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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Glarus

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Glarus (Kanton)'

Filialen der Glarner Firmen finden sich in allen größern Städten des islamit. Orients. Auch die Woll- und Seidenindustrie sind nicht unbedeutend. 1888 bestanden 87 Fabriken, darunter 77 mit Motoren (5789 Pferdestärken in Wasser-, 1067 in Dampfmotoren), beschäftigt waren 8563 (3731 männl., 4832 weibl.) Arbeiter, darunter 1136 (478 männl., 658 weibl.) unter 18 Jahren. Die 8 Brauereien erzeugten (1891) 17950 hl Bier. Der Handel, begünstigt durch die 1884 gegründete Kantonalbank (1890: 1 Mill. Frs. Aktien und Dotationen, 500000 Reserven, 114319 Reingewinn, 1,494 Mill. Frs. Notenemission), bringt Baumwollwaren, Tafelschiefer und Schabzieger zur Ausfuhr. Die kantonale Brandversicherungsanstalt, 1812 gegründet, zeigte (1890) eine Versicherungssumme von 56,375 Mill. Frs. und 22187 Frs. Prämieneinnahmen für Immobilien sowie einen Reservefond von 2 Mill. Frs. Die Viehversicherungskasse, 1857 gegründet, hatte (1890) 130902 Frs. Vermögen, 5169 Frs. Einnahmen und 3200 Frs. Ausgaben. Dank dem Gewerbfleiß und der Rührigkeit der Bewohner ist an die Stelle früherer Armut allgemeiner Wohlstand getreten, sodaß G. jetzt außer Basel-Stadt und Genf im Verhältnis zur Bevölkerungszahl der reichste Kanton ist. Der zweckmäßigen Regelung der lebhaften Auswanderung verdanken die drei Glarner Gemeinden Neuglarus, Bilten und Neu-Elm im nordamerik. Staate Wisconsin ihre Entstehung, und Glarner Handelskolonien finden sich in fast allen großen Städten Europas und auch in den wichtigsten Handelsplätzen der außereurop. Welt.

Verkehrswesen. Der wichtigste Verkehrsweg des Ländchens ist die Linie Linththal-Glarus-Zürich der Schweiz. Nordostbahn, an die sich bei G. die Linie Glarus-Weesen-Walenstadt der Vereinigten Schweizerbahnen und bei Schwanden die Poststraße des Kleinthals anschließen. Mit seinen westl., südl. und östl. Nachbarn ist der Kanton nur durch hohe, nicht fahrbare Pässe, wie Pragel-, Klausen-, Panixer- und Segnespaß verbunden; doch ist eine Poststraße über den Klausen jetzt im Bau, eine solche über den Pragel geplant. Die wichtigsten Ortschaften außer der Hauptstadt sind Linththal (2228 E.) im Groß- oder Linththal, Elm (834) und Engi (1164 E.) im Kleinthal, Schwanden (2364 E.) an der Vereinigung der beiden Thäler, Ennenda (2705 E.), G. gegenüber, fabrikreich, am rechten Linthufer; im Unterlande Netstal (2326 E.), Mollis (2020 E.) und Näfels (2423 E.), auch die Wahlstatt der Freiheitsschlacht von 1388 mit Denkmal.

Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung ist rein demokratisch. Gesetzgebende Behörde ist die Landsgemeinde, d. h. die Gesamtheit aller Stimmfähigen, die sich alljährlich im Mai in der Hauptstadt versammeln; vorberatende Behörde ist der Landrat (auf je 500 E. ein Mitglied, von den Gemeinden gewählt); vollziehende Behörde der von der Landsgemeinde gewählte Regierungsrat (sieben Mitglieder). Der Regierungspräsident, der zugleich die Landsgemeinde leitet, führt den Titel Landammann, der Vicepräsident den Titel Landesstatthalter. Die Amtsdauer beträgt drei Jahre. An der Spitze jeder Gemeinde steht ein Gemeinderat von 3 bis 13 Mitgliedern. Jeder Wahlkreis hat einen Vermittler; als höhere Instanzen bestehen ein Civilgericht, ein Kriminalgericht und ein Augenscheingericht, als höchste das Obergericht von je 7 Mitgliedern. In militär. Hinsicht gehört der ↔ Kanton zum Stammbezirk der 8. Division. 1890 betrugen die Einnahmen des Kantons 856000 Frs., die Ausgaben 774000 Frs., die Staatsschuld 210000 Frs. Das Wappen ist ein schwarzgekleideter Pilgrim (St. Fridolin) im roten Felde.

Kirchen und Bildungswesen. Die Angelegenheiten der reform. Kirche werden durch die Synode geregelt, die Katholiken stehen unter dem Bistum Chur. In Näfels besteht ein Kapuzinerkloster. Das Schulwesen ist gut geordnet. Die Primärschule (7 Jahre Alltagsschule und 2 Jahre Repetierschule, wöchentlich 1 Tag) ist obligatorisch. 1890 bestanden in 30 Schulgemeinden 88 Primärschulen mit zusammen 88 Lehrern und 5689 (2844 männl., 2845 weibl.) Schülern, 8 Sekundärschulen (380 Schüler) und in G. die höhere Stadtschule (Gymnasium, Real- und Mädchenschule) mit 160 Zöglingen, endlich 5 gewerbliche und Industrieschulen (18 Lehrer, 417 Schüler) und 27 Fortbildungsschulen. Bei den Rekrutenprüfungen (1891) nahm G. den 8. Rang ein; von je 100 Geprüften hatten 23 in mehr als 2 Fächern die beste Note und 5 in mehr als 1 Fach die schlechtesten Noten.

Geschichte. Zur Römerzeit zu Rhätien gehörig, wurde das Land nach dem 5. Jahrh. von Alamannen besiedelt. Angeblich durch Fridolin dem Christentum gewonnen, kam das Thal von G. schon früh an das Kloster Säckingen. Die Kastvogtei des Klosters über G. hatten im 13. Jahrh. die Habsburger; sie erwarben dazu 1288 das Meieramt, welches früher beim Geschlecht Tschudi gestanden hatte, als erbliches Lehn von Säckingen und strebten nun nach Einrichtung einer Territorialherrschaft. Damit unzufrieden, näherte sich das Land den Eidgenossen, deren Bunde es 1352 nach dem Siege auf dem Rautifelde bei Näfels als schutzgenössischer Ort mit geringern Rechten beitrat. Durch die Schlacht bei Näfels 1388 errang G. endlich die vollständige Unabhängigkeit von Österreich; 1395 gelang es ihm, die Gerechtsame des Stifts Säckingen größtenteils abzulösen, 1450 wurde es für seine Hilfe im alten Zürichkriege als vollberechtigtes Glied der Eidgenossenschaft anerkannt, und 1517 erwarb es durch Kauf die Herrschaft Werdenberg als Unterthanenland. Die Reformation, der durch Zwinglis Einfluß 1528–30 der größte Teil des Ländchens zufiel, verursachte, ohne den Kanton in Halbkantone zu trennen, nach mancherlei Reibungen 1683 eine Spaltung in zwei getrennte Verwaltungen, die schon früh, namentlich aber gegen Ende des 18. Jahrh., zu vielen Zwistigkeiten Anlaß gab. Beim Umsturz der alten Eidgenossenschaft 1798 verlor G. die Herrschaft Werdenberg und wurde dem Kanton Linth der Helvetischen Republik zugeteilt. 1799 wurde das Laud von den Kriegsereignissen, namentlich von Suworows Rückzug über den Panixerpaß, schwer mitgenommen. Durch die Mediation 1803 erhielt der Kanton seine Selbständigkeit wieder, nicht aber die Herrschaft Werdenberg, die auch bei der Herstellung der alten Ordnung durch die Restauration und die Verfassung von 1814 mit dem neuen Kanton St. Gallen verbunden blieb. Nach dieser Verfassung galten wieder für Reformierte und Katholiken getrenntes Recht, Gericht und Verwaltung. Unter der gemeinsamen Regierung und Landsgemeinde gab es noch eine besondere reform. und kath. Landsgemeinde, und die Ernennung des Landammanns war zwischen beiden Bekenntnissen gleich geteilt. Aber bei dem wachsenden Übergewicht der Reformierten war die-