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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechische Litteratur

Komödie. An den ländlichen Festen der Weinlese und des Kelterns wurden seit alter Zeit Umzüge, Komoi genannt, von zum Teil vermummten Personen gehalten und dabei ausgelassene Lieder gesungen. Daraus ging zunächst in Megara eine Art von Possen und Schwanken hervor, die angeblich durch Susarion von Tripodiscus nach Attika gebracht wurde. Eine von der attischen Komödie verschiedene Dichtgattung wurde in Sicilien am Hofe des Hiero durch Epicharmus und nächst ihm durch Phormis ausgebildet, deren Komödien teils Travestien von Göttersagen, teils realistische Bilder aus dem Volksleben enthielten.

Endlich gehören in diese Periode auch die Anfänge der Prosa, die durch den sich immer weiter verbreitenden Gebrauch der Schrift sowie durch die Einführung eines zum Bücherschreiben bequemen Materials, des ägypt. Papyrus, vorbereitet war. Auch auf diesem Gebiete gingen die Ionier den übrigen Griechen voran. Unter ihnen lebten die sog. Logographen, deren Schriften die Anfänge der Geschichtschreibung bildeten. Ionier waren auch die ersten, die kosmologische und philos. Spekulationen über die Entstehung der Welt aufzeichneten (Pherekydes, Anaximander und Anaximenes).

III. Periode (vom Ende der Perserkriege bis zum Tode Alexanders d. Gr.). Sie kann man als die attische bezeichnen; denn Athen ist Mittelpunkt aller litterar. Bestrebungen und Leistungen. Sie ist aber zugleich auch die klassische Periode; denn in ihr sind hauptsächlich jene Schriftwerke entstanden, die als für alle Zeiten mustergültige zu betrachten sind. In der Poesie tritt vor allem das Drama in den Vordergrund und stellt alle andern Dichtgattungen in den Schatten. Die Tragödie durchläuft unter den Händen der drei großen Meister Äschylus, Sophokles und Euripides die Stufenleiter ihrer Entwicklung von großartigem Ernst und würdevoller Erhabenheit zu maßvoller, rein menschlicher Schönheit und endlich zur erschütternden Darstellung der gewaltigsten Leidenschaften in rhetorisch geschmücktem Ausdruck. Neben diesem glänzenden Dreigestirn erscheinen zahlreiche Sterne zweiten Ranges, Ion, Agathon, Theodektes, Chäremon u. a. - Die Schauspielkunst feiert in den Zeiten Philipps und Alexanders von Macedonien ihre höchsten Triumphe, artet aber bald in ein nach Effekt haschendes Virtuosentum aus. Die Komödie, die bei den Doriern Siciliens keine weitere Pflege findet und später durch die in Prosa abgefaßten Mimen der Syrakusaner Sophron und Xenarchus Ersatz erhält, wird in Attika durch Chionides und Magnes ausgebildet und erreicht schnell durch die Schöpfungen des Kratinus, Eupolis und Aristophanes ihre höchste Vollendung; sie ist der ungezügeltste Ausdruck des athen. Volksgeistes, wie er sich unter der reinen Demokratie entwickelt hatte, reich an treffendem, wenn auch oft schmutzigem Witz und kühner Phantasie, voll Parteileidenschaft, ein Werkzeug der heftigsten polit. und litterar. Befehdung, aber zugleich ein beredtes Zeugnis des alle Schichten der athen. Gesellschaft durchdringenden regen Interesses an allen öffentlichen Angelegenheiten. Als nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges die Macht Athens und damit die alte Thatkraft des Volks gebrochen, das frühere großartige polit. Leben erstorben war, bildete sich eine andere Form, die sog. neuere attische Komödie, in der das polit. Interesse ganz in den Hintergrund tritt und litterar. Anekdoten, parodierte Göttersagen und Verhältnisse des Privatlebens den Hauptinhalt der auch äußerlich (durch Verschwinden der Chorgesänge) unansehnlicher gewordenen Stücke bilden. Unter den zahlreichen Vertretern dieser neuern Komödie sind Antiphanes, Eubulus, Anaxandrides und Alexis, aus etwas späterer Zeit die dem Ausgange dieser und den ersten Zeiten der nächsten Periode angehörenden Dichter Menander, Philemon, Diphilus, Apollodorus, Philippides und Posidippus hervorzuheben. Das hauptsächlich aus den Nachbildungen röm. Dichter (Plautus und Terentius) bekannte neuere Lustspiel stellt in kunstvoll verwickelter Handlung (Intriguenstücke) charakteristische Typen aus den mittlern und niedern Klassen der bürgerlichen Gesellschaft (polternde und gutmütige Väter, leichtsinnige Söhne, schlaue Sklaven, Hetären, Schmarotzer, militär. Prahlhänse u. dgl.) mit feiner Beobachtungsgabe dar. - Von den übrigen Dichtungsgattungen ist die eigentliche Lyrik jetzt fast ganz auf den Dithyrambus beschränkt. Dieser nimmt im Wetteifer mit der Tragödie mehr und mehr einen mimetischen Charakter an, und zugleich erreicht das musikalische Element unter der Pflege ausgezeichneter Musiker, wie Melanippides, Philoxenus und Thimotheus, eine Höhe virtuosenhafter Ausbildung, welche den Inhalt hinter die Form zurücktreten läßt. - Die Elegie wird eifrig teils nebenbei von den Tragödiendichtern (Äschylus, Sophokles, Ion), dem Politiker Kritias, sowie auch von Philosophen (Plato und Aristoteles), teils als Hauptsache von andern Dichtern (Dionysius Chalcus, Euenus von Paros u. a.) gepflegt. Das Epos endlich erscheint teils als künstliche Nachahmung der alten volksmäßigen Sagenpoesie (Panyassis, Antimachus, Chörilus), teils als Parodie des alten Volksepos, indem die würdevolle epische Form mit beabsichtigtem komischem Kontrast für die Behandlung niedriger und gemeiner Gegenstände verwendet wird (Archestratus). Die Form des Epos erhielten auch philos. Lehrgedichte (Parmenides, Empedokles).

Neben die Poesie tritt in dieser Periode ebenbürtig die Prosa. Die Großthaten der Befreiungskämpfe gegen die Perser lieferten der Geschichtschreibung einen bedeutenden nationalen Stoff, den Herodot, in Verbindung mit der Geschichte und Sittenschilderung der geschichtlich bedeutenden Völker Asiens und der Ägypter, in anziehender Darstellung behandelte, während Hellanicus u. a. noch auf der von den ältern Logographen betretenen Bahn genealog.-chronol. Stammgeschichten fortgingen. Dann gab Thucydides in seiner (unvollendeten) "Geschichte des Peloponnesischen Krieges", an welche sich Fortsetzungen von Xenophon und von Kratippus anschlossen, das erste Muster einer mit histor. Kritik ausgeführten polit. Geschichtschreibung. Die Geschichte Persiens wurde durch Ktesias, die Siciliens durch Antiochus, Philistus und Athanas von Syrakus behandelt. Am Ende dieser Periode traten Historiker auf, die, in den Schulen der Rhetoren, besonders des Isokrates gebildet, durch Anwendung der rhetorischen Kunst auf die Geschichtschreibung einen neuen histor. Stil schufen; so Theopompus und Ephorus, dessen 30 Bücher Historien das erste Beispiel einer allgemeinen Weltgeschichte waren. - Die Beredsamkeit, hervorgerufen durch das Bedürfnis überzeugender und gewinnender Rede in den Volksversammlungen und Gerichten, wurde