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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gottschalk - Gottschall
Das Schloß ist 1887-89 vollständig restauriert.
- Vgl. Sach, Geschichte des Schlosses G. (2 Hefte,
Schlesw. 1865-66).
Gottschalk, Wendensürst des 11. Jahrh., christ-
lich erzogen, wieder heidnisch geworden, und Ver-
wüster der christl. Besitzungen, war mit Knut d. Gr.
von Dänemark lange in England, und machte später
im Anschluß an den König Svend Estridsen von
Dänemark, dessenTochter er heiratete, an dieHer.'>öge
der Sachsen und seit 1045 an Adalbert, den Erz-
bischof von Kamburg und Bremen, den Versuch, die
Wenden zu bekehren und zu einem Gesamtreiche zu
vereinigen. Er selbst trat als Glaubensprediger auf
und ha'.f Adalbert Bistümer in Mecklenburg, Ratze-
burg und Oldenburg (Holstein) errichten. Als 1066
Erzbischof Adalbert seiner einflußreichen Stellung
beraubt wurde, erhoben sich die Wenden gegen ihren
Fürsten und erschlugen ihn mit einer großen Zahl
Priester und Laien 14. Juni 1066 zu Lenzen unweit
der Elbe. Jede Spur des Christentums wurde ver-
tilgt, und erst am Ende des Jahrhunderts gelang es
G.s Sohne Heinrich mit Hilfe der benachbarten
Deutschen, die Stellung des Vaters wiederzugewin-
nen. - Vgl. L. Giesebrecht, Wend. Geschichten,
Bd. 2 (Berl. 1843); Dehio, Geschichte des Erzbis-
tums Hamburg-Bremen (2 Bde., ebd. 1877).
Gottschalk, Theolog des 9. Jahrh., Sohn eines
sächs. Grafen Berno, wurde schon als Kind dem
Kloster Fulda übergeben. Auf sein Ansuchen ent-
band ihn die Synode von Mainz 829 des Gelübdes,
aber Hrabanus Maurus (s. d.), Abt zu Fulda, be-
wirkte bei Ludwig dem Frommen, daß der Spruch
der Synode widerrufen wurde. G. trat nun in das
Kloster Orbais in der Diöcese Soissons und fand
Trost im Studium der Kirchenväter, besonders des
Augustinus, und wurde ein eifriger Anhänger der
Lehre von der Prüdestination (s. d.). Er nahm diese
Lehre in ihrer schroffsten Fassung an und lehrte auf
Reisen durch Italien eine doppelte Vorausbestim-
mung: der Erwählten zur Seligkeit, der Verworfe-
nen zur Verdammnis. Im Okt. 848 verteidigte er
seine Ansichten auf einer Synode zu Mainz, die
aber seine Lehre als ketzerisch verwarf und ihn feinem
Bischof Hinkmar von Reims zur weitern Bestrafung
übergab. Dieser verdammte auf einer frank. Sy-
node zu Quierzy 849 feine Lehre von neuem, ent-
setzte ihn seines Priesteramtes, ließ ihn geißeln, bis
er die Verteidigung seiner Lehre verbrannte, und
verurteilte ihn zu lebenslänglicher Einsperrung im
Kloster Hautvilliers in der Diöcese Reims. G. be-
schwerte sich ohne Erfolg beim Papst und starb
30. Okt. 868 oder 869, ohne von seiner Überzeugung
zu lassen. Seine erhaltenen Schriften sind gesam-
melt bei G. Mauguin, "Verarmn kmctorum, qui
Lascnio IX ä6 z)lH6ä68tiQÄti0N6 6t FlNtig. Lerip-
861-NNt) 0P6I-9. 6t trHFINLNta" (Par. 1650). - Vgl.
V. Borrasch, Der Mönch G. von Orbais, sein Le-
ben und seine Lehre (Thorn 1868): Gandard, 6.,
m0iQ6 ä'Ordaig (St. Quentin 1888); I.Weizsäcker,
Das Dogma von der göttlichen Vorherbestimmung
im 9. Jahrh, (in den "Jahrbüchern für deutfche
Theologie", 1859, III).
Gottschall, Rud. von, Dichter, Litterarhisto-
riker und Kritiker, geb. 30. Sept. 1823 in Vreslau,
studierte seit 1841 in Königsberg die Rechte. Seiner
lebhaften Beteiligung an der damaligen liberalen
Bewegung Ostpreußens gab er in zwei Gedichtsamm-
lungen, "Lieder der Gegenwart" (2. Aufl., Königsb.
1842) und "Censurflüchtlinge" (2. Aufl. u. d. T.:
"12 Freiheitslieder", Zür. u. Winterth. 1843), beide
anonym erschienen, Ausdruck. Ein studentisches
Charivari mit polit. Färbung führte für ihn das
^0Q8i1iuin adkunäi herbei, ein Jahr später seine
Verweisung von der Universität Vreslau. Nach
längerm Aufenthalte bei dem ihm befreundeten
Grafen Reichenbach, während dessen er sein Drama
"Nobcspierre" vollendete, wurde ihm die Fortsetzung
seiner Studien in Berlin gestattet. Sein Plan, sich
zu habilitieren, scheiterte an der Forderung des
Ministers Eichhorn, daß er binnen Jahresfrist Be-
weise veränderter Gesinnung beibringen sollte. Seit-
dem widmete sich G. gänzlich der Litteratur u.nd
Kunst und hielt nebenbei in der Königsberger städti-
schen Ressource polit. Vorträge. Der dortige Theater-
direktor Woltersdorff übertrug ihm die dramatur-
gische Leitung seiner Bühne. In dieser Stellung
schrieb er die Dramen "Die Blinde von Alcara",
"Lord Byron", "Hieronymus Snitger". Das Re-
volutionsdrama "Lambertine von Mericourt", seine
bedeutendste Schöpfung aus jener Epoche, und der
polizeilich an der Aufführung behinderte "Ferdinand
von Schill" erfchienen Hamburg 1850 und 1851 im
Druck, ebenfo G.s "Gedichte" (ebd. 1849).
Mit der "Göttin" (Hamb. 1853; 2. Aufl., Vresl.
1876), einer poetisch kraftvollen und farbenreichen
Epifode aus der ersten Französischen Revolution,
schloß G. seine, mehr oder weniger von der Ten-
denz durchdrungene, Sturm- und Drangperiode
ab. Den Weg einer objektivern Darstellungsweise
betrat er in der epischen Dichtung "Carlo Zeno"
(Vresl. 1854; 3. Aufl. 1876). G. nahm 1853 wie-
derum feinen Wohnsitz in Vreslau und beschäftigte
sich jetzt auch mit Litteraturgeschichte und Poetik,
(^eine "Deutsche Nationallitteratur in der ersten
Hälfte des 19.Jahrh." (2Vde.,Bresl.1853; 6. Aufl.,
4 Bde., 1891-92) ergriff, gegenüber der einseitigen
Auffassung Julian Schmidts, Partei zu Gunsten
der Düngern Produktion und eines "modernen", in
Form und Geist den Ideen des Jahrhunderts hul-
digenden litterar. Princips, dessen ästhetische Be-
rechtigung er nach allen Seiten in seiner "Poetik"
(ebd. 1858; 5. Aufl. 1882) durchzuführen suchte. In
der Sammlung seiner formvollendeten "Neuen Ge-
dichte" (ebd. 1858) ist der Verfuch bemerkenswert,
die antiken Odcnstrophen zu reimen. Von seinen
wcitern Dramen machte am meisten Glück das
Lustspiel "Pitt und Fox", das, 1864 in das Re-
pertoire des Wiener Hofburgtheaters aufgenommen,
zu den Licblingsstücken der Wiener gehört. Von den
Lustspielen sind noch zu erwähnen: "Die Diplo-
maten", "Die Welt des Schwindels", "Der Vermitt-
ler", "Der Vater auf Kündigung", "Der Spion von
Rheinsberg", "Schulröschen"; von den Trauerspie-
len: "Mazeppa", "Der Nabob", "König Karl XII.",
"Katharina Howard", "Herzog Bernhard von Wei-
mar", "Arabella Stuart", "Amy Robsart"; ein
patriotisches Schauspiel ist das Drama "Auf roter
Erde".- Vgl. dieSammlung seiner "Dramat.Werke"
(12Vdchn., Lpz. 1865-80; 2. Aufl. 1884).
G. verließ 1862 Vreslau, um die Redaltion der
"Ostdeutschen Zeitung" in Posen zu übernehmen,
trat aber noch in demselben Jahre von dieser zurück.
Nachdem er 1863 eine Reise nach Italien gemacht
hatte, die er in lebendigen Skizzen beschrieben hat
("Reisebilder aus Italien", Bresl. 1864), leitete er
1864-88 die "Blätter für litterar. Unterhaltung"
und die Revue "Unsere Zeit" in Leipzig. 1877
wurde G. vom Deutschen Kaiser in den erblichen