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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handfeuerwaffen

ist bedeutend: während die franz. 11 mm-Patrone 43,8 g wog, hat die des 8 mm nur ein Gewicht von 32 g. Der Infanterist kann daher eine um 33 Proz. größere Patronenzahl mitführen, ohne daß er mehr als früher belastet ist. Ebenso wird eine Vermehrung des auf den Fahrzeugen mitgeführten Patronenvorrats möglich. Das 15 g schwere Geschoß ist mit einem Nickelmantel umgeben. Die Ladung beträgt 2,7 g eines besondern Pulvers, das dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 610 m verleiht. Wieweit durch diese Geschwindigkeit die Gestrecktheit der Bahn vermehrt wird, zeigen nach

stehende Zahlen, die die Scheitelflughöhen für das franz. Gewehr M/86 und das frühere 11 mm-Grasgewehr M/74 enthalten:

Entfernung in m M/74 M/86

200 36 cm 14 cm

300 90 38

400 176 81

600 473 239

800 994 521

1000 1816 969

Das österreichische Gewehr M/88 ist bereits in Bezug auf Verschluß und Mehrladevorrichtung behandelt. Grundsätzliche Verschiedenheiten sind bei M/86 und M/88 nicht vorhanden. Der 8 mm-Lauf des M/88 hat 4 Züge von 0,2 mm Tiefe bei einer Umdrehung auf 25 cm. Das höchste Visier reicht bis 2250 m. Dem 15,8 g schweren Stahlmantelgeschoß erteilte die aus 4 g Schwarzpulver bestehende Ladung eine Anfangsgeschwindigkeit von 515 m. Durch die 1890 erfolgte Einführung eines neuen Treibmittels ist mit 2,75 g eine Anfangsgeschwindigkeit von 620 m erreicht worden.

Das deutsche Infanteriegewehr, amtlich Gewehr 88 genannt (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen III, Fig. 3), besitzt ein Kaliber von 7,9 mm. Die vier Züge vollenden eine Umdrehung auf 24 cm. Das Gewehr zeigt die eigentümliche Einrichtung, daß der Lauf nicht wie bei den bisherigen H. direkt im Schaft ruht, sondern gleichsam in einem zweiten Laufe, dem Laufmantel M steckt. Zwischen Lauf und Mantel bleibt auf der ganzen Strecke ein freier Raum. Der Mantel schützt den Lauf vor Beschädigungen, gestattet dem beim Schießen erwärmten Lauf beliebige Ausdehnung der Länge nach und ermöglicht dem Schützen Handhabung der Waffe selbst bei heiß gewordenem Lauf. Außerdem soll er den Lauf von dem beengenden und die Schußleistung störenden Einfluß der Verbiegungen durch Veränderungen des Schaftes befreien. Da der Mantel hinten auf das Gewinde g des Verschlußgehäuses G geschraubt ist, berührt er nur vorn mit dem Mundring den Lauf, der sich beim Heißwerden ausdehnt und weiter durch die Mündung treten kann. Visier und Korn sind auf dem Mantel angebracht, der Lauf ist also nicht mehr wie früher mit Lötungen versehen, die ungünstig auf den Schuß einwirken. Das höchste Visier entspricht der Entfernung 3050 m. Der Verschluß fängt den Rückstoß durch zwei an dem vordern Ende des Verschlußkolbens Kl angebrachte Warzen (auf der Figur nicht sichtbar) auf, die in den entsprechend gestalteten Ausdrehungen aa im Kopfe des Verschlußgehäuses ruhen. Im übrigen hat man an dem bewährten Verschluß der Gewehre 71 und 71.81 in der Hauptsache festgehalten. Sämtliche Teile der Mehrladevorrichtung sind in einem Kasten K im Mittelschaft unterhalb des Verschluhgehäuses vereinigt. Die dem

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Mannlicher ähnliche Mehrladevorrichtung ist wesentlich vereinfacht worden. Der eigentliche Zubringer Z besteht aus der Verstärkung v, auf die die Spiralfeder Sp drückt, und dem langen Teil, dessen äußerstes Ende den Patronenträger t bildet. Bei dem Einführen des Rahmens tritt ein an der Rückwand befindlicher Haft unter den Haken des Rahmenhalters H. Zu dem Entfernen des Patronenrahmens genügt ein Druck auf das in den Bügel hineinragende Druckstück d des Rahmenhalters, wodurch die Spiralfeder Sp zusammengedrückt wird. Dadurch wird der Rahmen frei und nach oben ausgeworfen. Der Patronenrahmen R läßt sich mit seiner obern und untern Seite voran in den Kasten K einführen. Er ist aus dünnem Stahlblech gestanzt und an den Seitenwänden etwas umgebogen, um die Patronen festzuhalten. Die Länge des Gewehrs beträgt 1,245 m, das Gewicht (ungeladen) 3,8 kg. Die Patronenhülsen der bisherigen Konstruktionen besaßen am Boden einen vorspringenden Rand (Krempe), der sich beim Einschieben in den Lauf gegen einen senkrechten Abschnitt desselben setzte und so die Vorwärtsbewegung der Patrone begrenzte. Bei der Hülse 88 legt sich der scharfe Übergang des Pulverraums zum Geschoßraum gegen die entsprechend geformten Wandungen des Laufs, sodaß die Hülse dem Stoß des Schlagbolzens nicht ausweichen kann. Damit die Auszieherkralle die Hülse erfassen kann, ist nahe am Boden eine Eindrehung angebracht. Die Einführung der Hülse ohne Rand hat eine günstigere Lagerung der Patrone in dem Rahmen ermöglicht, gleichzeitig ist der Bodenumfang der Patrone wesentlich verkürzt, sodaß auch der Kasten nur um ein Geringes über den Schaft vorsteht. Das 14,7 g schwere Geschoß hat einen Kern aus Hartblei, der mit einem kupfernickelplattierten Stahlblech- oder Nickelkupferblech-Mantel umgeben ist. Die Pulverladung besteht aus 2,75 g "Gewehr-Blättchenpulver" und verleiht dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 620 m (Gewehr 71.84 nur 435 m). Zwischen Geschoß und Pulver ist ein dünnes Puppeblättchen eingeschaltet. Die fertige Patrone wiegt 27,3 g gegen 43 g derjenigen des Gewehrs 71.84. Die ballistischen Leistungen des Gewehrs 88 sind als gute zu bezeichnen. Die Scheitelflughöhen betragen auf

Entfernung in m bei 71/84 bei 88

500 304 cm 150 cm

600 490 250

800 1030 540

1000 1854 1020

Die Streuung des Gewehrs 88 ist ebenfalls wesentlich geringer.

Das Schweizer Repetier gewehr M/89, System Schmidt, besitzt das Kaliber von 7,5 mm. Die drei Züge Rubinscher Konstruktion vollenden eine Umdrehung auf 27 cm. Hervorzuheben ist, daß der ganze Lauf mit einem hölzernen Schutzdeckel, dem sog. Rundschaft versehen ist, der im wesentlichen die Aufgaben des Laufmantels beim deutschen Gewehr 88 erfüllen soll. Der Verschluß (Konstruktion des Oberst Schmidt) gehört dem Geradzugsystem an und zeigt (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen III, Fig. 4, und IV, Fig. 1 u. 2) den langen Verschlußkolben a, der hinten von der Verschlußhülse d umgeben ist (vgl. Taf. IV, Fig. 1 u. 2). In letzterer ist eine schraubenartige Nute c bemerkbar, die die geradlinige Bewegung des Griffstücks g in eine Drehung der Verschlußhülse b umsetzt, bei der die