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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Heerwesen Europas
hieraus die nötigen Konsequenzen gezogen, in-
dem die Friedenspräsenzstärke - nach dem Gesetz
vom 15. Juli 1890 bisher 486 983 Mann (ein-
schließlich 66 952 Unteroffizieren) - nunmehr auf
557093 Mann (einschließlich 77864 Unteroffizieren)
festgcfetzt ist, auf welche stärke die Einjährig-Frei-
willigen nicht in Anrechnung kommen.
Auf Grund der bisherigen, im Laufe der Jahre
allmählich gewachsenen Hriedensprä'senzsta'rke ver-
fügte das deutsche Heer 1892 über:
3 Jahrgänge Aktivstand.....517 206 Mann
4 " Reserve......611075. "
6 " Landwehr 1. Aufgebots 762 61H "
6 " " 2. " 659027 "
2 549 921 Mann,
also rund über 2^ Mill. ausgebildeter Mann-
schaften. Auf Grund der neuen Friedenspräsenz-
stärke, d. h. natürlich, wenn diese im Laufe der Zeit
bis zu den ältesten Jahrgängen wirksam geworden
ist, wird Deutschland bei einem jährlichen Rekruten-
kontingent von 228500 Mann unter Zurechnung
von 9000 Einjährig-Freiwilligen in 24 Jahrgängen
nach Abzug von 25 Proz. Ausfall über rund 4 300 000
Mann verfügen und damit Frankreich (3 Jahrgänge
aktive Annee, 10 Jahrgänge Neferve der aktiven
Armee, 6 Jahrgänge Territorialarmee und 6 Jahr-
gänge Reserve der Territorialarmee mit rund etwa
4 Mill. Mann) etwas überflügeln, hinter Ruhland,
dessen Gesamtstärke bei entsprechender Rechnung
auf etwa 5 Millionen steigt, immerhin noch bedeu-
tend zurückbleiben. Österreich-Ungarn verfügt über
einen "Grundbuchstand" von etwa 1^ Mill. aus-
gebildeter Mannschaften des stehenden Heers und
der österr. und ungar. Landwehr, wozu noch etwa
2/2 Mill. Landsturm zu rechnen ist. Legt man die
Zahl der jährlich zur Einstellung kommenden Re-
kruten ^ 153000 Mann zu Grunde, so würden
24 Jahrgänge (entsprechend den 24 Jahrgängen
des deutschen Heers und bei Abrechnung von eben-
falls etwa 25 Proz. Abgang) ungefähr 2^ Mill.
ausgebildeter verfügbarer Mannschaften ergeben.
Die Kriegsstärke der ital. Armee wurde für 1892
auf etwa 1745000 Mann berechnet.
In betreff des zweiten der drei Punkte, welche
für die Kriegsbrauchbarkeit neu aufzustellender
Kriegsformationen von Bedeutung sind, Besetzung
derselben mit tüchtigen Offizieren, ist Deutschland,
obwohl auch hier der Bedarf quantitativ nur sehr
dürftig gedeckt ist, den fremden Heeren der Quali-
tät nach bedeutend überlegen, da dem deutfchen Re-
serve- und Landwehr-Offizierkorps Rußland und
Frankreich, trotz aller in dieser Richtung gemachten
Anstrengungen, etwas Ebenbürtiges entgegenzu-
setzen nicht im stände sind.
In betreff des dritten Punktes - Aufstellung
der Kriegsformationen in Anlehnung an schon be-
stehende feste Rahmen des Friedensstandes - waren
Rußland sowohl wie Frankreich seit längerer Zeit
dem deutschen Heere bedeutend überlegen. Rußland
schritt von Jahr zu Jahr auf dem eingeschlagenen
Wege weiter, sog. permanente Reservecadretruppen-
teile zu formieren, welche im Kriegsfall durch Ein-
stellung von Reservisten sich derart erweitern sollen,
daß sich aus einer Friedenscompagnie ein Kriegs-
bataillon, aus einem Zuge Artillerie des Friedens-
standes eine Kriegsbatterie entwickelt; für alle diese
Kriegsformationen sind die höhern Verbände schon
im Frieden formiert. Durch dieses System der Re-
servetruppen hat Ruhland seine bei Beginn des Krie-
ges verfügbare Operationsarmee säst verdoppelt.
Frankreich hat dasselbe Ziel in anderer Weise zu
erreichen gesucht, indem jedes Linienregiment durch
starke Vermehrung der Chargen des Friedensstandes
in den Stand gesetzt ist, den vollständigen Rahmen
für ein entsprechendes Reserveregiment abzugeben,
ohne seinen eigenen Bedarf irgend zu schädigen. So
ist auch Frankreich im stände, die Zahl seiner Regi-
menter bei Ausbruch des Krieges sofort zu verdop-
peln. Allen diesen Maßnahmen hatte Deutschland
bisher nichts Ahnliches entgegenzustellen (s.Friedens-
präsenz), denn für die Aufstellung von Neuforma-
tionen waren irgendwelche Rahmen nirgends vor-
handen. Diesem Mangel hat das neue Heergesetz
wenigstens einigermaßen abgeholfen, indem bei
jedem der 173 Infanterieregimenter des Friedens-
standes außer den bisherigen drei Feldbataillonen
ein sog. viertes Halbbataillon von zwei Compagnien
zur Aufstellung kommt, welches als Rahmen für
einen Teil der Kriegsformationen benutzt werden
kann. Im Frieden soll dieses Halbbataillon die drei
andern Bataillone von verschiedenen die Feldaus-
bildung störenden Aufgaben entlasten. Außerdem
wird der Friedensetat für einen Teil der 538 Infan-
terie- bez. Iägerbataillone um ein geringes erhöht.
Die andern durch das neue Heergesetz vorgesehe-
nen Friedens-Neuformationen sind folgende:
60 Batterien Feldartillerie (früher 434, jetzt 494)
6 Bataillone Fußartillerie ( " 31, " 37)
3 " Pioniere ( " 20, " 23)
2 Eisenbahnbataillone ( " 5, " 7).
Die Kavallerie ist nicht vermehrt, der Train nur un-
bedeutend innerhalb der vorhandenen 21 Bataillone.
Das Nähere über das Heerwesen der einzelnen
Staaten findet sich in den Artikeln Teutsches Heer-
wesen, Französisches Heerwesen u. s. w.
Folgende Tabelle giebt eine vergleichende übersickt
über die Friedensstärke der Heere der europ. Groß-
staaten nach den Haupttruppengattungen 1892/93.
Friedensstärke der Heere der europäischen Großstaaten 1892/93.
Staaten
Infanterie
und
Jäger
Kavallerie
Feld-
artillerie
Fuß-
artillerie
Pioniere
u. Eisen-
bahn-
truppen
Train
Be-
sondere
For-
mationen
Deutschland...........
" vom 15. Okt. 1893 ab
Frankreich............
Großbritannien.........
Italien.............
Asterreich-Ungarn........
Europäisches Rußland.....
Türkei..............
328 518
381124
328 860
142 125
139 448
179 502
491 653
98 400
65 311
65175
73 006
18 412
24131
46 864
109 027
30 400
48 384
58 424
54 846
17159
22 941
19 400
35 657
30 953
26 011
75 689
20 800
7 346
23 500
12 200
12 719
19 015
12 623
6 656
7 604
9 564
19 020
3 900
6 836
7 527
10180
3 465
1995
2100
8 056
2 887
44 993
14 045
31017
45 325
30 060
15 500
486 983
557 093
543 908
216 895
233 153
318 077
750 914
183 300