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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Grimma; Grimmdarm; Grimmelshausen

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Grimma - Grimmelshausen

er 16. Dez. 1859 starb. Seinem Bruder in Vielem geistesverwandt, mit ihm häuslich und amtlich, durch zärtlichste Liebe und durch Gemeinschaft der Arbeiten verbunden, hatte er doch sein eigenes wissenschaftliches Feld und seine eigene Art, durch die er jenen ergänzte. Er war minder kühn, genial und fruchtbar; er liebte mehr geduldigstes, rundes und sauberes Ausfeilen und Abschließen; er richtete sich auf engerm Gebiete ein, das er zierlich und mit schönem poet. Sinne ausgestaltete. Gemeinsam mit Jakob bearbeitete er das "Deutsche Wörterbuch", die "Deutschen Sagen" und die "Kinder- und Hausmärchen"; daß diese ein wahres Volks- und Kinderbuch geworden sind, danken sie zumeist dem künstlerischen Erzähler Wilhelm, der den naiven echten Märchenton wundervoll traf, darin allen Romantikern weit überlegen. Wilhelms zahlreiche Ausgaben alt- und mittelhochdeutscher Dichtungen und Sprachdenkmäler sind mehr durch treffliche litterarhistor. und sprachliche Untersuchungen und feinsinnige Erläuterungen als durch Schärfe der Kritik ausgezeichnet; erwähnt sei: "Grave Ruodolf" (Gött. 1828; 2. Aufl. 1844), das "Hildebrandslied" (ebd. 1830), "Freidank" (ebd. 1834; 2. Ausg. 1860), der "Rosengarten" (ebd. 1836), das "Rolandslied" (ebd. 1838), die "Goldene Schmiede" (Berl. 1840), der "Silvester Konrads von Würzburg" (Gött. 1841), "Athis und Prophilias" (Berl. 1846; Nachtrag, Gött. 1852), "Exhortatio ad plebem christianam. Glossae Cassellanae" (Berl. 1848), "Altdeutsche Gespräche" (mit Nachtrag, ebd. 1851). Seine Untersuchungen "Über Freidank" (Berl. 1850; 1. und 2. Nachtrag, Gött. 1852-55) laufen freilich auf das unhaltbare Resultat heraus, daß Freidank identisch sei mit Walther von der Vogelweide, sind aber voll von wertvollen und weitreichenden Beobachtungen, ebenso wie die stoffreiche Schrift "Zur Geschichte des Reims" (Berl. 1852). Die Grundlage unserer Runenkenntnis legte das Buch "Über deutsche Runen" (Gött. 1821). Wilhelm G.s Hauptwerk aber war "Die deutsche Heldensage" (ebd. 1829; 2. Aufl., besorgt von Müllenhoff, Berl. 1867; 3. Aufl., von R. Steig, Gütersloh 1890), der er schon durch seine Übersetzung "Altdän. Heldenlieder" (Heidelb. 1811) und in den "Altdeutschen Wäldern" vorgearbeitet hatte: eine fast erschöpfende Sammlung der Zeugnisse für Leben und Fortleben der deutschen Heldensage, mit vorsichtiger unbefangener Kritik, die sich von allen mytholog. Vorurteilen frei hält. Die mannigfachen "Kleinern Schriften" Wilhelm G.s sind gesammelt von Gustav Hinrichs (4 Bde., Berl. u. Gütersloh 1881-87); der erste Band wird eröffnet durch eine kurze Selbstbiographie. (S. Grimm, Jakob und Deutsche Philologie.)

Grimma. 1) Amtshauptmannschaft in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig, hat 846,54 qkm, (1890) 90918 (45163 männl., 45755 weibl.) E. in 8 Städten und 177 Landgemeinden. - 2) Hauptstadt der Amtshauptmannschaft G., 30 km südöstlich von Leipzig, links an der Mulde, an den Linien Leipzig-Döbeln-Dresden und Glauchau-Wurzen (Muldenthalbahn) der Sächs. Staatsbahnen (2 Bahnhöfe), in einem Thalkessel reizend gelegen, ist Sitz der Amtshauptmannschaft, eines Amtsgerichts (Landgericht Leipzig), Hauptsteueramtes, Rentamtes, einer Superintendentur, Bezirksschulinspektion, Bezirkssteuereinnahme, Straßen- und Wasserbauinspektion, und hat (1890) 8957 (4748 männl., 4209 weibl.) E., darunter 237 Katholiken, in Garnison (700 Mann) das 19. Königin-Husarenregiment, Postamt erster Klasse, Telegraph, Fernsprechverbindung; 4 luth. Kirchen, darunter die 1685 erbaute Klosterkirche und die im 13. Jahrh. erbaute Frauenkirche, eine kath. Kapelle, Rathaus (1442) und königl. Schloß, jetzt Sitz der Behörden, ein Krieger- und ein Lutherdenkmal, ein 1838 gegründetes Schullehrerseminar, seit 1874 in einem ansehnlichen Neubau, ein zweites Seminar für ältere Schulamtsaspiranten (seit 1855), Realschule mit Progymnasium, neue Bürgerschule (1883) im Renaissancestil, Bezirkskorrektions- und Siechenhaus. Am bekanntesten ist G. durch seine Landes- und Fürstenschule (Illustre Moldanum), welche Kurfürst Moritz in dem ehemaligen, 1288 gegründeten Augustiner-Eremitenkloster errichtete. Sie wurde 14. Sept. 1550 eingeweiht und besteht seit dem Umbau von 1828 aus einem Alumnat (126 Schüler) sowie aus 6 Pensionsstellen (Rektor Dr. Gehlert, 12 Lehrer, 6 Klassen, 161 Schüler) mit 104 Frei- und 22 Koststellen (s. Fürstenschulen). Die Bibliothek umfaßt mehr als 10000 Bände. Die Anstalt befindet sich seit 1892 in einem prächtigen Neubau. Die ehemals blühende Tuchindustrie sowie der Holzhandel haben aufgehört. Wichtig sind die Kunstmühlen, eine Eisengießerei und Maschinenbauanstalt, eine Patentziegelei, Fabrikation von Brennereieinrichtungen, Glacéleder und Papierdüten, zwei Wäsche- und Garnbleichen, Gerberei, Färberei und mehrere Druckereien für leinene und wollene Stoffe. G. besitzt sehr schöne Promenaden und in unmittelbarer Nähe ausgedehnte und gutgepflegte Waldparkanlagen und wird als Sommerfrische sehr besucht. In der Umgegend das der Fürstenschule gehörige Klostergut Nimbschen mit den Ruinen des 1251 gegründeten Cistercienserklosters, in welchem Katharina von Bora lebte, das schön gelegene Hohenstädt, das Dorf Döben mit altem Schlosse, bereits 1185 als Burg Dewin urkundlich, auf welcher Albrecht der Stolze seinen Vater Otto den Reichen gefangen gehalten haben soll, und die Golzermühle mit Kunstmehlmühle, Maschinenbauanstalt und Papierfabrik. - G. ist sorbischen Ursprungs und wird schon 1065 als Stadt erwähnt. Seit Erbauung des Schlosses, das schon 1200 stand, hielten die Markgrafen von Meißen und Kurfürsten von Sachsen hier öfters Hof. Am 17. Juli 1531 kam zu G. der sog. Grimmaische Machtspruch zu stande, der die Streitigkeiten der beiden sächs. Linien über Lehns-, Münz- und Bergsachen schlichtete. - Vgl. Lorenz, Die Stadt G. in Sachsen, historisch beschrieben (Lpz. 1856-71); Führer durch G. und Umgegend (4. Aufl., Grimma 1892).

^[Abb: {Wappen}]

Grimmdarm, s. Darm (Bd. 4, S. 809 a).

Grimmelshausen, Hans Jak. Christoffel von, Schriftsteller, wurde um 1625 in Gelnhausen geboren, als zehnjähriger Knabe von den Hessen geraubt und lernte nun alle Abenteuer und Fährnisse des wildesten Soldatenlebens in unmittelbarster Nähe kennen. In dieser Zeit erwarb er sich auf Kreuz- und Querzügen jene Landes- und Volkskunde, jenen Blick für das Typische und Charakteristische seiner Zeit, die in seiner spätern schriftstellerischen Thätigkeit so kräftig zur Geltung kommen sollten. Nach dem Friedensschlusse hat er, so scheint es, mit großer Energie