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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Glas (für wissenschaftliche Zwecke)

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Glas (für wissenschaftliche Zwecke)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Glas'

glas Rheinland und die Lausitz; für Spiegelglas der Aachener Bezirk, Baden und Bayern; für feinere gemusterte und geschliffene Glaswaren Schlesien, Bayern und Königreich Sachsen; für G. zu wissenschaftlichen Zwecken Bayern und Thüringen. Im Vergleich zu andern Erwerbszweigen ist in Deutschland die Glasfabrikation keineswegs alt. Italien, England, Belgien und Österreich (Böhmen) besaßen längst ansehnliche Glashütten, ehe in Deutschland die Glasfabrikation zu auch nur einigem Aufschwunge gelangte. Seit 20–30 Jahren ist indessen der ausländische Mitbewerb mehr und mehr zurückgedrängt worden und heute werden große Mengen deutscher Glaswaren, sowohl ordinäre wie feine, nach allen Ländern, selbst nach England, Belgien und Österreich ausgeführt, wenn auch in gewissen Sorten z. B. England in hochfeinem Kronenglas, Belgien in Spiegel- und Tafelglas, Böhmen in farbigen G., Italien (Venedig) in Schmuckgläsern ein gewisses Übergewicht noch behaupten mögen. 1892 betrug die deutsche Ausfuhr in Hohlglas 16,3 Mill. M., Tafel- und Spiegelglas 11,4, gepreßtes und geschliffenes G. 2,3, Glasperlen 1,6, optisches G., roh 0,5, Brillen- und Uhrgläser 1,9, sonstige Glaswaren 4,1 Mill. M., zusammen 38,1 Mill. M. Die Einfuhr belief sich auf 8,1 Mill. M., darunter für rohes Spiegelglas 1,1, für Glasbehänge, Glasknöpfe und massives weißes G. 1,1, Glasperlen und Glasplättchen 2,0, farbige Glaswaren 1,5 Mill. M. – Die Zahl der Glasfabriken wird (freilich zum Teil nach Schätzung) anzunehmen sein für Frankreich zu 225, Großbritannien 250, Österreich-Ungarn 350, Italien 90, Belgien 95, Rußland 220, Schweden 36, Norwegen 10, Dänemark 8, Niederlande 30, Schweiz 10, Griechenland 3, in ganz Europa etwa über 1700 Glashütten von allerdings sehr verschiedener Größe. In diesen Werken mögen etwa 150–160000 Arbeiter beschäftigt sein.

Litteratur. Knapp, Lehrbuch der chem. Technologie (Braunschw. 1871); Benrath, Die Glasfabrikation (ebd. 1875); Kerl und Stohmann [Muspratt], Encyklopäd. Handbuch der technischen Chemie, Bd. 3 (4. Aufl., ebd. 1891); Karmarsch und Heerens Technisches Wörterbuch, Bd. 4 (3. Aufl., Prag 1880); Dralle, Anlage und Betrieb der Glasfabriken (Lpz. 1886); Tscheuschner, Handbuch der Glasfabrikation (5. Aufl., Weim. 1885); Mertens, Fabrikation und Raffinierung des G. (Wien 1889); ders., Das Sandstrahlgebläse im Dienste der Glasfabrikation (ebd. 1891); Fischer, Die Kunst der Glasmasseverarbeitung (ebd. 1892).

Glas für wissenschaftliche Zwecke, gemeinsame Bezeichnung für optisches G., Thermometerglas und G. für chem. Geräte.

1) Optisches G. ist solches, das zur Anfertigung optischer Linsen, Prismen und vollkommen ebener Platten für wissenschaftliche Zwecke dient. Das optische G. war bisher das bleifreie Crown- und das bleihaltige Flintglas. Die achromatischen G. bestehen gewöhnlich aus der Verbindung einer erhabenen Crownglaslinse mit einer dazu berechneten hohlen Flintglaslinse. Die Herstellung des optischen G. jeder Art war von jeher äußerst schwierig und geschieht unter vielen Vorsichten. Die Sätze für Flintglas sind, je nach den verlangten optischen Eigenschaften desselben, sehr verschieden. Für große Linsen gelingt die Darstellung der optischen G. selten, man hat jedoch heutzutage Riesenfernrohre mit Linsen von 90 cm Durchmesser und auch ↔ etwas darüber hergestellt. Das optische G. wurde in neuerer Zeit für die Optiker nahezu aller Länder von Feil in Paris und Chance in Birmingham fabriziert; nur Merz, der Nachfolger Fraunhofers, in München erzeugte in Deutschland, vorherrschend für den eigenen Verbrauch, Flintglas. Erst seit 1884 besteht in Deutschland zu Jena eine ausgiebige Erzeugungsstätte für optisches G., die bereits in Fachkreisen als Glastechnisches Laboratorium von Schott und Genossen einen vorzüglichen Ruf erworben hat. Die Produkte dieser neuen industriellen Glasschmelzerei werden schon jetzt von den meisten Optikern des In- und Auslandes mit sehr gutem Erfolg verarbeitet.

Zur Gründung des Glastechnikums in Jena gab der dortige Professor Abbe durch seinen Bericht über die Ausstellung wissenschaftlicher Apparate zu London (1876) Veranlassung. In dieser Schrift wird nämlich das Problem angeregt, die bei der üblichen Achromatisierung noch zurückbleibenden Farben, d. i. das sekundäre Spektrum, durch neuartige G. wegzuschaffen. Die letztern zu erfinden wurde eben als eine der wesentlichsten Aufgaben hingestellt, solche zusammengehörige verbesserte Gläserpaare dürfen nicht, wie das gewöhnliche Crown- und Flintglas, einen disproportionalen Gang in den verschiedenen Abschnitten des Spektrums besitzen, sondern die einzelnen G. der achromatischen Paare müßten im Gegenteil Farbenzerstreuungen besitzen, die sich in allen Teilen des Spektrums nahe proportional zueinander verhalten. Überdies ist auch eine größere Mannigfaltigkeit in der Abstufung des Brechungsindex und der mittlern Dispersion anzustreben, welche für viele Aufgaben der praktischen Optik von großer Wichtigkeit ist. Nach diesen Richtungen haben nur Fraunhofer (1814) und Harcourt (1834–39) ausgiebigere Versuche angestellt, die in neuerer Zeit durch Stokes (1871 und 1874), der ebenfalls die Unterdrückung der sekundären Farbenzerstreuung mittels verbesserter Glaspaare anstrebte, den Fachkreisen zur Kenntnis gebracht wurden. Praktische Erfolge hatten jedoch erst die Versuche von Schott, der dieselben infolge jener Darstellung von Professor Abbe zu Witten, seinem damaligen Wohnorte, anstellte (1881). Es wurden hierbei mannigfaltige kleine Schmelzproben verschiedener Zusammensetzung (nur zu 20–60 g) unternommen, um die charakteristische Wirkung gewisser chem. Elemente (z. B. des Phosphors, Bors u. dgl. m.) auf die Brechungs- und Farbenzerstreuungsgröße der erstarrten Glasflüsse zu erfahren. Die spektrometrischen Untersuchungen der so erhaltenen Schmelzverbindungen machten Professor Abbe und sein Assistent Riedel zu Jena. Zu Ende 1881 war man so weit, daß sich der specifische Einfluß bestimmter Stoffe im G. auf dessen optische Eigenschaften sicher erkennen ließ, was dazu ermunterte, jene Versuche systematisch und in größerm Maßstabe fortzusetzen. Zu diesem Zwecke übersiedelte Schott (1882) nach Jena, wo später (1884) das oben erwähnte Glastechnische Laboratorium ins Leben gerufen wurde, und zwar mit wiederholter namhafter Unterstützung von seiten des preuß. Staates.

Das im Juli 1886 ausgegebene Preisverzeichnis des Glastechnikums zu Jena zeigt bereits 44 verschiedene Glassorten für wissenschaftliche Zwecke, darunter 19 von wesentlich neuer Zusammensetzung. Diese G. sind nicht, wie ehedem, durch ihr spec. Gewicht optisch charakterisiert, sondern durch ihre

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 45.