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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handelstraktate - Handels- und Gewerbekammern
wieder beigetreten, wie denn auch jüngstens in der
Frage der Handelsverträge die Handelskammern
ziemlich einmütig sich zu Gunsten derselben erklärten.
Als Organ des H. erschien in Berlin l87l-83 das
"Deutsche Handelsblatt". Außerdem hat er Verhand-
lungsberichte und verschiedene Denkschriften ver-
öffentlicht. Neuerdings (1893) will man das Bureau
des H. zu einer Centralstelle erweitern, bei welcher
die Ansichten und Wünsche von Handel und Industrie
über die deutschen und fremden Zolltarife fortlaufend
gesammelt und gesichtet und so stets zur technischen
Belehrung der Negierung bei neu abzuschließenden
Handelsverträgen bereit gehalten werden sollen.
Handelstraktate, s. Handelsverträge.
Handels- und Gewerbekammern, Organe
des Handels- und Gewerbestandes einer Stadt oder
eines Bezirks, welche durch Berichterstattungen,
Anträge und Gutachten die Interessen des Handels
und der Gewerbe bei den Behörden vertreten, sowie
auch gewisse Aufsichts- und Verwaltungsfunktionen
ausüben und nützliche gemeinschaftliche Einrichtun-
gen gründen und unterhalten. Als Handelskam-
mern vertraten sie ursprünglich nur die Interessen
der Kaufleute und Fabrikanten; gegenwärtig aber
sind sie in mehrern Ländern im Interesse des Klein-
gewerbes mit Gewerbekammern vereinigt.
Die Handelskammern sind zuerst im 17. Jahrh,
in Frankreich (1650 in Marseille) als freie Institu-
tionen entstanden und haben diesen Charakter in
England auch beibehalten. Die franz. Handels-
kammern erhielten jedoch bald ein offizielles Ge-
präge, das bei ihrer Reorganisation durch ein
Gesetz vom I. 1803 noch verschärft wurde. In
Preußen sind sie, wie auch in andern deutschen
Staaten, teilweise als Nachfolger älterer kaufmän-
nischer Korporationen (Kommerzkollegien, Kauf-
mannschaften u. s. w.) zu betrachten. Ihre gesetz-
liche Einrichtung erfolgte hier zuerst 1848, doch ist
dieses Gesetz nunmehr durch ein anderes von:
24. Febr. 1870 ersetzt. Hiernach unterliegt ihre Er-
richtung der Genehmigung des Handelsministers:
die Mitglieder werden in der Regel auf drei Jahre
nach einem vorgeschriebenen Verfahren von den
Inhabern der in das Handelsregister des Bezirks
eingetragenen Firmen gewählt. Die etatsmäßigen
Kosten, über welche die Kammer selbständig beschließt,
werden als Zuschlag zur Gewerbesteuer auf sämtliche
Wahlberechtigte umgelegt. Die Handelskammern
haben jährlich einen Bericht an das Handelsmini-
sterium zu erstatten. Sie haben das Recht, an ihrem
Sitze, vorbehaltlich der Bestätigung der Regierung,
die Handelsmakler zu wählen, und es können Bör-
sen und andere dem Handelsverkehr dienende An-
stalten unter ihre Aufsicht gestellt werden. Bei Ge-
legenheit eines Konflikts einiger Handelskammern
mit dem Handelsminister (Aismarck) hat sich die
rechtliche Stellung dieser Institute nach dem preuß.
Gesetze als nicht ganz klar erwiesen. Hauptsächlich
wird beklagt, daß es sich nicht um eine obligatorische
Einrichtung handle, sondern um eine von den An-
trägen der Interessenten abhängige, woraus^ervor-
geht, daß nahezu die Hälfte des preuh. Staates
durch Handelskammern nicht vertreten ist. Auf die
zu Berlin, Stettin, Magdeburg, Tilsit, Königsberg,
Danzig, Memel und Elbing bestebcndcn kaufmän-
nischen Korporationen (Älteste der Kaufmannschaft,
Vorsteher der Kaufmannschaft u. s. w.) und auf das
Kommerzkollegium zu Altona, welche für die be-
ttenenden Slädle das Amt der Handelskammern
übernehmen, findet das Haudelskammergesetz keine
Anwendnng. Für die genannten Korporationen
bestehen vielmehr besondere, von der Regierung er-
lassene Vorschriften. Was die Vertretung gewerb-
licher Interessen in Preußen betrifft, so sollten die
frühern durch Verordnung vom 5). Febr. 1849 ge-
schaffenen Gewerbe rate Vertretungen des Fabri-
kanten- und Handwerkerstandes zugleich bilden; sie
sind aber durch die spätere Gesetzgebung wieder be-
seitigt worden. Durch Reskript vom 2 l. Febr. 1884
ließ man den Provinziallandtagen Bestimmungen
über die Gewerbetammern zugehen. Indes schuf man
keine Vertretung specifisch der gewerblichen Inter-
essen. 1888 waren erst 17 Gewerbekammern in8Pro-
vinzen eröffnet, die überdies keine bemerkenswerte
Thätigkeit entfalteten. Seither verfagten mehrere
Landtage die Bewilligung der Kosten und die meisten
Gewerbekammern wurden wieder aufgelöst.
Außerhalb Preußens finden sich in allen deutschen
Vundesstaaten, mit Ausnahme von Lippe, den bei-
den Mecklenburg, Anhalt, Waldeck und den beiden
^chwarchurg, Handelskammern. Reine Gewerbc-
kammern, d. h. ausschließlich aus Vertretern der
Gewerbe im engern l^inne zusammengesetzte Kam-
mern, haben Bremen (1849), Hamburg (1872),
Lübeck (1867), das Großherzogtum Weimar und
Leipzig. In Bauern sind Handelskammern, für
jeden Regierungsbezirk eine, durch eine Verordnung
vom 20. Dez. 1868 auf Grund des Gewcrbegesetzes
vom 30. Jan. 1868 in Verbindung mit Abteilungen
für die Gewerbe eingerichtet worden, und unter
ihnen stehen sog. Bezirksgremien, welche sich zum
Teil wieder in Handels-, Fabrik- und Gewerberäte
scheiden. In Sachsen beruht die Organisation von
H. u. G. auf dem Gewerbegesetz vom 15. Okt. 1861,
das durch ein Gesetz vom' 23. Juni 1868 weitere
Abänderungen erfahren hat. In beiden Staaten
werden die Mitglieder der Gewerbeabteilung auch
wirklich aus den nicht in das Handelsregister (s. d.)
eingetragenen Gewerbetreibenden entnommen. Nicht
so in Württemberg, wo 4. Juli 1874 ein Gesetz über
die Errichtung von H. u. G. erlassen wurde. In
Baden bestanden seit 1862 Handelskammern nur
als freie Genosseuschaften; durch ein Gesetz vom
11. Dez. 1878 aber erhielten sie eine der preußischen
ähnliche Organisation. In Österreich bestehen nach
dem Gesetz vom 29. Juni 1868 vereinigte H. u. G.,
in zwei Sektionen geteilt, mit ausgedchntern Rech-
ten und Pflichten, als in den deutfchen Staaten.
Ähnliche aber nicht obligatorische Einrichtungen ha-
ben Ungarn, England, Italien, Holland. Äelgien,
Ruhland, Schweden, Norwegen, Dänemark,Schweiz,
Portugal haben keine staatlich organisierte Vertre-
tung der gewerblichen Interessen: Spanien und Ru-
mänien haben Handelskammern, die zugleich das
Gewerbe vertreten. In Frankreich giebt es außer
den Handelskammern sog. "Okümdreä conguitg.-
tiv63 (168 Kl't8 et inÄQutactui-68". In mchrern Län-
dern haben sich größere Verbände von H. u. G. ge-
bildet, so in England der Kongreß der brit. Han-
delskammern, inOsterreich der Handel^kammertag,
im Deutschen Reiche der deutsche Handelstag (s. d.).
Auch sind Versuche zur Herstellung internationaler
Beziehungen zwischen den H. u. G. gemacht wor-
den. Nicht zu verwechseln mit den Handelskam-
mern sind die "Kammern jür Handelssachen", die
in Deutschland als Abteilungen der Landgerichte
an die Stelle dcr früheru Handelsgerichte getreten
sind. (S. Handelssachen, ^ammcr sür.)
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