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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handfeuerwaffen

zwei Warzen ww vor entsprechende Ansätze des Verchlußgehäuses G (vgl. Taf. III, Fig. 4) gelangen und so die Stützflächen für den Verschluß herstellen. Das Griffstück F ruht mit dem Kopf in einem besondern Gehäuse G und greift mit seinem Spannansatz e in die bereits erwähnte Nute c der Verschlußhülse b ein. Bei dem Öffnen des Gewehrs bewegt sich Ansatz e zunächst in dem gerade geführten Teil der Nute c und tritt dann in die schräg gefurchte Verlängerung derselben. Hierdurch wird die Drehung des Verschlußkolbens a hervorgerufen. Diese anfängliche, mit einer kleinen Drehung verbundene Rückwärtsbewegung des Verschlußkolbens a führt das Lockern der Patronenhülse in ihrem Lager im Lauf herbei, ohne welche ein guter Verschluß nicht gedacht werden kann. Besondere Schwierigkeiten waren bei dem Geradzugverschluß zu überwinden, um denselben für eine Lockerung der Patronenhülse einzurichten, da, wenn dieselbe wie bei dem österr. Gewehr fehlt, das Öffnen besonders anstrengend ist. Bei den gewöhnlichen Kolbenverschlüssen, deren Öffnen mit einer Drehung beginnt, kann ein gleichzeitiges Zurücktreten des Verschlusses und damit ein Lockern der Patronenhülse leichter und einfacher erreicht werden als bei dem Geradzugsystem. Bei dem nun folgenden Zurückziehen des Griffstücks g ruft der Spannansatz e eine Drehung der Verschlußhülse b hervor und zwar soweit, bis die Warzen w w ihr Widerlager im Verschlußgehäuse G verlassen haben und vor entsprechende Ausschnitte (ähnlich wie bei dem Vetterliverschluß) gelangt sind. Der Verschluß kann nunmehr völlig zurückgeführt und hiermit das Gewehr geöffnet werden. Das Ausziehen und Auswerfen geschieht hierbei in der bekannten Weise. Gleichzeitig ist das Spannen der Spiralfeder eingetreten, indem der Spannstollen e den Schlagbolzen nebst dessen Spiralfeder zurückdrängt. Bei dem Vorschieben des Verschlusses führt der Kolben a die oberste Patrone des Magazins in den Lauf. Durch die schiefen Flächen der Führungsbahnen im Verschlußgehäuse, in denen die Warzen gleiten, wird die Verschlußhülse vom Spannansatz e befreit, während die Abzugsstange vor den Schlagbolzenflügel l tritt. Kurz vor Beendigung des Vorschiebens wird das vollständige Schließen herbeigeführt, indem der nunmehr in der schiefen Nute der Verschlußhülse d gleitende Ansatz 6 die Verschlußhülse zur Drehung um den Verschlußkolben zwingt, wobei die Warzen vor ihre Widerlager gelangen. Im letzten Augenblick geht Ansatz 6 in die gerade Nute o der Verschlußhülse d über, wodurch letztere an jeder Drehung verhindert wird. Das Gewehr ist geschlossen und feuerbereit. Die Konstruktion muß als eine geistreiche Vereinigung des Geradzugsystems mit den vorteilhaften Einrichtungen des Verschlusses von Vetterli angesehen werden. Das Magazin bildet ein abnehmbarer Kasten für 12 Patronen, die in zwei Reihen übereinander übergreifend gelagert sind. Die Füllung kann entweder mit einzelnen Patronen oder durch Entleeren eines oder zweier Pakete mit 12 bez. je 6 Patronen erfolgen. Durch Druck auf den Hebel 8 wird das Magazin gehoben, d. h. die Waffe zum Magazinfeuer gestellt oder gesenkt, d. h. zur Einzelladung vorbereitet. Der Schweizer Schütze geht daher der bedeutenden Vorteile verlustig, die ein nur mit Magazinen oder Patronenrahmen (Deutschland) zu ladendes Gewehr für die Handhabung und Feuerleitung bietet. Da das Füllen des Magazins mit 12 Patronen etwa 8 Sekunden und die Handhabung des Verschlusses

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nur wenig Zeit in Anspruch nimmt, so büßt man in der Schweiz die große Feuergeschwindigkeit des Mannlicher- u. s. w. Systems vollständig zu erreichen, dem gegenüber das Schweizer Gewehr durch die Einrichtung zum Abnehmen und Abstellen des Magazins eine gewisse Komplikation aufweist. Die 27,5 g schwere Patrone enthält 2 g rauchschwaches Pulver, das dem 13,7 g schweren Kupfermantelgeschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 600 m verleiht.

Das belgische Repetiergewehr M/89, System Mauser, besitzt 7,65 mm Kaliber und 4 Züge mit einer Umdrehung auf 25 cm. Der Laufmantel ist in ähnlicher Weise wie bei dem deutschen Gewehr 88 angeordnet. Charakteristisch für die Waffe ist, daß der je 5 Patronen umfassende Rahmen (bez. Stahlschiene) nicht wie bei Mannlicher u. s. w. in das Magazin gesteckt werden muß, sondern daß die Patronen von der Stahlschiene in das Magazin abgestreift werden. Die Ladung wird mit 2,5 g rauchschwachen Pulvers, das Geschoßgewicht mit 14,1 g, die Anfangsgeschwindigkeit mit 600 m angegeben.

Dänemark hat das System Krag-Jörgensen als M/89 angenommen. Kaliber 8 mm, sechs Züge mit einer Windung auf 28,8 cm, der Lauf mit einer Ummantelung versehen. Die Waffe besitzt ein festes Mittelschaftsmagazin und den Kolbenverschluß. In der Absicht, ein Hervorragen des Magazins über die allgemeine Oberfläche der Waffe zu vermeiden, hat man die Patronen nicht über-, sondern nebeneinander liegend angeordnet. Das Füllen geschieht von der rechten Seite des Gewehrs durch eine schlitzartige Öffnung, die mit einer Klappe geschlossen wird. Dem Druck einer Feder folgend, gelangen die Patronen durch eine Öffnung in der linken Wand des Verschlußgehäuses vor den Verschluß. Die Patronen werden zu je 5 Stück in einem Blechkasten vereinigt, letzterer wird, ebenso wie die Stahlschiene des belg. Gewehrs, nicht mit in das Magazin eingebracht. Die Patrone enthält 2,2 g Blättchenpulver, das dem Kupfermantelgeschoß von 15,43 g Gewicht nur eine Anfangsgeschwindigkeit von 624 m verleiht.

Das englische Gewehr M/89 (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen IV, Fig. 3-6) führt den Namen Lee-Metford nach dem Magazin- bez. Laufkonstrukteur. Das Kaliber beträgt 7,7 mm, sieben linksgängige Züge vollenden eine Umdrehung auf 25,4 cm. Das aus Stahlblech hergestellte Magazin der bekannten Konstruktion von Lee enthält 10 Patronen und wird von unten in das Verschlußgehäuse eingeschoben. Da, soviel bekannt geworden ist, der Mann nur mit einem Magazin ausgerüstet ist, so muß der Kriegswert der engl. Waffe als weitaus geringer bezeichnet werden als derjenige der Repetiergewehre nach Mannlicher u. a., bei denen der ganze Patronenvorrat des Infanteristen in Patronenrahmen u. s. w. untergebracht ist. Die Munition zu dem engl. Gewehr scheint noch nicht festzustehen; unter Verwendung eines Pulvers von Nobel sollen Anfangsgeschwindigkeiten von 650 m erzielt worden sein.

Nach dem Reichsgesetz vom 19. Mai 1891 dürfen im Deutschen Reiche H. nur dann feilgehalten oder in den Verkehr gebracht werden, wenn ihre Läufe und Verschlüsse in amtlichen Prüfungsanstalten geprüft und mit Prüfungszeichen versehen sind. Das Gesetz ist 1. April 1893 in Kraft getreten. Vgl. auch die Artikel Jagdgewehre und Revolver.

Litteratur. W. von Plönnies, Neue Studien über die gezogene Feuerwaffe der Infanterie (2 Bde.,