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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handfeuerwaffen

Die nächste Verbesserung der H. erstreckte sich auf den Schutz des Zündkrautes gegen Regen u. s. w. und wurde durch einen drehbaren Deckel bewirkt. Man ging ferner bald zum Schmieden der Läufe aus Eisen über, indem man Platten über einen Dorn bog oder rollte. Da hierbei an beiden Enden offene Rohre entstanden, kam man auf den Gedanken der Hinterladung. Jahrhundertelang bemühten sich indessen die Waffentechniker erfolglos, einen gasdichten und beweglichen Abschluß des Laufes herzustellen. Notgedrungen ging man daher zu dem Vorderlader zurück. In das rotglühend erhitzte Laufende wurde von hinten ein Eisenkeil eingetrieben, wodurch ein dauernder Verschluß entstand. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. wurde dieser Eisenkeil durch die Schwanzschraube ersetzt, die die Festigkeit des Verschlusses vermehrte und gleichzeitig einen neuen Vefestigungspunkt für den Schaft abgab. Letzterer umschloß den Lauf zur Hälfte auf seiner untern Seite. Das rückwärtige Ende des Schaftes setzte sich in den meist vierkantigen Kolben fort, der beim Schusse gegen die Schulter gestützt wurde. Ein hölzerner Ladestock fand seinen Platz in der untern Seite des Schaftes. Da die Entzündung dieser H. stets mit der in freier Hand geführten Lunte bewirkt werden mußte, war auch durch Anbringung einer Zündpfanne nebst Deckel an der rechten Laufwand eine erhebliche Verbesserung der H. nicht zu erzielen. Die Hauptnachteile der damaligen H. waren: 1) geringe Feuerschnelligkeit; 2) Unmöglichkeit des Zielens, da der Schütze seinen Blick statt auf das zu beschießende Ziel auf die Zündpfanne richten mußte; 3) mangelhafte Trefffähigkeit infolge des schlechten Mehlpulvers, des großen Spielraums der Bleikugeln, des Festhaltens der Waffe mit nur einer Hand und des Mangels eines jeden Zielmittels. Aus diesen Gründen blieben die damaligen Fernwaffen, Bogen und Armbrust, noch lange und anfangs in überwiegender Zahl bestehen.

Die nächste Verbesserung, durch die Auge und rechte Hand für den gezielten Schuß verfügbar wurden, war in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. das Luntenschloß (s. nachstehende Fig. 1 u. 2). Mit dem an der rechten Seite der Waffe angeschraubten Schloßblech A ist drehbar verbunden der Hahn B, zwischen dessen Lippen die Lunte eingeklemmt wird.

^[Abb.: Fig. 1 u. Fig. 2.]

Die runde Welle des Hahns geht innerhalb des Schloßblechs in ein Viereck über und ist mit dem beweglichen Lappen der Nuß C verbunden, der einen länglichen Schlitz zeigt. In den letztern greift das aufgebogene vordere Ende der Stange D ein, die um ihre Achschraube beweglich mit dem Abzug F verbunden ist. Beim Druck gegen den Abzug geht die

^[Spaltenwechsel]

Nuß infolge des Druckes der Stange abwärts und mit ihr auch die zwischen den Hahnlippen eingeklemmte Lunte auf die Zündpfanne. Die Stangenfeder N drückt beständig von unten gegen die Stange; ihr Widerstand muß bei dem Abziehen überwunden werden. Sobald der Druck gegen den Abzug aufhört, hebt die Feder die Stange und damit den Hahn von der Zündpfanne weg. Später trennte man den Abzug von der Stange und legte denselben durch einen Bügel, "Abzugsbügel", geschützt in den Schaft.

Die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gebräuchlichen H. waren: der Haken (Arkebuse) von ungefähr 5 kg Gewicht, der Kugeln von etwa 4 Lot (66 g) verfeuerte. Der Name kommt von dem an den Lauf geschweißten Haken, der zur Aufnahme des Rückstoßes beim Schusse diente. Diese Waffe wurde in Festungen gebraucht; bei der Verwendung im freien Felde bildete eine Gabel die Unterstützung.

Der Halbhaken, auch Handrohr oder Hakenbüchse genannt, war leichter, schoß 2-2 1/2 Lot (36 g) Blei und wurde meist im Feldkriege, ohne Gabel, verwendet. Doppelhaken und doppelte Doppelhaken bildeten die Mittelglieder zwischen H. und Geschützen. Die Feuerbereitschaft des Luntenschlosses war von dem Vorhandensein der brennenden, gegen Regen ungeschützten Lunte abhängig. Nahm man letztere vom Hahn weg, so konnte zwar bei nächtlichen Unternehmungen das Glimmen derselben verborgen werden, dafür erforderte aber die Abgabe des ersten Schusses ziemlich viel Zeit. Gleichzeitig mit der Erfindung des erwähnten Schlosses erscheint das Visier (s. d.). Das Korn (s. d.) wurde erst später an dem Gewehr angebracht. Es scheint vordem meist über eine ringförmige Verstärkung gezielt worden zu sein, die die Rohre an der Mündung erhielten. Hand in Hand mit diesen Verbesserungen ging die Weiterbildung des Schaftes, der einen durch eine Dünnung getrennten Kolben erhielt. Das Zielen wurde dadurch sehr erleichtert. Die mit dem Luntenschloß versehenen Haken, die frühern Halbhaken, waren die Waffe der Hakenschützen oder Arkebusiere (s. d.). Jeder derselben führte 12 Ladungen und außerdem 30 Kugeln, eine kleine Pulverflasche zum Aufschütten des Pulvers auf die Pfanne und mehrere Klafter Lunte. Der häufigere Gebrauch der H. führte zu einer Verstärkung der Rüstungen der Reiterei. Damit entstand das Bedürfnis nach einer Handfeuerwaffe mit erhöhter Wirkung. Durch Herzog Alba wurde 1521 im span. Heere die Muskete eingeführt, die ihre Kugeln bis 300 Schritt sandte und beim Schießen auf eine Gabel aufgelegt wurde. Moritz von Oranien setzte für das niederländ. Heer fest, daß die Muskete 10, der Haken 20 Kugeln auf das Pfund schießen sollte, wonach sich das Gewicht der Muskete auf 16, das des Hakens auf 10 Pfd. stellte. Gustav Adolf erkannte bald den großen Wert der H., verringerte die Zahl der Pikeniere und ersetzte sie durch Musketiere. (S. Fechtart, Bd. 6, S. 615 a.) Er führte Musketen von etwa 10 Pfd. Gewicht ein und beseitigte die Gabel. Die erleichterte Muskete schoß eine 2lötige Kugel und besaß ein Kaliber von etwa 18,35 mm.

Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. wurden von der Reiterei Papierpatronen geführt, die anfangs nur die Pulverladung enthielten. Später verband man Kugel und Ladung, indem man erstere am Gußhalse in die Patrone einschnürte. Eine solche Patrone aus der Zeit von 1586-91 zeigt Fig. 3 (S. 761 a). Gustav Adolf führte auch bei der