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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gymnasten - Gymnastik
lungen ist. Im Geschichtsunterricht verlangt das
nationale Interesse besondere Berücksichtigung der
deutschen Geschichte bis in die neueste Zeit, doch soll
daneben gerade das G. die Geschichte des Altertums
nicht vernachlässigen. Die Bedeutung der Geo-
graphie wird jetzt richtiger gewürdigt; die bessere
Vorbildung der Lehrer sichert ihr auch im G. eine
angemessenere Behandlung. Bei der Mathematik
und den Naturwissenschaften wird es darauf an-
tommen, nicht sowohl die Masse des Wissens zu
steigern, als die bildende Kraft mehr zur Geltung
zu bringen. Von diesen Lehrgegenständen wird sich
nichts abdingen lassen, weil sie den Anforderungen
der allgemeinen Kultur und der großartigen Ent-
wicklung der Neuzeit entsprechen. Auch die Beibehal-
tung des Religionsunterrichts ist notwendig, zumal
da die gebildeten Kreise mit der histor. Entwicklung
der verschiedenen Konfessionen und mit dem Inhalt
ihrer eigenen Glaubenslehre bekannt sein müssen,
um den Zeitströmungen auf religiösem Gebiete nicht
haltlos gegenüberzustehen. Die Fertigkeiten, Schrei-
ben, Zeichnen und Singen, haben die G. mit andern
Schulen gemein, ebenso das Turnen. ImZeicbnen
wird neuerdings mit Recht eine bessere Ausbildung
gefordert. Infolge der Klagen über den Gesundheits-
zustand der Schüler hat man auch der Einrichtung
der Schulgebäude größere Sorgfalt Zugewendet,
und im Interesse der Schulhygieine' wird vielfach die
Anstellung eines besondern Schularztes verlangt.
Neben den Turnhallen fordert man Spielplätze und
Anleitung zu Bewegungsspielen nach cngl. Muster.
In den letzten Jahrzehnten ist in Deutschland die
Bewegung für Neform des G. in verschiedenen
Richtungen sehr stark geworden. Unter den sehr
mannigfaltigen Bestrebungen treten besonders fol-
gende hervor: die Idee der Einheitsschule; es soll
der Dualismus der höhern Bildung, der in der Schei-
dung von humanistischem G. und Realgymnasium
liegt, durch eine Vereinigung oder Annäherung der
beiden Vildungswege beseitigt oder abgeschwächt
werden; ferner: die Idee der Modernisierung
des G. durch Einschränkung oder gar Beseitigung
der alten Sprachen zu Gunsten der Muttersprache,
der neuern Sprachen, der Naturwissenschaften. So-
dann beschästigt man sich mit dem Übelstande der
überfüllung der G. und der gelehrten Berufs-
arten, dem man namentlich durch Veränderungen
des Berechtigungswesens abhelfen möchte. Eine
andere Neformbestrebung ist aus der Überbür-
dungsklage hervorgegangen, die auf Verein-
fachung und Erleichterung der Gymnasialstudien
ausgeht. Für diesen Zweck wird Verminderung der
Stundenzahl und Aufhebung oder Einschränkung der
häuslichen Schularbeiten, auch Beseitigung oderVer-
einfachung der Reifeprüfung vorgefchlagen. Andere
suchen dadurch zu bessern, daß sie eine verfeinerte
Methode des Unterrichts und namentlich eine bessere
Konzentration derLehrgegenstände sowie eine gründ-
lichere Pädagog. Vorbildung der Lehrer erstreben.
In der letztern Beziehung ist neuerdings (1890) ein
entscheidender Schritt von der preuß. Staatsregie-
rung gethan worden, indem sie die sog. Gym-
nasialseminare eingerichtet hat, zu deren ein-
jährigem Besuche die Kandidaten des höhern Schul-
amtes vor dem Antritte des Probejahres verpflichtet
sind, während in andern Ländern (wie in Baden,
Elsaß, Hessen, Sachsen) durch Errichtung von
Pädagog. Seminarien an den Universitäten einem
äbnlichen Ziele zugesteuert wird. Im Dez. 1890
tagte auch in Preußen eine Versammlung von
Sachverständigen zur Beratung von Schulreform-
fragen auf persönliche Anregung des Kaifers Wil-
helm II. in Berlin, und es wurde eine besondere
Kommission zur Bearbeitung neuer Schulpläne für
die preußischen G. eingefetzt. Diese neue Lehrord-
nung ist 1891 erschienen; in demselben Jahre haben
auch Württemberg und Bayern noch vor Preichm
ihre Lehrordnungen für die G. umgestaltet; in Sach-
sen ist die endgültige Fassung einer neuen Lehrord-
nung Ende Jan. 1893 veröffentlicht worden. Der
Unterricht in den alten Sprachen, namentlich im
Lateinischen, ist nach Stundenzahl und Forderungen
eingeschränkt worden, vornehmlich zu Gunsten des
Deutschen. Die in Preußen und Sachsen bestehende
Übung im freien schriftlichen und mündlichen Ge-
brauche der lat. Sprache ist aufgegeben worden. In
diesen beiden Ländern hat man auch die Gesamt-
zahl der Unterrichtsstunden des G. herabgesetzt. Am
weitesten in diesen modernisierenden Reformen ist
Preußen gegangen. (S. auch Mädchengymnasien.j
- Vgl. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unter-
richts auf den deutschen Schulen und Universitäten
(Lpz. 1885); Schiller, Handbuch der praktischen Pä-
dagogik für höhere Lehranstalten (mit der dort an-
geführten Litteratur; ebd. 1890); Jahresberichte
über das höhere Schulwesen, hg. von Rethwisch,
I-VII (Berl. 1886-92).
Gymnasien, s. Gymnastik.
Gymnastik hieß bei den alten Griechen die Kunst
der Leibesübungen. Die G. war eine staatliche
Einrichtung, ein notwendiger Teil der Erziehung,
der dem besondern Schutze der Götter, des Hermes
und Herakles, anheimgegeben war. Lykurg und
Solon weisen der G. in ihren Gesetzen über die Er-
ziehung der Jugend eine hervorragende Stellung an.
Als treibende Kraft für die Pflege der griechischen
G. wirkte die hohe Bedeutung, die man den Wett-
kämpfen bei den örtlichen Festen, besonders aber
bei den großen Nationalfesten, beilegte, wie die Ver-
ehrung, die man den Siegern in den Olympischen,
Isthmischen, Ncme'ischen und Pythischen Spielen
entgegenbrachte. Daneben aber betrieb man auch
in den Gymnasien (s. d.) mit der heranwachsenden
Jugend täglich gymnastische Übungen. Hierbei
waren die übenden nackt (371111101), was der G. den
Namen gegeben hat. Die G. bot im Verein mit
der Grammatik und Musik die dem Jüngling un-
erläßliche Bildung. Jede nur einigermaßen bedeu-
tende Stadt hatte ihre Übungsplätze, Palä'streti
und Gymnasien. In späterer Zeit waren oft die
hierzu errichteten Gebäude wahre Prachtbauten.
Pädotriben und Gymnasien hießen die Lehrer,
die Alipten (s. d.) hatten das Einölen zu über-
wachen, während die Gymnasiarchen, Sophro-
nisten, Kosmeten die Aufsicht zu führen hatten.
Es lassen sich zwei Richtungen in der griechischen G.
nachweisen, die spartanische, auf Abhärtung des
Leibes, Gewöhnung an straffe Zucht und zähe Aus-
dauer gerichtet, und die attische, die sich die all-
seitige Würdigung der verschiedensten Übungsarten
zur Aufgabe gestellt hatte. An Sparta trieben auch
die Mädchen gymnastische Übungen. Insofern die
G. zugleich der Erhaltung und Kräftigung der Ge-
sundheit diente, wurde sie vielfach auch von Er-
wachsenen beibehalten und von den Ärzten empfoh-
len. Überall, wo hellenisches Wesen Platz griff,
fand auch die G. Aufnahme und Ausbreitung, so in
Rom unter den Kaisern. In der neuern Zeit hat