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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handwerkerabteiluugen - Handwerkerkammern
handener Gewerbeprodukte; ferner für die Herstel-
lung neuer Erzeugnisse, wenn sie am Orte ihres Ab-
satzes und ihrer Konsumtion hergestellt werden müs-
sen, ftcr den Großbetrieb aber nicht genügendes Ab-
satzgebiet vorhanden ist; dahin gehören die H. der
Metzger, Bäcker, Schuhmacher, Schneider, Schmiede,
Sattler u. s. w.; oder wenn zur Steigerung der Pro-
duktivität keine größere Kapital- (Maschinen-) An-
wendung nötig ist; oder wenn das Produkt haupt-
sächlich Handarbeit verlangt, also namentlich bei
kunstgewerblichen Sachen; oder wenn die einzelnen
Produkte den besondern Wünschen der Besteller an-
gepaßt und in kleinen Quantitäten verschiedenartig
angefertigt werden müssen. Auch können die Hand-
werker einen Teil der Vorzüge des Großbetriebes
durch genossenschaftliche Vereinigung wett zu machen
suchen, also namentlich durch Bildung von Kredit-,
Rohstoff-, Magazin-, Werkzeug- und Maschinen-
genossenschaften ihre Produktionskosten verringern.
Endlich erschließt die fortschreitende Technik, die
neuerdings in dem Bau von Kleinkraftmaschinen
Außerordentliches leistet, dem H. ein neues Ar-
beitsgebiet, auf dem es bisher mit dem Großbe-
trieb nicht konkurrieren konnte. Wichtig ist eine ein-
gehende Fachbildung, namentlich eine einsichtige
Regelung der Lehrlingsfrage. Zur Erhaltung und
Förderung des H. müssen Staat und Handwerker
sich miteinander verbinden und ergänzen. Über die
neuern Bestrebungen der Handwerker zur Wahrung
ihrer Selbständigkeit s. Handwerkertage.
Eine besondere Statistik des H. giebt es bisher
nicht. Sieht man aber die Betriebe, die ohne Ge-
hilfen oder mit höchstens 5 Gehilfen thätig sind, die
sog. Kleinbetriebe, als handwerksmäßige Unter-
nehmungen an, so erhält man nach der Gewerbe-
zählung von 1882 folgendes Bild:
Zahl der
Betriebe
Gruppen
ohne
mit höchstens
Gehilfen
5 Gehilfen
i) Kunst- u. Handelsgärtnerei, Baum-


schulen............
3 115
7 146
2) Gewerbsmäßige Tierzucht, Fischerei
v 327
5 993
3) Bergbau, Hütten- und Salinenwesen
31
491
4) Torfgräberei und -Bereitung . , .
268
2 001
5) Industrie der Steine und Erd er .
14 956
27 623
6) Verarbeitung von Metall mit Aus-


nahme von Eisen.......
7 260
6 551
7) Eisenverarbeitunq........
62 091
82 573
8) Maschinen,Instrumente u.Apparate
45 423
32 908
5") Chemische Industrie.......
3 096
4 791
w) Forstwirtschaftliche Nebenprodukte
2 287
3 638
l l) Textilindustrie.........
265 765
69 576
l 2) Papierindustrie.........
6 604
7 116
I3)i!eder-, Wachstuch- und Gummi-


Industrie
21 134
21 899
14) Holz- und Schmtzstoffe......
145 833
87 648
l5) Nahrnngs-und Genußmittel . . .
79 973
154 781
16) Bekleidung und Reinigung ....
699 830
172 090
l?) Baugewerbe..........
91233
58 648
l8) Polygraphische Gewerbe.....
3 005
4 256
19) Künstlerische Gewerbe......
5 833
1899
20) Handelsgewerbe.........
297 269
143 230
21) Versicherungsgewerbe......
3 208
1052
22) Landverkehr
39 607
15 646
23) Wasservertehr..........
5 680
12 872
24) Beherbergung und Erquickung . .
89 205
76 233
Summa j 1 907 633 j 1 000 661
DieZahlderGewerbetreibendenbeträgt4488978,
wovon 1912886 auf die gehilfenlofen Betriebe und
2576092 auf die Betriebe mit höchstens 5 Gehilfen
entfallen. (S. Fabrik und Gewerbe.)
gewerbe (Halle 1870); Dannenberg, Das deutfche H.
und die fociale Frage (Lpz. 1877): I. Keller, Das
deutjche H. (2. Aufl., Chemnitz 1878); Joh.Iacobi,
Die Organifation des Gewerbes mit fpecieller Be-
rücksichtigung des H. (Cass. 1879); Rücklin, Das
neuzeitliche H. (Heilbr. 1880).
Handwerkerabteilungen,s.HandwerksstäNen
Handwerkerbörfen, periodische Vereiniguw
gen von felbständigen Gewerbtreibenden desselben
Zweigs mit Rohstoffproduzenten, Lieferanten von
fonstigen Bedarfsgegenständen und Händlern mit
den fertigen Erzeugnissen. Durch folche Einrich-
tungen können den kleinen Unternehmern manche
Vorteile des Großbetriebes zugewendet werden, und
wenn sie auch nur in großen Städten zu stände
kommen, fo kann sich ihre nützliche Wirkung als
Centralpunkte des betreffenden Gewerbes doch auf
einen weiten Umkreis erstrecken. In Berlin besteht
eine ^chuhmacherbörse (mit wöchentlichen Zusam-
menkünften), die sich als sehrzweckmähig bewährt hat.
Handlverkerbunv, deutscher, s. Handwerker-
tage lS. 778a).
Handwerkerkammern. Der Wunsch nach Er-
richtung von H., der neuerdings lebhafter als je
auftaucht, ist dadurch begründet, daß es im größten
Teüe von Deutschland eine organisierte Vertretung
der kleingewerblichen Interessen gar nicht oder nur
in ungenügendem Maße giebt. Sofern sie in den
Handels- und Gewerbekammern (s. d.) geboten ist,
entspricht sie nicht den Anforderungen, die das
Handwerk glaubt stellen zu dürfen. Schon in dem
von dem Frankfurter Handwerkerparlament 1848
aufgestellten Entwurf einer Gewerbeordnung fan-
den sich Gewerberäte, Specialgewerbekammern und
eine einzige allgemeine deutsche Gewerbekammer vor-
geschlagen. Darunter war der Gewerberat ^eine
freigewählte Behörde aller Innungen einer Stadt
oder eines Bezirks - ungefähr das, was man heute
als Handwerkerkammer plant. Behufs seiner Bil-
dung sollten sämtliche Gewerbe in so viele Kategorien
geteilt werden als Mitglieder des Gewerberates zu
wählen waren, und jede Kategorie ein Mitglied
wählen. Die später in Preußen ins Leben gerufenen
Gewerberäte genügten, obwohl sie zu gleichen Teilen
aus Wahlen'der Handwerker, Industriellen und
Kaufleute hervorgingen, dem praktischen Bedürf-
nis nur unvollkommen. Nach Einführung der Ge-
werbefreiheit tauchten auf den während der siebziger
Jahre zahlreicher abgehaltenen Handwerkertagen
die Vorschläge zur Eröffnung von Gewerbe-Hand-
werkerkammern auf, die, analog den Handels-
kammern, eine offizielle Vertretung des Gewerbes
überhaupt, des Handwerks insbesondere, sein follten.
Eine 1878 auf dem Handwerkertage in Magdeburg
gefaßte Refolution befagte, daß das Handwerk be-
rechtigt fei, die Einsetzung solcher Kammern zu ver-
langen, die in beständiger Fühlung mit der Gefetz-
gebung es ihm möglich machen würden, an dem Er-
laß von den fein Gebiet berührenden Verordnungen
sich durch sachverständigen Rat zu beteiligen. Dem-
gemäß wnrde in das Programm des Handwerker-
tags zu Magdeburg der Vorfchlag zur Errichtung
von H. aufgenommen und auf spätern Versamm-
lungen in Köln, Frankfurt a. M., Berlin wieder-
holt (s. Handwerkertage). - Eine besondere Be-
schaffenheit erhält die Handwerkerkammer in dem Ur-
teil der Anhänger der Innungspartei. Hier wird die
Handwerkerkammer zur Vertreterin des Innungs-
wesens. Sie soll eine Behörde zur Überwachung
des Innungswesens werden an Stelle der jetzigen