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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Großbritannien und Irland (Geschichte 1603-1714)

Weltstellung überhaupt. Er griff in Frankreich ein für die Hugenotten; aber der eigentliche Mittelpunkt all seines Thuns war das schott. Nachbarreich und dessen kath. Königin Maria Stuart. Hier lag die Lebensfrage für ihn und sein Werk, weil Maria Stuart neben Elisabeth die nächstberechtigte Erbin für den engl. Thron war (s. Tudor), und mit ihrer Prätendentschaft gegen Elisabeth sich der Widerstreit der Europa erfüllenden Gegensätze des Katholicismus und Protestantismus, das Schicksal für Großbritanniens ganze Zukunft verband. Dauernd unterstützte Cecil die prot. Partei unter den schott. Lords, und als Maria vor ihnen nach England flüchten mußte (1568), wurde sie hier in Gefangenschaft gehalten. Aber für die Gefangene wirkten die Vertreter des Katholicismus in Europa, an der Spitze Philipp II. von Spanien, und während Maria Stuart fast zwei Jahrzehnte lang im Kerker schmachtete, bereitete sich langsam der Entscheidungskampf für England gegen die kath. Vormacht Spanien vor. Als Cecil aus Rücksicht auf das Staatswohl Maria auf das Schafott gebracht hatte (1587), brach dieser Kampf aus und endigte 1588 mit der Vernichtung der großen span. Armada (s. d.). Dauerte der Krieg auch fort, mit Marias Tode und dem Untergang der Armada war die Entscheidung gefallen. Englands prot. und nationale Zukunft, wie Cecil sie angebahnt, war gesichert: mit dem Siege über das seegewaltige Spanien war der Grund zur Meeresherrschaft Englands gelegt, und in Schottland erwuchs im prot. Glauben der Sohn Maria Stuarts, Jakob VI., der nach dem Ende Elisabeths über beide Reiche der brit. Insel gebieten sollte. Der starke Seefahrer- und Handelsgeist, der England groß machen sollte, war geweckt; wagelustige Piraten, wie Drake und Frobisher, wurden die Pioniere des Handels. 1600 erhielt die Ostindische Compagnie den ersten Freibrief. Auch Ackerbau und Industrie hoben sich, zu der längst blühenden Wollfabrikation kam die Manufaktur in Metall und Seide. Die Hemmungen durch persönliche Ungerechtigkeiten, Monopolvergebung an Günstlinge, Erhöhung der Zölle fielen nicht allzusehr dagegen ins Gewicht. Dem materiellen stand der geistige Aufschwung, der in Shakespeare seine Höhe erreichte, würdig zur Seite. Für Elisabeth selbst waren ihre letzten Lebensjahre nicht glücklich; eine mächtige Erhebung Irlands (1595-1602) brachte Mühen und Gefahr, diese sowie die Undankbarkeit ihres Günstlings Essex verdüsterte die letzten Lebensjahre der alternden Königin. Sie starb 24. März 1603.

Unter Elisabeth wurde abgeschlossen, was unter Heinrich VII. begonnen war: eine im Verfassungsstaat autokratisch regierende Krone. Nicht so brutal wie Heinrich VIII., aber nicht minder entschieden wahrte Elisabeth ihre königl. Stellung zu den Parlamenten; nur in den letzten Jahren wagte sich einige auf religiösem Boden stehende Opposition hervor. Von der alten Aristokratie war in ihrem Hof- und Beamtenadel nichts mehr zu erkennen, und das Unterhaus hielt sie sich fern durch sparsame Wirtschaft und finanzielle Selbständigkeit. Das Tudor-Jahrhundert war für England die Epoche seines aufgeklärten Absolutismus, die Epoche eines Königtums, das sich und seinen Staat für eins hielt, und das feste Wurzeln im Volke hatte, weil dieses des Staates Größe dargestellt sah in der Größe seiner Monarchie. Das war das Erbe der folgenden Dynastie der Stuarts.

5) Der Kampf zwischen Königtum und Parlament unter den Stuarts bis zur vollen Parlamentsherrschaft und zum Antritt des Hauses Hannover (1603-1714). Seit mehr als zwei Jahrhunderten hatten die Könige aus dem Hause der Stuarts ohne Erfolg für die Errichtung einer wirklichen Königsgewalt in Schottland gekämpft; und während die Kirchenreform in England die Macht der Krone neu gestärkt hatte, war sie in Schottland in wildem Kampf gegen Thron und Altar durchgeführt worden bis zur Gründung der demokratischen Presbyterialverfassung der schott. Kirche. In diesen Verhältnissen erschien für König Jakob VI. von Schottland England mit dem staatlichen und kirchlichen Absolutismus der Tudors als das Land seiner Sehnsucht. Nach dem Ausgang der Nachkommen Heinrichs VIII. bestieg er als Urenkel von dessen Schwester auch den engl. Thron als Jakob I. (1603-25), erster König von G. u. I. Von der Macht des souveränen engl. Königtums hatte er sich eine überschwengliche Vorstellung gebildet, ohne dessen wirkliche Grundlage zu kennen Er war sehr gelehrt, doktrinär, eine ängstliche Natur, ohne Festigkeit des Willens, von sehr unvorteilhafter Erscheinung. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern waren seine Finanzen stets in Unordnung, und während er sich mit seinen ununterbrochenen Geldforderungen thatsächlich abhängig machte von seinen Parlamenten, sprach er zu ihnen in predigtartigen Thronreden von der fast göttlichen Prärogative seines Königtums. Das Parlament seinerseits kam dem fremden Monarchen mit beleidigendem Mißtrauen entgegen, sodaß von Anfang an offener Streit herrschte. Jakob erwies sich anfangs den Katholiken freundlich, dafür feindete ihn das unduldsame Parlament an, und als er diesem in etwas nachgeben mußte, wandten sich (1605) wieder die Katholiken in der Pulververschwörung (s. d.) gegen ihn. Nach außen war sein vornehmstes Bestreben, mit der kath. Vormacht Spanien in Frieden zu leben, und deshalb war er blind gegenüber den Vorgängen, die den Dreißigjährigen Krieg einleiteten. Die Vermählung seines Sohnes Karl mit einer span. Prinzessin wollte er durch des Prinzen eigene Brautfahrt erzwingen, erlebte dabei aber nur ein klägliches Fiasco. In seinen ersten Regierungsjahren hatte der leitende Minister Robert Cecil (s. Salisbury) ihn noch einigermaßen in den Traditionen Elisabeths gehalten; nach dessen Tod (1612) erhob der König Günstlinge seiner Laune, wie Carr (s. Somerset) und Villiers (s. Buckingham) zu seinen Beratern, die sich zu willigen Werkzeugen seiner querköpfigen Politik hergaben. Die Opposition des Parlaments wandte sich denn auch von dem Hader über die innern Zustände gegen die unwürdige auswärtige Haltung des Königs, der durch alle seine Thaten wie Unterlassungen, sein polit. wie persönliches Gebaren nur die Abneigung gegen sich mehrte. Nach jeder Richtung hin hatte er Niederlagen zu erleiden, und statt die königl. Autokratie, wie er gehofft, zur höchsten Stärke auszubilden, hatte er am Ende seiner Regierung in allem sich dem Willen der Parlamente fügen müssen; so hinterließ er das Erbe der Tudors seinem Sohne. Karl I. (1625-49) hatte nach seiner mißglückten span. Brautfahrt selbst eine Spanien feindliche Politik vertreten und dazu beigetragen, seinen widerstrebenden Vater in diese Richtung zu drängen, deren Ausdruck der Abschluß der Ehe Karls mit der franz.