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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gesetz (biblisch) - Gesetzeskraft
es erläuternde, begriffsentwickelnde, frühere G. aus-
legende Bestimmungen. Über Dispositivgesetze und
ibren Gegensatz s. Dispositivgefetze; über Aufhebung
früherer G. f. Abrogieren; über Gesetzauslegung s.
Auslegung: über Analogie s. d.
Gesetz (hebr. Thora), die fünf Bücher Mose, s.
Bibel und Pentateuch.
Gesetzblatt, f. Gesetzsammlung.
Gefetzbuch ist das einen großen, geschlossenen
und in sich abgerundeten Teil des geltenden Rechts
umfassende und erschöpfende Gefetz, wie das Preuß.
Allg. Landrecht, der (^oäe ^apolöon, das Österr.
Vürgerl. Gesetzbuch, das Sächs. Bürgert. Gesetzbuch,
aber auch das Allg. Deutsche Handelsgesetzbuch,
das Schweizer Obligationenrecht, das Strafgesetz-
buch für das Deutsche Neich, das Militärstrafgesetz-
buch (s. Kodifikationen).
Gesetz der multiplen Proportionen, s Atom
theorie und Stöchiometrie.
Gesetzentwurf, der Entwurf eines Gesetzes; er
wird als Gesetzesvorlage (Gesetzesvorschlag)
bezeichnet,wenn ervon einemFaktor der Gesetzgebung
(der Staatsregierung oder der Volksvertretung) dem
andern zurAnnahmevorgelegt wird. Einem G. geben
häufig wichtige vorbereitende Arbeiten voraus. Bei
neuen oder sehr umfassenden Fragen wird öfters
eine Sachverständigenkommission, ein Ausschuß
eingesetzt, es findet eine Enquete statt, um eine
Klärung über die wichtigsten Punkte zu erzielen.
Gelangt demnächst ein maßgebender Faktor der
Gesetzgebung zur festen Entschließung, so ist ein G.
auszuarbeiten, was in der Regel durch einen oder
einige hierzu berufeue Männer, in großen Staaten
gewöhnlich durch vortragende Räte nach der An-
leitung des Fachministers geschieht. Der fertig ge-
stellte G. wird dann wohl der Beurteilung der Be-
hörden, beteiligten Kreise, von Sachverständigen,
Handelskammern und Gewerbekammern u. s. w. oder
der öffentlichen Beurteilung unterstellt, um erst dem-
nächst nach einer nochmaligen Überarbeitung als Ge-
setzesvorlage eingebracht zu werden. Außer diesen
offiziellen Entwürfen haben es hier und da aucb
Private unternommen, nachdem die Gesetzesreform
auf die Tagesordnung gestellt war, entsprechende
Entwürfe auszuarbeiten und zu veröffentlichen.
Im Deutschen Reich hat man zu unterscheiden
zwischen den Vorlagen der verbündeten Regie-
rungen und den Anträgen von Mitgliedern des
Reichstags. Die erstern werden auf Grund eines
Beschlusses des Bundesrates vom Reichskanzler im
Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht
(Reichsverfassung Art. 16). Ob er für die Ein-
bringung jeder einzelnen Vorlage einer speciellen
taiserl. Ermächtiguug bedarf, ist reichsgesetzlick
nicht bestimmt, scheint aber durch den erwähnten
Verfassungsartikel angedeutet zu sein. Der Kaiser
ist aber verfassungsmäßig verpflichtet, die Vorlage
an den Reichstag nach Maßgabe der Beschlüsse deo
Bundesrats zu bringen; d. h. er darf weder die
Einbringung ganz unterlassen oder unnötig ver-
zögern, noch darf er die Vorlage andere einbringen,
als der Bundesrat sie beschlossen bat. Der Reichs-
tag muß über eine Gesetzesvorlage des Bundesrates
einen materiellen Beschluß fassen, d. b. sie annelnnen
oder ablehnen: er darf nicht über dieselbe zur Ta-
gesordnung übergehen. Er hat diese aus seiner
staatsrechtlichen Stellung sich ergebende Verpflich-
tung ausdrücklich anerkannt in seiner Geschäfts-
ordnung §. 50, Absatz 4. Berubt der l^''. auf einem
Antrage von Reichstagsmitgliedern, so muß er von
mindestens 15 Abgeordneten unterzeichnet sein (Ge-
schäftsordnung §. 20). Alle Vorlagen, welche G.
enthalten, unterliegen drei, durch feste Fristen von-
einander getrennten und in ihrer Bedeutung ver-
schiedenen Veratungen. Die erste erfolgt frühestens
am dritten Tage, nachdem der G. gedruckt und in
die Hände der Mitglieder gekommen ist; eine Ab-
kürzung dieser Frist kann nur dann beschlossen
werden, wenn ihr nicht 15 anwesende Mitglieder
widersprechen. Sie ist auf eine allgemeine Er-
örterung der Grundsätze des Entwurfs beschränkt
(Generaldebatte) und der Beschluß des Reichstags
ist lediglich darauf gerichtet, ob eine Kommission
mit der Vorberatung des Entwurfs oder einzelner
Teile desselben zu betrauen ist oder nicht. Materielle
Beschlüsse über den Inbalt der Vorlage können in
diesem Stadium nicht gefaßt werden; aus diesem
Grunde darf auch nicht die Vorlage einer Kommission
überwiesen werden mit dem Auftrage, sie in einer
bestimmten Richtung abzuändern oder zu ergänzen.
Die zweite Beratung erfolgt frühestens am zwei-
ten Tage nach dem Abschluß der ersten, und wenn
eine Kommission eingesetzt ist, am zweiten Tage,
nachdem die Kommissionsanträge gedruckt und in
die Hände der Mitglieder gekommen sind. Mit
Stimmenmcbrheit kann der Reichstag aber eine Ab-
kürzung dieser Frist, insbesondere auch die Vor-
nahme der ersten und zweiten Beratung in derselben
Sitzung beschließen; indes muh dieser Beschluß an
einem frübern Tage als an dem der Beratung ge-
faßt werden. Die Diskufsion betrifft die einzelnen
Artikel (^pecialdebatte) und die zu denselben ge-
stellten Abänderungsvorschläge (Amendements).
Die letztern bedürfen keiner Unterstützung und kön-
nen in der Zwischenzeit zwischen der ersten und
zweiten Beratung und im Laufe der Verhandlungen
eingebracht werden. Die zu den einzelnen Artikeln
gefaßten Beschlüsse werden nach Beendigung der
zweiten Beratung vom Präsidenten zusammenge-
stellt. Wird der Entwurf in allen feinen Teilen ab-
gelebnt, so findet eine weitere Beratung nicht statt.
Die dritte Beratung hat diese Zusammenstellung
zur Grundlage und findet statt frübestens am zwei-
ten Tage nach der Verteilung derselben oder, wenn
keine Abänderungen beschlossen worden sind, nach
dem Abschluß der zweiten Beratung. Eine Abkür-
zung der Frist tann nur beschlossen werden, wenn
nicbt 15 anwesende Mitglieder widersprechen. Die
Diskussion zerfällt in eine Generaldebatte über die
allgemeinen Grundsätze des Entwurfs und in eine
Specialdebatte übcr die einzelnen Artikel. Abände-
rungsvorschläge dürfen eingebracht werden; sie be-
dürfen aber der Unterstützung von 30 Mitgliedern.
Die Abstimmung erfolgt über die einzelnen Artikel
und Amendements; nach Beendigung der Beratung
wird über die Annahme oder Ablehnung des G.
im ganzen abgestimmt. Wenn in dritter Beratung
Amendements angenommen worden sind, so ist die
Schlußabstimmung auszusetzen, bis das Bureau
die Vescklüsse zusammengestellt hat. Den vom
Reichstag beschlossenen G. übersendet der Präsident
dem Reichskanzler, der ihn dem Bundesrat zur
Beschlußfassung und dem Kaiser zur Ausfertigung
und Verkündigung vorzulegen hat.
Gefetzesauslegung, s. Auslegung.
Gefetzcsfreude, s. Simchat Thora.
Gesetzeskraft, die verbindliche Kraft des Ge-
setzes, tritt, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist,