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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handschriftendeutung - Handstuhl
Schuldbekenntnis. Darum sagt man auch wohl
"Geld auf H. ausleihen" im Gegensatz zu einer hy-
pothekarischen Sicherung. Daher auch chirogra-
pharische Forderung, eine (im Konkurse) nicht be-
vorrechtigte Forderung. (S. Chirograph.)
Handschriftendeutung, s. Chirogrammato-
mantie und Graphologie.
Handschuchsheim oder Handschuhs heim,
Dorf im bad. Kreis und Amtsbezirk Heidelberg,
3 km nördlich von Heidelberg, an der Bergstraße
und an der Mannheim - Weinheimer Eisenbahn
(Nebenbahn), hat (1890) 3028 meist evang. C'.,
Postagentur, Fernsprechverbindung; Maschinen-
fabriken, Wein-, Obst- und Kastanienbau. Bei H.
siegten 24. Sept. 1795 die Österreicher unter Quos-
danovich über die Franzosen; im Juni 1849 fanden
hier Gefechte zwischen Reichstruppen und bad. In-
surgenten statt.
Handschuhe werden gegenwärtig aus Pelzwerk,
Seide, Wolle, Baumwolle, Leinen, hauptsächlich
aber aus Leder verfertigt, die waschledernen aus
Reh-, Hirsch- und Schafleder sowie aus Gems-,
Bock- und Kalbleder. Der Form nach unterscheidet
man kurze und lange H<, je nachdem sie nur die
Hand oder auch den Unterarm bedecken; ferner Fin-
gerhandschuhe, bei welchen jeder einzelne Finger
für sich bekleidet ist, und Fausthandschuhe mit
einer gemeinschaftlichen Bedeckung für vier Finger
und einer besondern für den Daumen; feltener sind
die H., welche die Fingerspitzen ganz frei lassen.
Die Glacehandschuhe, glanzlederne, ro-
manische oder Erlanger H., deren Fabrikation
die bei weitem größte Wichtigkeit hat, werden na-
mentlich aus Ziegenfellen, die feinsten aus Ziegen-
lammfellen, minder feine aus Lammfellen, die
schlechtesten aus Schaffellen hergestellt. Das hierzu
dienende Leder wird, nachdem es durch eineArtWeiß-
gerberei (s. Lederfabrikation) zugerichtet und ge-
färbt ist, auf der Fleischseite mittels scharfer Klingen
bearbeitet, um eine durchaus gleichmäßige Stärke
zu erhalten. Hierauf schneidet man dasselbe in
Streifen von reichlich doppelter Handbreite, reckt
diese m der Längenrichtung aus, legt je sechs der-
selben auf ein sog. Fach, auf welchem die Umrisse
der Handschuhteile als scharfe Stahlschneiden empor-
stehen, und schneidet sie durch den Druck einer Presse
alle gleichzeitig aus, worauf aus Oberteilen, Unter-
teilen und Daumenstücken die H. zusammengenäht
werden. Die alte Methode des Zusammennähens
durch Handarbeit, wobei die aneinander zu nähen-
den Kanten in eine Art breiter Zange (Handschuh-
Nähkluppe) eingeklemmt werden, ist jetzt fast ganz
durch die Maschinennäherei mittels besonderer
Handschuh-Nähmaschinen verdrängt; nur extrafeine
Ware wird heute noch mit der Hand genäht (sog.
Handstepper). Das Nacharbeiten oder Dressieren
der H. besteht im Geradeziehen ihrer einzelnen
Teile, im Niederlegen der Nähte und im Pressen
unter einer Schraubenpresse, zu welchem Zweck die
H. zuvor in feuchte Tücher geschlagen werden, um
die erforderliche Geschmeidigkeit zu erlangen. Die
Herstellung der Glacehandschuhe bildet einen alt-
franz. Industriezweig. Nach Deutschland, speciell
nach Magdeburg, Halberstadt und Erlangen, wurde
derselbe zu Ende des 17. Jahrh, durch meist aus
Grenoble stammende Mfugie's verpflanzt: von Be-
deutung sind jetzt in dem betreffenden Artikel auch
die Städte Wien, Prag, Berlin, Dresden, Alten-
bürg, Arnstadt in Thüringen u. s. w. In Frank-
reich nimmt Paris in dieser Industrie den ersten
Rang ein, besonders seitdem durch Iouvin bedeu-
tende Verbesserungen, wie das Zuschneiden mit
Maschinen, eingeführt wurden. Das deutfche Fa-
brikat zeichnet sich durch Haltbarkeit aus. Beliebt
ind ferner die sog. Dänischen oder Schwedi-
chen H., bei denen die Fleischseite, nicht die Haar-
eite nach außen liegt.
Gewirkte H. werden überall, wo die Strumpf-
Wirkerei ihren Sitz hat, namentlich in Sachsen, in
großer Menge und Mannigfaltigkeit fabriziert, ent-
weder als reguläre Ware auf dem Kulierstuhl und
der Lambschen Strickmaschine, oder als geschnittene
Ware aus parallelkantigen Warenstücken vom Ket-
tenw irkstuhl.
Geschichtliches. SchonalteVölkerschaftenVor-
derasiens trugen H.; auf ägypt. Denkmälern werden
lange H. von ihnen als Tribut dargebracht. Ebenso
trugen die alten Perser Fingerhandschuhe von kost-
barem Pelzwerk. Homer erzählt bei der Schilderung
des im Garten arbeitenden alten Laertes, daß Hirten
und Arbeitsleute stierlederne Schienen und derbe H.
dem ritzenden Dorn zur Abwehr trugeu, sonst gal-
ten bei den Griechen H. als Zeichen der Weichlich-
keit, obwohl beim Mahle sog. Fingerlinge in der
spätern Zeit sehr gebräuchlich waren. Diese (äi-
ßitlüi^) finden sich auch bei den Römern, welche
gleichfalls ohne Gabel die Speifen mit der Hand
zum Munde führten, außerdem kamen aber auch
mit dem steigenden Luxus nach asiat. Vorbilde H.
nur zum Staate auf. Die alten Skandinavier, die
Germanen der spätern Zeit, Franken u. s. w. kannten
die H. im täglichen Verkehr, auf der Reife, Jagd und
im Kriege gleichfalls, und der Stoff war hiernach
verschieden, bei der Rüstung natürlich mit Ketten-
ringen oder Schuppen besetzt. Im 13. Jahrh, galten
sie als notwendiges Stück der anständigen weiblichen
Tracht. Im Rechtsleben spielten die H. eine Rolle
dadurch, daß für besondere Schenkungsgegenstände
solche von Wildleder oder Otterfell als Symbol ge-
geben wurden. Sie galten auch, im Ritterwefen, als
Symbole der Investitur, der Belehnung und der
Standeserhöhung; bei Herausforderungen warf man
dem Gegner einen Handfchuh vor die Füße; das Auf-
nehmen desselben ward als Zeichen der Annahme
der Forderung angesehen. Provencal. Dichtungen
zufolge soll Ritter Iwein die Mode der H. auf-
gebracht haben. Im 16. Jahrh, waren sie allge-
mein im Gebrauch, das span. Fabrikat war das
beliebteste, ihm zunächst kamen die H. von feinem
sämischen Leder; gelb war die gewöhnlichste Farbe,
weiß noch vornehmer; Stickereien und goldene
Knöpfchen wurden gern angebracht. Später, bei
den entblößten Armen, wurden die H. bis zu den
Ellbogen getragen. Die neuere Zeit nahm die kur-
zen H. als Folge der allgemeinen Tracht wieder an.
Zu erwähnen sind noch die H. des frühern deutschen
Kaiserornats. (S. Tafel: Insignien, Fig. 8.)
Ahnlich waren die H. der höhern Geistlichkeit. (S.
Chirotheken.) - Vgl. Kment, Der Handschuh und
seine Geschichte (3. Aufl., Wien 1890).
Handfchuhleder, das zu Handschuhen (s. d.)
benutzte Leder; seine Herstellung s. Lederfabrikation.
Handschuhsheim, f. Handschuchsheim.
Handseelilie, f. (Heiroci-inuL.
Hand spritze, f. Gartengeräte (Bd. 7, S. 550 d).
Handstahl, s. Drehstaht.
Handstuhl (Handwebstuhl), s. Bandfabri-
kation (Bd. 2, S. 360d) und Weberei.