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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gradnetz; Grado

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Gradnetz – Grado (in Österreich)

eine von Dünkirchen bis zur Insel Formentera reichende G. aus, die einen Bogen von 12° 22′,2 einschließt. – Die ostindische G. wurde von Lambton und Everest zu Anfang des 19. Jahrh. vom Kap Komorin bis zum Fuße des Himalaja ausgedehnt und umfaßt 21° 21′. – Die russ.-skandinavische G., von Tenner und W. Struve (s. d.) angeregt und geleitet und von 1817 bis 1852 durchgeführt, erstreckt sich von Ismail an der Donau bis Fuglenäs bei Hammerfest und dehnt sich über 25° 20′ in Breite aus. Eine englische G. umfaßt einen Meridianbogen von 10° 16′. Durch diese engl. Messungen haben wir, in Verbindung mit den französischen, einen gut gemessenen Meridianbogen von 22° der von den Shetlandsinseln bis Formentera reicht. Epochemachend wurde in Deutschland die Gaußsche G. in Hannover 1821‒24, an die Schuhmacher die holsteinische und dänische, von Andrae über ganz Dänemark ausgedehnt, anschloß, und die Besselsche in Ostpreußen 1831, an der Baeyer mitwirkte. Gauß und Bessel gaben neue Methoden an, sowohl bezüglich der Beobachtungen als auch der Berechnungen.

Die erste Längengradmessung ward 1733‒34 von Cassini und Maraldi im Parallelkreise von Paris ausgeführt. Von wissenschaftlicher Bedeutung war aber zuerst die auf franz. Gebiete unter dem 45. Parallel von der Mündung der Gironde bis zur savoyischen Grenze durch Brousseau und Nicollet, dann im Anschluß daran von der sardin. und österr. Regierung durch Carlini und Plana über Turin, Mailand bis Fiume 1811‒20 ausgeführte. Vor allem aber ist hier zu nennen die großartige, von W. Struve 1857 im Auftrage der russ. Regierung angebahnte Längengradmessung auf dem 52. Parallel, die unter Leitung von O. Struve, Baeyer und Argelander 1863 zur Ausführung gekommen ist; sie geht von Orsk jenseit des Ural bis an die Westküste Englands und umfaßt 63 Längengrade; bei ihr sind die Längendifferenzen auf elektrischem Wege bestimmt worden. Auf Grund der verschiedenen G. sind von mehrern Seiten genaue Rechnungen bezüglich der Gestalt und der Dimensionen des Erdkörpers angestellt worden, in umfassender Weise zuerst von Bessel. Übereinstimmend hat sich ergeben, daß die Erde nicht unerheblich von der vollkommenen Kugelgestalt abweicht und eine an den Polen abgeplattete Gestalt hat. Im großen Ganzen ist sie als ein Rotationsellipsoid anzusehen, dessen kleine Achse mit der Umdrehungsachse zusammenfällt. Die Unterschiede zwischen den berechneten Abplattungen sind aber ziemlich erheblich und schwanken etwa zwischen 1/280 und 1/300. Bessel fand 1837:

Äquatorhalbmesser 6377397 m

Polarhalbmesser 6356079 m

Abplattung 1:299,2.

Als sicherste Werte dürften aber die neuerdings (1880) von Clarke aus einem größern Material abgeleiteten anzusehen sein:

Äquatorhalbmesser 6378249 m

Polarhalbmesser 6356515 m

Abplattung 1:293,5.

Es ergiebt sich indessen, daß jedenfalls verhältnismäßig nicht unbedeutende Abweichungen der Gestalt der Erde von einem regelmäßigen Ellipsoid vorhanden sind, worauf auch zahlreich ausgeführte Pendelbeobachtungen hinweisen. Eine ganz vollständige Kenntnis der Gestalt unsers Erdballs ist überhaupt erst dann zu erwarten, wenn man passend gewählte und über die ganze Erdoberfläche verteilte Längen- und Breitengradmessungen in genügender Zahl besitzt und außerdem, da über die Oceane hinweg solche Messungen nicht möglich sind, Pendelbeobachtungen (s. d.) auf isolierten Inseln ausführt. Um dies wenigstens zunächst für Europa zu erreichen, legte Baeyer (s. d.) 1861 der preuß. Regierung einen Entwurf vor, worin er vorschlug, die bisher in Europa isoliert ausgeführten Gradmessungsarbeiten durch geeignete Messungen zu verbinden, um die Gestalt der Erdoberfläche zwischen dem Parallel von Kristiania und Palermo und dem Meridian von Warschau und Brüssel, d. h. für einen Flächenraum von etwa 2900000 qkm vollständig festzulegen. Infolge der Aufforderung der preuß. Regierung traten fast alle europ. Staaten dem Unternehmen bei. In einer 1864 zu Berlin abgehaltenen Konferenz von Abgeordneten der beteiligten Staaten wurden die Grenzen der zu erreichenden Genauigkeit, die anzuwendenden Methoden u. s. w. festgestellt und bald darauf mit den Arbeiten selbst begonnen. An der Spitze des als europäische G. bezeichneten Unternehmens stand eine permanente Kommission, die sich alljährlich versammelte. Die Resultate der Arbeiten wurden von einem unter General Baeyer stehenden Centralbureau durch jährliche Generalberichte veröffentlicht. Außerdem fanden in der Regel alle drei Jahre allgemeine Konferenzen statt.

Die europäische G. ist auf einer internationalen, von der preuß. Regierung veranlaßten Konferenz im Okt. 1886 zu Berlin zu einer Internationalen Erdmessung erweitert worden, und es ist in Aussicht genommen, sämtliche civilisierte Staaten der Erde zum Beitritt aufzufordern. Die Organisation des neuen Unternehmens ist wesentlich dieselbe geblieben wie die der europäischen G. An der Spitze des Centralbureau steht Prof. Helmert (s. d.) in Berlin. Um dem Centralbureau eine kräftige Stütze zu bieten, wurde in der Nähe der Sternwarte von Potsdam ein geodätisches Observatorium errichtet. Das Programm der Internationalen Erdmessung berücksichtigt gegenwärtig die folgenden Punkte: Verbindung aller bedeutendern vorhandenen geodätischen Arbeiten, namentlich der Triangulierungen, umfassende Präcisionsnivellements und Ermittelung von absoluten Meereshöhen, Untersuchungen über die örtlichen Abweichungen des Lotes von der Normalen des Erdsphäroids und deren wahre Ursachen, Untersuchungen über die Größe und Störungen der Schwerkraft mittels Pendelbeobachtungen, Untersuchungen über die terrestrische Refraktion, Verwendung der Mondbeobachtungen zur Erdmessung. Sämtliche geodätische Maße werden auf das Normalmeter reduziert. – Vgl. Börsch, Geodätische Litteratur (Berl. 1889), worin eine sehr vollständige Litteratur der praktischen und theoretischen G. enthalten ist.

Gradnetz oder Kartennetz, Entwurf der Längen- und Breitenkreise auf der ebenen Fläche eines Landkartenblattes, um danach die einzelnen Teile der Erdoberfläche nach ihrer geogr. Lage einzeichnen zu können. (S. Landkarten.)

Grado, Stadt im Gerichtsbezirk Cervignano der österr. Bezirkshauptmannschast Gradisca, im Kronland Görz und Gradisca, an der Nordküste des Adriatischen Meers, auf einer Sanddüne am äußersten Ende der Venetianischen Lagune, hat (1890)