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Gottfried (von Monmouth) – Gotthardbahn
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gottfried (von Bouillon)'
Er setzte einen Patriarchen ein, stiftete zwei Domkapitel, erbaute ein Kloster in dem Thale Josaphat und förderte die Ansprüche der
Geistlichkeit in aller Weise: selbst Jerusalem nahm er vom Patriarchen zu Lehn. Zu einer Organisation des Staates ist er nicht gelangt; schon
18. Juli 1100 starb er und wurde auf dem Kalvarienberge neben dem Grabe des Erlösers bestattet. In Brüssel vor der Kirche St.
Jacques-sur-Caudenberg ist ihm 1848 ein prächtiges, von Simonis modelliertes Reiterstandbild errichtet worden. – Vgl. von Sybel,
Geschichte des ersten Kreuzzugs (2. Aufl., Lpz. 1881); Monnier,
Godefroi de Bouillon et les assises de Jérusalem (Par. 1874); Bétault,
Godefroi de Bouillon (Tours 1874); Froböse, G. von Bouillon (Berl. 1879).
Gottfried von Neifen, Minnesänger, aus einem
schwäb. Rittergeschlechte, dessen Burg Hohenneufen) noch heute in stattlichen Ruinen vorhanden ist. Er erscheint urkundlich 1230–55
vielfach in der Umgebung König Heinrichs VII. Von seinen Liedern ist der größere Teil rein höfisch langweilig und zeichnet sich nur durch
formelle Künsteleien aus; daneben aber legt ihm die Überlieferung ein paar überraschend volkstümliche Balladen bei, vielleicht wirkliche
Volkslieder, die nicht sein Werk sind. Ausgabe von Haupt (Lpz. 1851).
Gottfried von Straßburg,
mittelhochdeutscher Dichter, stammte wohl aus der alten elsäss. Reichsstadt. Er hatte gelehrte Bildung genossen und gehörte dem
Bürgerstande an, heißt stets «Meister» (magister). Den «Tristan» (s. d.), sein
Hauptwerk, vor dessen Vollendung er starb, nachdem er über zwei Drittel der Sage in fast 20000 Versen erzählt, dichtete er um 1207–10
nach der franz. Version des Thomas von Bretagne; die G. bekannte Redaktion der franz. Dichtung ist nicht erhalten. (Vgl. Bossert,
Tristan et Iseult, Par. 1865.) Den fehlenden Schluß des Gottfriedschen Gedichts ergänzten
Ulrich von Türheim (s. d.) und
Heinrich von Freiberg (s. d.). G. war gewiß der farbenprächtigste, redegewandteste
Dichter der Zeit; aber die Leichtigkeit seines Schaffens verleitet ihn zu stilistischen Künsteleien, gesuchter Originalität und spitzfindiger
Dialektik. Das seelische Problem hat er nicht vertieft; seine frivole, glühende Darstellung stößt sich nicht an den häßlichen immer
wiederholten Täuschungen, die das Liebespaar an Marke verübt. G. liebt Allegorie und Wortspiel. Eine Glanzstelle ist seine Charakteristik der
bedeutendsten mittelhochdeutschen Dichter: er entscheidet sich für Hartmann von Aue gegen Wolfram von Eschenbach. Außer dem
«Tristan» gehören G. nur noch zwei Sprüche; ein «Lobgesang auf Christus und Maria» (in der «Zeitschrift für deutsches Altertum», Bd. 4) ist
ihm nur untergeschoben. Ausgabe des «Tristan» von Maßmann (Lpz. 1843), Bechstein (Teil 1, 3. Aufl., ebd. 1890; Teil 2, 3. Aufl. 1891),
Golther (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1888); vortreffliche Übersetzung von Hertz (ebd. 1877).
Gottfried, Joh. Ludw., Schriftsteller, s. Abelin.
Gotthardbahn. Die Poststraße über den Sankt Gotthard (s. d.) bildete nach ihrer Eröffnung
den wichtigsten und verkehrsreichsten Paß der Schweiz. ↔ Durch den Bau der G. gewann derselbe eine neue, ungleich
höhere Bedeutung. Für die Schweiz, der die Brennerbahn (s. d.) und die Bahn durch den
Mont-Cenis (s. d.) den Durchgangsverkehr zwischen Deutschland und Italien großenteils abzuschneiden drohten, war
es eine Lebensfrage, sich diesen Verkehr durch Herstellung einer schweiz. Alpenbahn zu erhalten und zugleich dem schweiz. Handel eine
kürzere und billigere Linie im Verkehr mit Italien zu eröffnen. Ebenso mußte auch Deutschland und Italien daran gelegen sein, sich neben den
über österr. und franz. Gebiet führenden Alpenbahnen eine solche durch einen neutralen Staat zu sichern. Zum erstenmal tauchte der Plan
einer G. neben den sonst noch in Frage gekommenen Plänen von Bahnen über den Lukmanier, Splügen und Simplon 1851 auf; aber erst
1863 gewann derselbe durch die Gründung der schweiz. Gotthardvereinigung, der 15 Kantone, die Schweiz. Centralbahn und die
Nordostbahn beitraten, festere Gestalt. Im Frühjahr 1869 sprachen sich sowohl Deutschland wie Italien entschieden für die G. aus, und 15.
Sept. trat in Bern unter dem Vorsitz des schweiz. Bundespräsidenten Welti die Gotthardkonferenz zusammen, an der sich der Norddeutsche
Bund, Württemberg, Baden, Italien und die Schweiz beteiligten. Auf Grundlage ihrer Verhandlungen wurde 15. Okt. zwischen Italien und der
Schweiz ein Staatsvertrag abgeschlossen, dem (28. Okt. 1871) auch das Deutsche Reich beitrat. In diesem Vertrag wurde die Ausdehnung
des Gotthardnetzes in Stamm- und Zweiglinien auf 266 km, die Länge des großen Tunnels Göschenen-Airolo, dessen höchster Punkt nicht
höher als 1162,5 m ü. d. M. zu liegen kommen sollte, auf 14,9 km, die
größte Steigung auf 25, ausnahmsweise 26 Promille, der geringste Radius der Krümmungen auf 300 m festgesetzt. Die Baukosten wurden
auf 185 Mill. Frs. berechnet, von denen 85 Mill. durch Beihilfen aufzubringen waren. Italien übernahm 45 Mill., die Schweiz 20 Mill. und
Deutschland ebenfalls 20 Mill. (Preußen 1,5 Mill., die Bergisch-Märkische, die Rheinische und die
Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft je 1 Mill. M., die hess. Ludwigsbahn und die pfälz. Bahnen zusammen 2 Mill., Baden und die
Reichseisenbahnen je 2717000, das Deutsche Reich 8066000 Frs.). Die Beihilfen sind zinsfrei gewährt; der über eine Dividende von 7 Proz.
sich ergebende Überschuß wird zur Hälfte unter die beteiligten Staaten im Verhältnis der gezahlten Beihilfen verteilt. Die Oberaufsicht über
den Bau wurde dem schweiz. Bundesrat übertragen.
Auf Grund dieses Vertrags bildete sich 6. Dez. 1871 die Gotthardbahngesellschaft mit dem Sitz in
Luzern und wählte zum Präsidenten der Direktion Alfred Escher in Zürich. Das Baukapital wurde außer durch die erwähnten
Staatsunterstützungen durch die Ausgabe von Aktien im Betrage von 34 Mill. Frs. und von Obligationen im Betrage von 68 Mill. Frs. beschafft.
Am 2. April 1872 ernannte die Gesellschaft den Baudirektor Robert Gerwig (s. d.) zum
Oberingenieur, der 7. Aug. 1872 die Ausführung des großen Tunnels dem Unternehmer
L. Favre (s. d.) übertrug, nachdem sich derselbe verpflichtet hatte, den Tunnel in 8 Jahren
gegen eine Summe von 50 Mill. Frs. auf eigene Rechnung und Gefahr zu vollenden. Am 1. Okt. begannen die thatsächlichen Arbeiten mit
dem ersten Spatenstich bei Göschenen; im Dez. 1874 wurden die tessi-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 206.