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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gradl; Gradmessung

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Gradl - Gradmessung

blut als Zuchtmaterial, hieraus sollen Vollblutbeschäler hervorgehen, die durch ihre vorzüglichen Eigenschaften veredelnd auf das gewöhnliche Halbblut- und Landpferd einwirken. Zur Rekrutierung der Mutterstuten mußte 1870 noch immer auf engl. Vollblutstuten zurückgegangen werden. Der bei weitem größte Teil der jetzigen Graditzer Vollblut-Mutterstuten ist bereits in G. selbst gezogen. G. repräsentiert den Reitschlag, während auf den übrigen Vorwerken der starke Reit- und Wagenschlag gezüchtet wird. Die Graditzer Pferde tragen mehrenteils den Habitus engl. Vollblutpferde an sich. Das Gestütszeichen besteht aus zwei Pfeilen, die in Form eines Andreaskreuzes übereinander liegen und mit einer Schlange umgeben sind (s. Textfigur 2 zu Artikel Brandzeichen).

Aus dem Gestüt wird ein geringer Bedarf für den königl. Marstall entnommen, es werden die zur Zucht für das Haupt- und die Landgestüte geeigneten Pferde ausgewählt und der Rest alljährlich zur Auktion gestellt. Repitz wurde 1680, Döhlen 1691 unter der Regierung des Kurfürsten Johann Georg Ⅲ. von Sachsen erbaut und zum Gestüt eingerichtet. Die Stutereien G. und Kreyschau wurden 1722‒23 errichtet. Bis 1814 wurden hier die Pferde für den königlich sächs. Marstall und für die Landbeschälerdepots des Königreichs Sachsen entnommen (Einführung der Landbeschälung in Sachsen 1792). Die Wagenpferde waren von neapolit., span. und dän. Blut, die Reitpferde von echt orient. Abkunft. Die Graditzer Pferde kennzeichnen sich durch Ausdauer und Temperament. 1815 gingen die Gestüte an Preußen über, das den durch den Krieg stark gelichteten Pferdebestand aus dem Gestüt von Trakehnen und dem Friedrich-Wilhelms-Gestüt zu Neustadt a. D. auf die Zahl von 8 Hauptbeschälern und 186 Mutterstuten ergänzte. Die Veredelung des Stammes geschah durch Trakehner und Neustädter Hengste, zuerst arab. und arab.-engl., später vorwiegend engl. Blutes. Das Landgestüt Repitz nahm 1828 den Bestand des Hauptdepots zu Merseburg in sich auf. – Vgl. J. von Schwartz, Das königlich preuß. Hauptgestüt G. (mit Supplement: Deutsches Gestüt-Album, Berl. 1870).

Gradl, s. Gradel.

Gradmessung ist die Messung von größern oder kleinern Bogen auf der Erdoberfläche zum Behuf einer Bestimmung der Größe und Gestalt der Erde. Zu diesem Zwecke ist es einerseits notwendig, auf astron. Wege durch Bestimmung der geogr. Länge und Breite der Endpunkte eines solchen Bogens den Winkel zu ermitteln, den die an den Endpunkten errichteten Lotlinien miteinander bilden, andererseits die lineare Entfernung der Endpunkte voneinander zu bestimmen. Letztere Bestimmung ist, wenn es sich um große Entfernungen handelt, nur auf geodätischem Wege, mittels Triangulation, auszuführen. Um z. B. die lineare Entfernung der beiden Punkte E und H (s. nachstehende Figur) zu bestimmen, mißt man eine Basis oder Standlinie AB von mehrern Kilometern Länge direkt und bestimmt sämtliche Winkel in den Dreiecken ECD, BCD, ABC, FAB, AFG und FGH; man kann dann durch Rechnung die Größe EH ermitteln. Wäre die Erde eine vollkommene Kugel, so würde es genügen, um ihre Größe zu bestimmen, die Länge eines einzigen, möglichst großen Bogens und sein Verhältnis zum ganzen Kreisumfang zu ermitteln; da sie aber in ihrer Gestalt einem Ellipsoid sehr nahe kommt, ist es zur genauen Bestimmung ihrer Gestalt und Größe notwendig, sowohl in der Richtung ihrer Meridiane, als auch dazu senkrecht Bogen zu messen. Man unterscheidet daher Breiten- oder Meridiangradmessungen und Längengrad- oder Parallelkreismessungen. Letztere sind erst seit Einführung der Längenbestimmungen mittels des elektrischen Telegraphen in größerm Maßstabe mit Erfolg ausgeführt worden. Die älteste G. rührt wohl von Eratosthenes (s. d.) her. Eine eigentliche Messung ordnete zuerst der Chalif Al-Mamum um 827 n.Chr. an; zwei Abteilungen von Mathematikern maßen in der Wüste Singar am Arabischen Meerbusen einen Grad, den die eine 56, die andere 56⅔ arab. Meilen (deren Größe aber nicht genau bekannt ist) lang fand. Sieben Jahrhunderte später, 1525, maß der Arzt Fernel einen Breitengrad zwischen Paris und Amiens mittels der Umdrehung eines Wagenrades und bestimmte ihn, wie angegeben wird, zu 57047 Toisen, was sehr genau sein würde. Die Methode der Triangulation zur Bestimmung der Länge der Bogen wurde zuerst von dem holländ. Geometer Snellius angewandt, als er 1615 einen zwischen Alkmaar und Bergen-op-Zoom gelegenen Bogen von 1° 11’,5 Länge maß und daraus für die Länge eines Grades 55074 Toisen fand. Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Paris maß der Geometer Picard 1669 und 1670 einen 1° 22’ 58" betragenden Bogen südlich von Amiens und bestimmte die Länge des Grades zu 57060 Toisen. Eine von ihm vorgeschlagene umfassendere Messung durch ganz Frankreich im Meridian von Paris wurde durch Cassini und De Lahire 1680 angefangen und nach längerer Unterbrechung 1700 fortgesetzt. Aus der damals südlich von Paris angestellten Messung ergab sich die Größe eines Grades zu 57097 Toisen, dagegen aus der zwischen Paris und Dünkirchen ausgeführten zu 56960 Toisen, wonach also die Länge der Grade nach den Polen zu abzunehmen schien, was mit Newtons Theorie von der Gestalt der Erde in direktem Widerspruch stand und vielfache Zweifel an der Richtigkeit dieser, dadurch aber einen langen und heftigen Streit hervorrief. Um demselben ein Ende zu machen, ordnete die franz. Regierung zwei G. an, die eine unter dem Äquator, die andere unter dem nördl. Polarkreise. Die erstere führten Bouguer und Condamine seit 1735 in Peru, die letztere Maupertuis, Clairaut u. a. seit 1736 in Lappland aus. Die Größe eines Grades wurde unter dem Äquator gleich 56753, unter dem Polarkreise gleich 57437 Toisen gefunden, wodurch also festgestellt wurde, daß entsprechend Newtons Theorie die Erde ein an den Polen abgeplatteter Rotationskörper ist. Alle spätern G. haben dieses Resultat bestätigt.

^[Abb. Textfigur]

Behufs Bestimmung der genauen Länge des Meters, das dem zehnmillionsten Teil der Länge eines zwischen dem Nordpol und dem Äquator enthaltenen Meridianbogens gleich sein sollte, führten von 1792 an Delambre, Méchain, Biot und Arago