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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hannover (Provinz)
Lindemann, Meyer führte in abgeschwächter Weise
einen Teil der angebahnten Reformen durch, trat
mit Oldenburg, mit dem es den fog. Stenerverein
gebildet hatte, 7. Sept. 1851 in den Zollverein, be-
schwichtigte aber trotzdem die hannov. Junker nicht,
die sich mit Beschwerden wegen vorgeblich verletzter
Interessen an den Deutschen Bund wandten.
Am 18. Nov. 1851 starb Ernst August, und an seine
Stelle trat sein blinder Sohn als GeorgV. (s. d.).
Dieser beauftragte Schele sofort mit der Bildung
eines neuen Kabinetts, aus dem die Minister von
Borries und von der Decken im April 1852 aus-
traten und Windthorst und dem Freiherrn Hammer-
stein Platz machen mußten. Die von diesem Mini-
sterium auf gesetzlichem Wege versuchte Abänderung
der Verfassung von 1848 scheiterte 1853 an dem
Widerspruch der Zweiten Kammer, worauf das Mi-
nisterium 21. Nov. desselbenJahres entlassen wurde.
An die Spitze des neuen Ministeriums wurde von
Lütcken gestellt und der Geh. Regierungsrat Zim-
mermann als maßgebender Ratgeber nach H. be-
rufen, der den König überzeugte, daß die Ein-
mischung des Deutschen Bundestags seiner Sou-
veränität keinen Eintrag thue, wenn von dorther
die Verfassung von 1848 als ungültig entstanden
erklärt werde, was auch von Frankfurt aus 12. und
19. April 1855 bereitwillig geschah. Die Stände
wurden 31. Juli aufgelöst und ein äußerst reaktio-
näres Ministerium von Vorries, GrafPlaten, Graf
Kielmannsegge, von der Decken und von Vothmer
gebildet, das die 1848 mit dem König vereinbarte
Verfassung aufhob und die von 1840 oktroyierte.
Die Beamten wurden angewiesen, die bezügliche
Verordnung vom 1. Aug. rasch durchzuführen, frei-
sinnige Blätter wurden gemahregelt, ein sog. ^taats-
gerichtshof eingefetzt und den Schwurgerichten die
Aburteilung polit. Vergehen entzogen. Bei den
Wahlen zur Zweiten Kammer verweigerte man allen
Staats-und Gemeindebeamten,von denen man nicht
eine unbedingte Hingabe erwartete, den Urlaub, und
als damit noch nicht ganz die Opposition gebrochen
war, oktroyierte man abermals 7. Sept. das Finanz-
tapitel von 1840 und löste 8. Nov. die Stände
schließlich auf. 1857 erlangte die Regierung die
willfährigste Mehrheit in der Zweiten Kammer, die
dem König die Dotation um 100000 Thlr. erhöhte
und die berüchtigte Ausscheidung eines Teils der
Domänen aus der Staatsverwaltung guthieß.
Diefe Vertretung beseitigte 1858 den Eid auf die
Verfassung, verwandelte die Staatsdiener in königl.
Diener, verminderte die Gerichte und überwies teil-
weife die Polizeigerichtsbarkeit wieder den Ver-
waltungsbehörden. Die öffentliche Meinung stand
auf feiten des jungen Führers der Minderheit der
Zweiten Kammer, Rudolf von Vennigsen, der
mit meisterhafter Geschicklichkeit allen reaktionären
Schritten der Regierung entgegentrat und 14. Sept.
1859 den Nationalverein (s. d.) in Frankfurt a. M.
gründete, dessen hannov. Mitglieder den ausge-
dehntesten Plackereien der Regierungsbehörden aus-
gesetzt wurden. Selbst Borries konnte die immer
wachsenden Einmischungen des sich völlig über-
schätzenden Königs nicht mehr ertragen; er wurde
1862 ungnädig entlassen, als die Mißstimmung des
ganzen Landes über die Aufzwingung eines alten
Katechismus aus dem 17. Jahrh, sich laut und in
einzelnen Excessen äußerte. Am 10. Dez. entließ
der König auch die übrigen Minister, mit Aus-
nahme des geschmeidigen Grasen Platcn und des
der Politik fern stehenden Kriegsministers von Vran-
dis. Das neue Ministerium von Malortie, Windt-
horst, Errleben, von Hammerstein und Dr. Lichten-
berg berief eine Vorfynode, mit der eine die kirck-
Synodalordnung vereinbart ward. Bei den un-
beeinflußten Wahlen von 1863 erhielt die liberale
Partei sofort wieder das Übergewicht in der Zweiten
Kammer und reformierte manche Auswüchse der
Reaktion in gemäßigter Weise; aber die undeutsche
Haltung des Grafen Platen in der schlesw.-holstein.
Frage, an deren bundesmäßiger Lösung H. durch
Truppensendung teilnahm, rief neue Mißstimmung
hervor. Anfang 1865 fah sich H. zum abermaligen
Anschluß an den Zollverein, unter Verzicht auf die
Hälfte des bisher bezogenen Präcipuums, genötigt.
Im Herbst 1865 b'rachte die Vorliebe des Königs
für ein persönliches Regiment ein abermaliges Zer-
würfnis mit dem Ministerium. Graf Borries wurde
Präsident des Staatsrates, während von Hammer-
stein, Errleben, Windthorst und Lichtenberg ihre
Entlassung erhielten. Das neue Ministerium Bac-
meister, Dieterichs, von Hodenberg und Leonhardt
war indes ebenfalls unfähig, dem immer größer
werdenden Selbstdünkel des blinden Monarchen
Schranken zu setzen. Die weitere Schärfung der
innern Fragen wurde jedoch sehr bald durch die sich
immer drohender gestaltenden auswärtigen Ange-
legenheiten verhindert, da schon im Frühjahr 1866
ein Konflikt zwischen Österreich und Preußen wegen
der schlcsw.-Holstein, und der Bundesreformsrage
unvermeidlich schien. Der Hof und das Kabinett
trieben ein doppeltes Spiel; während der Minister
des Äußern, Graf von Platen-Hallermund, der
preuß. Regierung gegenüber offizielle Freundschafts-
versicherungen gab, beriet das Kabinett insgeheim
die Eventualitäten eines österr.-preuß. Krieges. In
der Bundestagssitzung vom 14. Juni stimmte denn
auch H. für den österr. Mobilisierungsantrag. In-
folge davon richtete die preuß. Regierung bereits
15. Juni ein Ultimatum an H., in welchem sie ein
Bündnis auf Grund unbewaffneter Neutralität und
den Beitritt H.s zu dem preuß. Reformvorschlage
vom 14. (10.) Juni forderte und dagegen Gewähr-
leistung des Besitzstandes nach Maßgabe dieses
Reformvorfchlags bot. Da die hannov. Negierung
sofort ablehnend antwortete, so überschatten schon
in der folgenden Nacht die Preußen von Minden
her die hannov. Grenze; in großer Eile wurden die
wichtigsten Aktenstücke zusammengepackt, die Wert-
papiere nach London geschafft, die wertvolle königl.
Silberkammer heimlich im Schloßkeller vermauert
und im königl. Residenzschlosse zu Herrenhausen die
Vorbereitungen getroffen, der nicht schlagfertigen
Armee nach Göttingen zu folgen. Der König und
der Kronprinz fuhren gegen 4 Nhr morgens nach
Göttingen; die Königin Marie blieb mit ihren beiden
Töchtern in Herrenhausen, von wo sie später auf
das benachbarte Schloß Marienburg übersiedelte.
Am 17. Juni rückten die Preußen in der Hauptstadt
ein, während eine andere Kolonne, über Harburg
kommend, unter Manteuffel Etade nahm und dann
den hannov. Truppen folgte, die sich über Heiligen-
stadt nach Eisenach wandten, um sich mit den
Bayern zu vereinigen. (S. Deutscher Krieg von
1866, Bd. 5, S. 5?.') Auch jetzt noch wurden von
seiten Preußens Friedensanträge gemacht, die aber
König Georg stolz zurückwies. Durch die von dem
General Vogel von Falckonstcin ungenügend aus-