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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gütergemeinschaft
Die Ehefrau kann über das Gesamtgut meist nur
in einzelnen näher, aber nicht gleichmäßig be-
stimmten Fällen verfügen.
In der Regel haftet das Gesamtgut für die vor-
ehelichen Schulden beider Ehegatten, aber auch zu-
weilen für die von jedem Gatten während der Ehe
eingegangenen Verpflichtungen. Einzelne Rechte
schließen die Haftung für voreheliche Schulden ganz
aus, andere machen sie von der Erfüllung gewisser
Voraussetzungen abhängig, noch andere lassen das
Gesamtgut nur subsidiär haften.
Letztwillig lassen einige Rechte die Ehegatten nur
gemeinsam verfügen; andere gestatten die letztwillige
Verfügung über einen Teil, andere nur dann, wenn
gewisse Voraussetzungen vorliegen (unbeerbte Ehe
und für den Fall der Wiederheirat des liberlebenden).
Die bestehende allgemeine G. kann nach einigen
Rechten nicht durch Vertrag aufgelöst werden;
andere Rechte lassen einen solchen Vertrag zwar zu,
aber mit gewissen Beschränkungen. Nach einigen
Rechten kann die Auflösung teils von der Frau, teils
von jedem Ehegatten zur Sicherung gegen Ver-
mögensnachteile verlangt werden. 3cach einzelnen
Rechten erlischt die allgemeine G., wenn alle in der
Ehe geborenen Kinder verstorben sind. Die allge-
meine G. wird ferner aufgelöst durch Scheidung
der Ehe. Für den Fall des Todes eines Ehegatten
bestimmen die geltenden Rechte verschieden. Mei-
stens tritt völlige Auflösung der allgemeinen G. ein,
sofern die Ehe nicht beerbt ist, und zwar teils so, daß
der Überlebende Alleinerbe ist, teils so, daß er die
eine Hälfte der Masse für sich nimmt und die andere
mit den gesetzlichen Erben des Verstorbenen teilt;
nach einigen Rechten behält er indessen auch an dem-
jenigen, was er herauszugeben hat, den Nießbrauch.
Ist die Ehe beerbt, d. h. sind Abkömmlinge aus
der Ehe vorhanden, so treten wiederum sehr ver-
schiedene Folgen ein; teils findet Abteilung in der
Regel mit Beisitz (s. d.) des überlebenden Ehegatten
statt, teils schließt sich die fortgesetzte G. an, teils
ist der Überlebende Alleinerbe.
^V. Abteilung. Nach einigen Rechten (auch dem
Preuß. Allg. Landr. II, 1, §§. 034 fg.) muh nach dein
Tode des Erstverstorbenen sofort abgeteilt werden.
Nach andern Rechten ist zwar der Vermögensstand
zur Todeszeit des Erstverstorbenen maßgebend, aber
geteilt wird erst, wenn der überlebende Gatte teilen
will oder sich wiederverheiratet oder wenn Sicher-
heitsmaßregeln geboten sind. Nach einigen Rechten
darf der überlebende bis zur wirklichen Teilung nicht
über das Gefamtgut verfügen. Nicht fetten kommt
noch ein Voraus des überlebenden in Betracht.
I^.FortgesetzteG. Die fortgesetzte G.l^omniuuio
1)!'oi'0FcUH) besteht darin, daß der überlebende Gatte
die Gemeinschaft mit den Kindern in der Art fortsetzt,
daß diese als Teilnehmer eintreten. Soweit es zur
Abschichtung (oder Abteilung, hier wird ineist von
Abschichtung gesprochen) kommt, ist nicht der Ver-
mögensstand zur Zeit des Todes des Erstversterben-
den, sondern zur Zeit der Abschichtung maßgebend.
Die fortgesetzte G. findet sich in Westfalen, in der
Stadt Stettin, in der pommerschen Vauernordnung,
in Hohenzollern, in Sigmaringen, in Teilen von
Schleswig-Holstein und Hannover, in einzelnen bayr.
Landesteilcn, im Hessischen, in den Städten Parchim,
Hildburghausen, Bremen und Verden, in Hamburg
stur die Witwe) und in Lippe. Die fortgesetzte G. um-
faßt außer denl Güterbestande der anfgelöstenEbe den
(5rwcrd des überlebenden Gatten bis zur Absckicb'
tung, zuweilen jedoch nicht den lukrativen Erwerb
desselben. Im wesentlichen ist der überlebende
Gatte der Verwalter des Vermögens und in der
Rechtsstellung des Ehemannes, wie diese während
der allgemeinen G. sich gestaltet; indessen bestehen
Ausnahmen. Meistens ist er bei der Verfügung
über Immobilien an die Zustimmung der Kinder
gebunden. Nicht überall ist klar, wie weit der
Überlebende letztwillig verfügen kann. Die recht-
liche Stellung der Kinder ist insofern verschieden
geordnet, als nach einigen Rechten (Gesetz für
Westfalen von 1860, §.16) ein während der Dauer
der fortgesetzten G. versterbendes Kind in Erman-
gelnng von Abkömmlingen von den Geschwistern
allein beerbt wird, nach andern (Bremen. Verden)
die verwitwete Mutter allein erbt, und als nach
einigen Rechten der Anteil an der fortgesetzten G.
in die allgemeine G. eines verheirateten Kindes
fällt, nach andern nicht dazu gehört. Verschieden
ist ferner das Verfügungsrecht der Kinder über
ihren Anteil an der fortgesetzen G. geordnet, soweit
es sich um letztwillige Verfügungen handelt; Ver-
fügungen unter Lebenden darüber gelten als aus-
geschlossen. - Die Abschichtung muh nach allen
Rechten erfolgen, wenn der Überlebende der Eltern
wieder heiratet, sofern er nicht durch Einkindschaft
(s. d.) die Kinder in die neue Gemeinschaft auf-
nimmt; ferner, wenn aus den in den einzelnen
Rechten verfchieden bestimmten Gründen der Über-
lebende nicht mehr fähig ist, die Verwaltung zu
führen; nach mehrern Rechten, wenn es der Erst-
versterbende letztwillig angeordnet hat, nach ein-
zelnen (Bremen), wenn der wiederverheiratete Vater
stirbt. Nach einigen Rechten steht dem überlebenden
der Eltern selbst' nach der Abschichtung Beisitzrecht
bis zur Selbständigkeit der Kinder zu. Selbst die
Anteile des abschichtenden überlebenden Ehegatten
sind verschieden hestimmt, zum Teil sogar verschie-
den, je nachdem der Vater oder die Mutter über-
lebte. Nach einer gröfternAnzahl der Rechte (Vauern-
ordnung, Lippe, Bremen, Hamburg, Vamberg,
Wursten, Verden) hat die Abschichtung die Wir-
kung der Totteilung, d. h. die Abgeschichteten ver-
lieren das Erbrecht gegenüber dem überlebenden
der Eltern.
c!. Alleinerbrecht. Der überlebende Ehegatte
wird Eigentümer des Gesamtgutes, die Kinder er-
halten nur nicht entziehhare Ansprüche auf Abtei-
lung nach dem Vermögensstande zur Zeit der Ab-
schichtung. Dieses Recht besteht in einer Anzahl
hannov. Rechte, nach mehrern bayr. Rechten, im
Bistum Fulda, in thüring. Städten, in den Städten
Bremen, Verden, Hamburg für gewisse Fälle. Der
überlebende Ehegatte haftet allein für die Schulden,
erwirbt nur für die Gemeinschaft und kann nicht
ausschlagen. Verschieden ist bestimmt, ob derselbe
gar nicht oder nur mit gewissen Beschränkungen
letztwillig verfügen kann. Nach einigen Rechten
schließt sich im Falle der Wiederheirat eine gesetz-
liche Einkindschaft an. Verschieden sind auch hier
die Anteile für den Fall einer Abteilung bestimmt,
welche nach mehrern Rechten der überlebende vor-
nehmen kann. Auch hier kommt eine Totteilung
vor (Münstersche Polizeiordnung, Schweinfurter
Stadtrecht).
Der Deutsche Entwurf kennt die allgemeineG. nur
für den Fall, daß sie in dem Ehevertrage bestimmt
wird. Wenn in neuerer Zeit wiederholt vorgeschla-
gen ist, man solle das sog. Rcgionalsystem an-