckeint man
zuerst als Handgranaten oder Handdombcn aus
freier Hand oder aus kleinen Mörsern geworfen m
haben (1500). Bomben aus größern Geschützen
kommen um die Mitte des 16. Iabrh. vor. Die
Anwendung cmcr größern Anzahl G. zu cincm
6-nj. l.
ssig. 2.
Schusse, der sog. Hagel- oder Igelschuß, scheint
schon um 1450 bekannt gewesen zu sein. Aus dem
Hagel entwickeln sich die Kartätschen (s. d.); um
1590 wird die Veutelkartätsche erwähnt, ein mit
Handbüchsenkugeln gefüllter Sack, der mit Weiden-
ruten korbartig umflochten ist.
Eine andere Art, die Geschoßwirkung zu verviel-
fältigen, zeigen die Kettenkugeln (Fig. 1) und
die Stangenkugeln (Fig. 2), bereits zu Anfang
des 16. Iabrh. .^^-^
erfunden. Mit
der weitern
Ausbildung dcr
Hohlkugeln ver-
schwinden die
Eteinkugeln,
welche sich am längsten bei Mörsern erhalten
hatten. Steinhagel ans Mörsern behauptet sich bis
in die neuere Zeit. Im 1.1609 (nach andern schon
1573) kommen mit Bleikugeln gefüllte Hohlgeschosse
ls. Hagel) vor, die indes erst 200 Jahre später als
Shrapnels Bedeutung gewinnen. Die zum Sprengen
der Hohlkugeln bestimmte Pulverladung wird mit-
tels eines Zünders, d. i. einer mit verdichtetem
Pulversatz gefüllten Holzröhre entzündet. Dieser
Brennzünder (oder Vrandröhre) sitzt in einer Öff-
nung des G., dem Mundloch, und wird anfänglich
durch ein bcfonderes Zündloch im Geschützrohr beim
Abfeilern des Gefchützcs entzündet. Man sprach
infolgedessen von Bomben mit zwei Feuern (ü. äeux
t'6ux). Später überließ man es den Gasen der Ge-
schützladung, welche durch den Spielraum zum
Zünder gelangen können, den letztern in Brand zu
setzen. Schon Kasimir Simienowicz in seiner "^1-3
MÄZUK6 Artillerie" (1649) thut dessen Erwähnung;
angenommen wird das Verfahren aber zuerst 1747
durch Valliöre in Frankreich.
Ein Regeln der Vrennzeit des Zünders nach der
Flugzeit und Schußweite des G. war schon um
1680 bekannt, indessen kam es erst viel später zum
allgemeinen Gebrauch. Schon um 1590 gab es
Fallnindcr oder Perkussionszünder, die sich beim
Aufschlag des G. entzünden', sie blieben indes bei
der Mangelhaftigkeit ihrer Konstruktion noch lange
ohne Bedeutung. Kartätschen kamen namentlich
durch Gustav Adolf (1620) beim Feldgeschütz zur
Geltung und damit verschwanden Kettcnkugcln
u. s. w. bald. Außer den Veutc-lkartätschcn wendete
man Trauben- und Büchsenkartätschen an, bci jenen
waren die Kugeln aneinander gekittet und durch
Netze verschnürt, bei diesen in cylindrischen Blech-
büchsen enthalten. An Stelle der Bleikugeln traten
eiserne. Bei Mörsern kam der Wachtelwurf oder
Granathagel (f. Granate) zur Anwendung, der
sich ähnlich, wie die Kartätschen aus Vollkugeln,
aus kleinen Hohlkugeln zusammensetzt.
Gegen Ende des^18. Jahrh, fanden sich als G.
der Geschütze eiserne Vollkugeln, Hohlkugeln, bci
Haubitzen Granaten, bei Mörsern Bomben'genannt,
Kartätschen (namentlich in Büchsen), Vrandkugcln,
Brandgranaten (Fig. 3) und Brandbomben
ls. Brandgescbosse), Leuchtkugeln, bei
schweren Mörsern auch Steinhagel und ^ /^^
Wachtelwurf. DieV 0llkugeln (Fig. !)
werden bei leichten Gefchützen in halb-
kugelförmig ausgehöhlten Spiegeln von
Holz gelagert. Glühend gemacht dienen sie als Brand-
geschosse. Die Hohlkugeln (Fig. 5) sind konzcn-
trisch gcgosj'cn. Dic Einrichtung der V ü chsenkar-