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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gewehrschlag; Gewehrzubehör; Geweih

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Gewehrschlag – Geweih

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gewehrraketen'

ladungsgewehren gefeuert wurden, um leicht entzündliche Baulichkeiten in Brand zu setzen und Munitionsbehälter in die Luft zu sprengen. Sie bestanden aus 2 ½ Kaliber langen, mit Brandsatz vollgeschlagenen Kupferhülsen; der Satz war ähnlich wie bei den Raketen angebohrt, sodaß er auf einer größern Fläche Feuer fing; an der Spitze war ein Bleikörper angebracht. Die G. brannten während des Fluges und ergaben eine verhältnismäßig gute Zündwirkung. Sie waren in einigen süddeutschen Staaten für die Büchsen und in Preußen für das gezogene Infanteriegewehr M/39 eingeführt. Vorübergehend hat man sie auch beim preuß. Zündnadelgewehr gehabt.

Gewehrschlag, in der Feuerwerkerei ein Schlag (s. d.), welcher die Knallerscheinung eines Gewehrschusses nachahmen soll. (S. Kanonenschlag.)

Gewehrzubehör, s. Garnitur.

Geweih oder Gehörn, bei den hirschartigen Wiederkäuern die aus echter Knochensubstanz bestehenden, zur Zeit der Reife nicht mehr von Hautgebilden bedeckten Hörner, die auf zapfenförmigen Verlängerungen der Stirnbeine (Stirnzapfen, Rosenstöcke, Geweihstuhl) stehen. Die G. sind entweder nur dem männlichen Geschlecht – als Abnormitäten dem weiblichen – eigen oder kommen bei beiden Geschlechtern vor (Renntiere). Sie werden alljährlich einige Zeit nach ihrer vollständigen Entwicklung abgeworfen. Das G. bildet sich aus der Spitze der Stirnzapfen und ist anfangs eine weiche zapfenartige, mit zahlreichen Gefäßen durchzogene, knorpelähnliche, mit Haut und Haaren bedeckte Masse (Kolben), die sich nach einiger Zeit durch Kalkablagerungen im Innern verhärtet, sich je nach der Art und dem Alter der Tiere in verschiedene Formen gliedert und meist in zackenförmige Spitzen (Enden) endet. Dann hört die Blutzirkulation auf, und das G. bildet mit den Stirnzapfen ein innig verwachsenes Ganzes. Die Hirsche entledigen sich durch Reiben (Fegen) an Bäumen des häutigen Überzugs (Bastes) der G. Mehrere Monate nach vollendeter Ausbildung der G. beginnt ein der Caries vergleichbarer Auflösungsvorgang an der Spitze der Stirnzapfen, wodurch deren Verbindung mit dem alten G. gelockert wird, dies endlich abfällt und ein neues an dessen Stelle tritt. Die G. stehen in Verbindung mit der Geschlechtsthätigkeit der geweihtragenden Säugetiere. Werden Hirsche kastriert, während sie die G. abgeworfen haben oder noch Kolben tragen, so setzen sie ein unförmliches Perückengehörn auf, das nicht mehr gefegt und nicht mehr abgeworfen wird; werden sie kastriert, nachdem die G. vereckt sind, so werfen sie binnen 3 Wochen ab, auch wenn die eigentliche Abwurfszeit noch nicht gekommen ist und setzen nun ein bleibendes Perückengeweih auf. Die einseitige Kastration hat keinerlei Einfluß auf das G., wohl aber die einseitige Verwundung, der ein längeres Kränkeln folgt. In der Regel wird das G. mit jedem Jahre stärker und größer. Bei mehrern Gattungen der Familie der Hirsche nimmt mit jedem Jahre die Zahl der Enden eines jeden G. (Stange) nach bestimmten Gesetzen um eins zu, bei andern hingegen bleibt die Zahl der Enden, wenn das Tier vollkommen ausgewachsen ist, unverändert. Da die ersten Stufen der Geweihbildung in der Regel mit den besondern Bezeichnungen Spieß und Gabel belegt werden, so ist es auch gebräuchlich, erst vom Sechsender an die Benennung G. ↔ anzuwenden. Besonders starke G. nannte man früher auch Gewichte. Eine ebenfalls veraltete Bezeichnung für G. ist Gestänge. Auf die Ausbildung guter G. ist die Äsung und Fütterung von wesentlichem Einfluß. (Vgl. Neumeister, Laub- und Kalkfütterung des Edel- und Rehwildes, Tharandt 1891.) Die G. finden vorzüglich bei Drechslern und Messerschmieden Verwendung.

Bei den jagdbaren Wiederkäuern haben G. und Gehörn, bez. deren verschiedene Entwicklungsperioden, eine eigene Nomenklatur gefunden.

Edelwild: Das Anfang Juni gesetzte (geborene) Edelhirschkalb zeigt in den ersten 4 Monaten nichts von Geweihbildung. Erst in der Mitte der zweiten oder Junghirschperiode, welche den 5. bis 14. Monat umfaßt, erheben sich als Wucherungen der Stirnbeine die Rosenstöcke oder der Geweihstuhl und es bilden sich die Kolben. Vom August des zweiten bis mit April des dritten Kalenderjahres (15. bis 23. Monat) wird das Erstlingsgeweih aufgesetzt, gefegt und getragen: es ist das die Zeit des Hirsches vom ersten Kopfe (richtiger: Hirsch mit erstem G.). In der Zeit vom Mai des dritten bis mit März des vierten Kalenderjahres (24. bis 34. Monat) wird nach dem Abwurf des Erstlingsgeweihs das zweite G. aufgesetzt, gefegt und getragen (Hirsch vom zweiten Kopf). Im darauffolgenden Jahr setzt der Hirsch vom dritten Kopf, nach erfolgtem Geweihabwurf, das nächste G. auf und wirft es wieder im April des fünften Kalenderjahres ab. So geht es jahrweise weiter. Jüngere Edelhirsche werfen gewöhnlich in den Monaten März und April, ältere oft schon im Februar ab. Das Fegen des G. erfolgt meist Ende Juli. Das Erstlingsgeweih des Edelhirsches sind Spieße bis zu 30 cm Länge, einfache Stangen, denen am Grunde der Perlenkranz (die Rose) fehlt, wie aus nachstehender Fig. 1 zu ersehen.


Figur 1–5:

Man nennt deshalb auch den ein solches G. tragenden Hirsch Spießer, oder noch präciser, je nach der Länge der Spieße, Knopf- oder Schmalspießer. Regelrecht folgt auf diese Stufe der Gabler (Fig. 2). Bei demselben erscheint an jeder Stange eine wirkliche Rose und über derselben eine Augsprosse (a in Fig. 2). Das dritte G. bekommt über der Augsprosse, und etwa in der Mitte der Stange, die Mittelsprosse, wodurch das G. des Sechsenders (Fig. 3) charakterisiert ist. Hinter der Mittelsprosse (b in Fig. 3) zeigt die Stange eine knieförmige Biegung, die gewöhnlich deutlicher als hinter der Augsprosse (a in Fig. 3) hervortritt. Bei der nächsten Stufe, der des Achtenders, teilt sich die Spitze der Stange als Gabel (Fig. 4). Darauf folgt die Stufe des Zehnenders (Fig. 5). Sie entsteht da-