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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gotthardbahn

nischen Thalbahnen Biasca-Bellinzona-Locarno und Lugano-Chiasso dem Verkehr übergeben. Aber schon 1876, nachdem Gerwig 1875 wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Direktion durch den Baudirektor Hellwag ersetzt worden war, erwiesen sich die zu Grunde gelegten Pläne und Berechnungen als unzuverlässig, das Kapital als unzulänglich. Am 4. Juni 1877 trat deshalb zur Sicherstellung des Unternehmens die Gotthardkonferenz in Luzern zusammen und einigte sich dahin, durch Aufschub der Zweiglinien Luzern-Immensee, Zug-Arth und Giubiasco-Lugano sowie durch möglichste Sparsamkeit in der Ausführung den Mehrbedarf, der anfänglich auf 120 Mill. Frs. berechnet wurde, auf 40 Mill. Frs. zu beschränken, von denen 28 Mill. (Deutschland und Italien je 10, Schweiz 8) durch nachträgliche Beteiligung der Gotthardstaaten, und 12 Mill. von der Gesellschaft aufgebracht werden sollten. Von Steilrampen u. s. w., die die Bestimmung der G. als einer Welthandelsstraße beeinträchtigt hätten, beschloß die Konferenz abzusehen; jedoch sollte die Bahn entgegen dem ursprünglichen Plan zunächst durchweg eingleisig hergestellt werden, aber in der Weise, daß die Anlage des zweiten Gleises ohne Störung des Betriebes möglich blieb; die höchste Steigung wurde für einzelne Stellen auf 27 Promille, der kleinste Radius aus 280 m festgesetzt. Auf dieser Grundlage wurde 12. März 1878 ein Nachtragsvertrag der beteiligten Staaten unterzeichnet. Da sich jedoch Italien und die Schweiz durch Vertrag vom 16. Juni 1879 zu einem besondern Beitrage von 6 Mill. Frs. für den sofortigen Ausbau der Linie Giubiasco-Lugano verpflichteten und die Gesellschaft für diesen Zweck 5 Mill. auf sich nahm, wurde nachträglich auch diese Linie noch in das Netz aufgenommen. Ende 1878 wurde Hellwag durch den Oberingenieur Briedel von Biel ersetzt, und 1879 trat an die Stelle Favres, der 19. Juli dieses Jahres im Tunnel an einem Herzschlag starb, der Ingenieur Bossi. Am 29. Febr. 1880 erfolgte der Durchschlag des Richtstollens, im Dez. 1881 die Vollendung des großen Tunnels, zu dessen Herstellung beinahe 9½ Jahre nötig gewesen waren. Außer dem großen 14,9 km langen, 1154,9 m ü. d. M. belegenen Tunnel befinden sich auf der Linie zwischen Immensee und Chiasso noch weitere 64 Tunnels mit einer Gesamtlänge von 26,75 km, und zwar bis 100 m: 26 Tunnels, 101-500 m: 22, 501-1000 m: 5, 1001-1500 m: 4, 1501-2000 m: 7. Der provisorische Betrieb zwischen Göschenen und Airolo wurde 1. Jan. 1882 eröffnet und 10. April desselben Jahres wurde die Monte-Cenere-Linie (Bellinzona-Lugano) dem Betriebe übergeben. Vom 22. bis 25. Mai vollzogen sich in Mailand und Luzern die glänzenden Eröffnungsfestlichkeiten unter zahlreicher Beteiligung von Vertretern der beteiligten drei Nationen, und 1. Juni 1882 konnte auf der Linie Immensee-Chiasso der Durchgangsverkehr beginnen, während die Strecke Bellinzona-Pino erst 4. Dez. 1882 eröffnet wurde. Die G. schließt sich bei Immensee (Kanton Schwyz) an das schweizerische, bei Pino und Chiasso (ital. Grenze) an das oberital. Bahnsystem an und umfaßt die Stammlinie Immensee-Bellinzona-Pino (174 km) mit den Zweiglinien Giubiasco-Lugano-Chiasso (53 km) und Cadenazzo-Locarno (12,5 km), zusammen 239,5 km. Außerdem sind von der Gotthardbahn-Gesellschaft noch gepachtet die Strecken Luzern-Rothkreuz-Immensee und Ranzo-Gera-(Grenze) Luino, sodaß die Betriebslänge des ganzen Unternehmens 266 km beträgt. Das gesamte Anlagekapital betrug 1882: 238 Mill. Frs. und setzt sich zusammen aus 34 Mill. Aktien, 85 Mill. Obligationen und 119 Mill. staatliche Beihilfen.

Der Einfluß des neuen Verkehrsweges auf den Güteraustausch der beteiligten Staaten machte sich sehr bald geltend. Bereits 1883 war der Wert der Wareneinfuhr von Deutschland nach Italien gegen 1881 um 47487000 Lire gestiegen, darunter allein Mineralien, rohe und bearbeitete Metalle im Werte von 27774000 Lire. Der Wert der Einfuhr von Italien nach Deutschland betrug 88550000 Lire gegen 67985000 Lire im J. 1881.

Die Hauptbetriebsergebnisse der G. für die Zeit vom ersten vollen Betriebsjahr 1883 bis 1892 zeigt die nachstehende Übersicht:

Jahr Betriebslänge km Auf die ganze Bahnlänge bezogen, kommen: Personen Anzahl Güter t Im ganzen sind zurückgelegt: Personen Tausende Tonnenkilometer Tausende Wagenachskilometer sind geleistet Tausende Verwendetes Anlagekapital 1000 Frs. Einnahmen im ganzen 1000 Frs. per Kilometer Frs. Ausgaben im ganzen 1000 Frs. pro Kilometer Frs. in Prozent der Einnahmen pro Zugkilometer Frs. pro Nutzkilometer Frs. pro Wagenachskilom. Cent. Überschuß im ganzen 1000 Frs. pro Kilometer Frs. in Prozent des Anlagekapitals

1883 266 207055 278677 55076 75617 47121 225716 10683 40162 5241 19706 49,06 3,13 2,67 10,89 5441 20456 2,41

1884 266 165694 295187 44074 79748 48717 230930 9960 37447 4771 17937 47,90 3,15 2,71 9,96 5189 19510 2,24

1885 266 169540 327417 45097 88355 50608 232221 10531 39594 5010 18836 47,57 3,06 2,66 10,00 5521 20758 2,38

1886 266 163296 308819 43436 83283 49883 233392 10169 38231 5291 19892 52,03 3,04 2,67 10,61 4877 18338 2,09

1887 266 175595 402260 46708 108049 59664 235592 11853 44560 5527 20782 46,64 2,87 2,42 9,26 6325 23779 2,68

1888 266 194805 383452 51818 103257 59947 239362 12054 45319 6028 22662 50,00 2,97 2,51 10,05 6026 22656 2,58

1889 266 220542 421503 58664 114029 65860 242644 13194 49603 6261 23540 47,16 2,93 2,39 9,51 6932 26064 2,86

1890 266 236322 386780 62861 105359 63321 246935 13186 49573 6896 25926 52,30 3,14 2,60 10,89 6290 23647 2,55

1891 266 241654 389570 64280 105707 64560 254637 13533 50875 7508 28224 55,48 3,47 2,73 11,63 6025 22651 2,37

1892 266 249350 438388 66327 118233 68049 228993 14432 54256 7729 29057 53,56 3,41 2,71 11,36 6703 25119 2,59

Das Anlagekapital der G. betrug 1. Jan. 1893 262522500 Frs., nämlich 119 Mill. staatliche Beihilfe, 45 Mill. Aktien und 98522500 Obligationen. Verwendet waren vom Anlagekapital 258993462, sodaß einschließlich der Baufonds 4643940 Frs. verfügbar blieben. Das ursprüngliche Aktienkapital ist auf 50 Mill. erhöht worden, wovon 45 Mill. eingezahlt waren. Das zweite Gleis auf den Strecken Erstfeld-Göschenen und Airolo-Biasca ist 1891-93 eröffnet, sodaß einschließlich Göschenen-Airolo und Bellinzona-Giubiasco gegenwärtig etwa 93 km zweigleisig ausgebaut sind. Die Baufrist für die der Gesellschaft genehmigten, aber noch nicht in Angriff genommenen Zufahrtslinien Luzern-Immensee und Zug-Goldau (auf 16 Mill. Frs. veranschlagt) ist vorläufig bis Ende 1894 verlängert, doch kann