Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

1014
Giengen - Giers
der Franz. Orleansbahn, Sitz eines Gerichtshofs
erster Instanz und eines Friedensgcrichts, hat
(1691) 6867, als Gemeinde 8519 E.,ein 1494 von
Anna von Beaujeu erbautes Schloß, Fabriken in
Fayence- und Töpferwaren, Gerberei, Färberei und
Brennerei und Handel mit Holz, Wolle und Ge-
treide. 1864 wurden hier gallo-röm. Bäder ent-
deckt. - Vgl. Marchand, lliztnii-L äe I^viNe, (168
86issN6ui'8 et äu comt" äs (^. (Orleans 1886).
Giengen an der Vrenz, Stadt im Oberamt
Heidenheim des württemb. Iagstlreises, 10 1cm im
SO. von Heidenheim, an der zur Donan gehenden
Brenz und an der Linie Aalen-Ulm (Brenzbahn)
der Württemb. Staatsbahnen, hat (1890) 3176
meist evang. E., Post, Telegraph, Real- und Latein-
schule; Fruchtschranne, 2 Malzfabriten, 2 Mühlen,
Kratzenfabrik, Musselinglasschleiferei, Tuchmache-
reien, Gerbereien, Fabriken von Filz- und Spiel-
waren, Orgeln, Orgelpfeifen, bedeutende Viehmärkte
und ist der Hauptsitz der deutschen Filzfabrikation
(Vereinigte Filzfabriken, Aktiengesellschaft mit vier
auswärtigen Filialfabriten).
Gienmufchcl (^dama), eine in etwa 50 leben-
den Arten die wärmern Meere bis zum Mittelmeer
bewohnende Mu-
fchclgattung mit
dickschaligem, uu-
gleichklappigem
Gehäuse, das an-
gewachfen ist und
daher zu einer un-
regelmäßigen Ent-
wicklung neigt.
Unter den fossilen
Verwandten ist die
jurassische Wid-
dcrmuschel(vi'
C6^3 lli'i^tiniun /.si)"., s. vorstehende Abbildung)
durch zwei aufgcwundcne Schalen ausgezeichnet.
Gieren, das Abweichen eines Schiffs vom ge-
raden Kurse, wenn es fchlecht steuert oder schlecht
gesteuert wird. Ersteres findet statt, wenn es
keine guten Formen hat oder unrichtig belastet
ist. Luv gierig heißt ein Schiff, wenn es das
Bestreben zeigt, bei feitlichcm Winde mit dem Kopfe
luvwärts, d. h. gegen den Wind anzugehen. Dies
rührt meistens von falscher Stauung her, durch
die der Tiefgang des Vorderteils zu groß geworden
ist. Das Hinterteil bietet alsdann dem Wasser weni-
ger Widerstand und weicht deshalb dem Winddrucke
leichter aus als jenes. Man gleicht diesen Fehler
durch größere Belastung des Hinterteils oder Ver-
änderung der Segelstcllung aus. Leegierig be-
zeichnet das Gegenteil.
Gierfalke (1<^cs) ^rflUco /^.), norwegischer
Jagdfalke, ein schöner, 54 cm in: männlichen,
5)7 cm im weiblichen Geschlecht lang werdender
Edelfalke, der unten weift mit dunkeln Querflecken,
oben hell fchieferblau mit dunklcrn Querbinden ist.
Bewohnt den hohen Norden, kommt in kalten,
schneereichen Wintern selten nach Deutschland. Der
G. war ein besonders geschätzter Beizfalke.
Gierke, Otto, Ncchtsgelehrter, geb. 11. Jan.
1841 zu Stettin, studierte in Heidelberg und Berlin
die Rechte, trat dann in die Praxis, wurde 1865
Gerichtsasscssor und habilitierte sich 1867 als Do-
cent des deutschen Rechts zu Berlin, wurde 1871
zum außerord. Professor ernannt, 1872 als ord.
Professor dcr Rechte nach Vreslau und 1884 nach
Heidelberg, 1887 nach Berlin berufen. Sein be-
deutendstes Werk ist "Das deutsche Genossenschafts-
recht" (3 Bde., Verl. 1868-81). Eine Ergänzung
dazu bildet: "Die Genossenfchaftstheorie und die
deutsche Rechtsprechung" (ebd. 1887). Außerdem
sind zu erwähnen: "Der Humor im deutschen Recht"
(ebd. 1871; 2. Aufl. 1887), "Johannes Althusiusund
die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien"
(Vresl. 1880), "Der Entwurf eines bürgerlichen
Gesetzbuchs und das deutsche Recht" (Lpz. 1889).
Auch ist G. Herausgeber der "Untersuchungen zur
deutschen Staats- und Rechtsgeschichtc" (Heft 1-48,
Vrcsl. 1878-94).
Giers, Gertrud, Schauspielerin, geb. 7. Dez.
1855 in Köln, trat 1880 zuerst am Kölner Theater
auf, war dann kürzere Zeit am Hoftheater in Cassel,
1881-86 am Hamburger Stadttbeater, 1886-88
in Frankfurt engagiert und ist seit 1889 Mitglied
des Hoftheaters in Hannover. Ihre von großem
Erfolg begleiteten Gastspiele führten sie nach Berlin,
Petersburg, Moskau, Kopenhagen, Nenyork. Sie
ist eine der begabtesten Heroinen von hinreißendem
Schwung und großen Mitteln. Zu ihren hervor-
ragendsten Rollen gehören Medea, Phädra, Iphi-
genie, Jungfrau von Orleans.
Giers, Nikolaj Karlowitfch von, russ. Staats-
mann, geb. 9. Mai 1820, aus einer in Finland
angesessenen schwed. Familie, trat 1838 in das
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten ein
und wurde dem Asiatischen Departement zugeteilt.
Während des ungar. Feldzugs (l848-49) war G.
dem russ. Hauptquartier als diplomat. Funktionär
attachiert. Darauf zum ersten Botfchaftsrat in Kon-
stantinopel ernannt, befand er sich während des Krim-
krieges als Kanzleichef des Generalkommissars in der
Moldau-Walachei, 1857 in Vcssarabien. 1858 ging
G. als Generalkonsul nach Ägypten, Ende 1859 als
Generalkonsul und diplomat. Agent in die Donau-
fürstentümcr und 1863 als außerordentlicher Ge-
fandter und bevollmächtigter Minister nach Teheran,
dann nach Bern und 1872 nach Stockholm. 1875
wurde er nach Petersburg berufen, wo er als Gehilfe
des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten die
Aufgabe erhielt, das russ. Konsularwesen neu zu ge-
stalten. 1878 verhandelte er mit England wegen
Afghanistan und 1881 wegen des Vorrückens gegen
Merw; zugleich erledigte er nach mehrjährigen Unter-
handlungen den wegen des Kuldschagebietes ent-
standenen Konflikt mit China durch Abschluß des
Vertrags vom 23. Febr. 1881. Nach der Thronbe-
steigung Alexanders 111. richtete G. im Auftrage des-
selben, 16. März 1881, ein Rundfchreiben an die Ver-
treter Rußlands bei den auswärtigen Negierungen,
worin er die Politik des neuen Kaisers als eine fried-
liche, der innern Entwicklung des Staates hauptsäch-
lich gewidmete bezeichnete. Bei der Zusammenkunft,
welche Kaiser Alexander III. mit Kaiser Wilhelm 1.
9. Sept. 1881 in Danzig hatte, konferierte G. mit
dem Fürsten Bismarck. Als Fürst Gortschakow von
der Leitung des Ministeriums des Auswärtigen
entbunden wurde, trat G. 9. April 1882 an seine
Stelle. G., ein Gegner aller panslawistischen Kriegs-
gelüste, wirkte in diesem Sinne bei seiner Zusammen-
kunft mit dem Fürsten Vismarck in Varzin 17. Nov.
1882, bei seinem Aufenthalt in Rom und in Wien
24. Jan. 1883. Den gleichen CharaUer w;g auch
das Rundfchreiben vom 9. Juni 1883, worin G.
den kaiferl. Dank für die beim Krönungsfest kund-
gegebenen Sympathien des Auslandes aussprach.