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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Herdbuch - Herder (Joh. Gottfr. von)
In der Technik bezeichnet H. Gegenstände verschiedener Art. Im Hüttenwesen nennt man H. den Raum, in welchem eine Feuerarbeit vor sich geht, ferner den Schmelzraum der Schachtöfen zur Gewinnung von Blei, Kupfer, Eisen u. s. w., auch die von Bleioxyd durchdrungene Mergelmasse, welche zum überkleiden der Sohle der Treiböfen gedient hat. In der Eisengießerei bezeichnet man mit H. den Boden der Gießhalle, in welchem eine als Form für den sog. Herdguß (s. d.) dienende Vertiefung hergestellt ist. Bei der Aufbereitung der Erze versteht man unter H. eine Anzahl Vorrichtungen (Rundherde, Stoßherde u. s. w.), die bei der Trennung sehr feinkörniger Erz- und Gesteinsgemische benutzt werden (s. Aufbereitung). In der Schmiede heißt H. die Feuerstelle, in oder auf welcher die Erhitzung des Eisens stattfindet. (S. auch Feuerungsanlagen, Bd. 6, S. 744 b.)
Herdbuch oder Zuchtstammbuch, eine in ein Buch geordnete Zusammenstellung beglaubigter Abstammungsnachweise von Zuchttieren. Da das Vorhandensein der von den Zucht- und Gebrauchstieren einer bestimmten Nasse, Schlags oder Zucht verlangten Eigenschaften um so wahrscheinlicher ist, je reiner die Eltern und Voreltern des Tieres in der bestimmten Nasse fortgezüchtet sind und je vorzüglicher die Vorfahren desselben in der gewünschten Richtung beschaffen waren, so werden, um die verlangten Nachweife zur Verfügung zu haben, Zuchtstammbücher ausschließlich bei Kulturrassen, -Schlägen und -Zuchten geführt, die durch zweckmäßige Auswahl der Zuchttiere entstanden und bei denen infolgedessen die Eigenschaften und die Rassereinheit dieser Individuen von hervorragender Bedeutung sind. Das älteste, bis zur Gegenwart fortgesetzte H. ist das 1808 zuerst erschienene engl. General stud book, das die Abstammungsnachweise der engl. Vollblutpferde enthält. Nach dem Vorbilde Englands wurden in neuerer Zeit in den meisten Viehzucht treibenden Ländern Europas, Amerikas und Australiens ebenfalls H. angelegt, zu welchem Zweck sich eigene Herdbuchgesellschaften bildeten. - Vgl. Stammzuchtbuch deutscher Zuchtherden, hg. von W. Janke (Brest. 1864); Deutsches H., hg. von Settegast und Krocker, fortgesetzt von Martiny u. a. (Bd. 1-8, Berl. 1868 fg.); Martiny, Die Zuchtstammbücher aller Länder (Brem. 1883); Martiny und Biernatzky, Die Zuchtbuchführung für Rindvieh an einem Beispiele für die Praxis erläutert (ebd. 1883); ferner die Handbücher der einzelnen Viehrassen.
Herdecke, Stadt im Kreis Hagen des preuß. Reg.-Bez. Arnsberg, 7 Km von Hagen, an der Ruhr und an den Linien Düsseldorf-Hagen-Dortmund, Steele-H. (35,6 km) und Hagen-Witten-Dortmund der Preuß. Staatsbahnen (2 Bahnhöfe), hat (1890) 4214 E., darunter 1009 Katholiken und 37 Israeliten, Post zweiter Klasse, Telegraph, alte Kirche, 810 erbaut und 1860 renoviert, Rektoratsschule, Sparkasse, Gasanstalt, Wasserleitung; Gerbereien, Färberei, Steinhauereien, Holzschleiferei, Baubeschlägefabrikation und bedeutende Steinbrüche (besonders Pflastersteine). Auf dem Kaisberg ein Turm (28 m) zur Erinnerung an den Freiherrn von Stein.
Herder, Joh. Gottfr. von, Schriftsteller und Dichter, wurde 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreußen geboren, wo sein Vater Mädchenschullehrer und Kantor war. Er besuchte die Lateinschule seines Geburtsortes, deren Rektor ihn auch im Griechischen und Hebräischen unterrichtete. 1760 kam er als Famulus und Abschreiber in das Haus des Diakonus Trescho, dessen Bibliothek er eifrig benutzte. 1762 erbot sich ein russ. Regimentschirurg, der gerade in Mohrungen in Quartier gelegen hatte, den jungen H. mit nach Petersburg zu nehmen, ihn die Chirurgie zu lehren und ihm auch Hilfe für eine Thränenfistel, woran er litt, zu verschaffen, wofür ihm H. eine mediz. Abhandlung ins Lateinische übersetzen sollte. H. nahm das Anerbieten mit Freuden an und folgte dem neuen Freunde bis Königsberg. Dort aber siel er bei der ersten Sektion in Ohnmacht, sodaß er von dem Studium der Chirurgie absehen muhte. Entschlossen, sich nunmehr der Theologie zuzuwenden, fand er Freunde, die ihm eine Stelle als Lehrer am Friedrichskollegium verschafften, bei der es ihm an Zeit zu eigenen Studien nicht mangelte. In dieser Zeit machte er die Bekanntschaft Kants, der ihn alle seine Kollegien unentgeltlich hören ließ. Doch konnte sich H. nie mit der strengen philos. Schule befreunden; inniger schloß er sich an Hamann an. Von dem edelsten Eifer beseelt, suchte er feine Kenntnisse fortwährend zu erweitern und ermüdete nicht, Kunst, Poesie, Naturwissenschaft und Geschichte zu durchforschen. Im Herbst 1764 ging er als Kollaborator an die Domschule nach Riga, mit welcher Stelle später für ihn ein Predigtamt verbunden wurde. Als geistlicher Redner fand er so großen Beifall, daß man beschloß, eine geräumige Kirche zu bauen. 1767 wurde ihm von Petersburg aus das Inspektorat der dortigen St. Petrischule angetragen; allein er lehnte diesen Ruf ab, legte 1769 sogar seine Stelle in Riga nieder, um eine größere Reise zu unternehmen. H. war bereits in Paris angekommen, als er zum Erzieher und Reiseprediger des Prinzen von Holstein-Eutin auserwählt wurde. Er reiste deshalb nach Eutin und von da nach einigen Monaten mit dem Prinzen nach Straßburg, wo er bald seine Stellung aufgab, aber wegen eines alten Augenübels noch ein halbes Jahr verweilte. Hier befreundete er sich mit Goethe, auf den er bedeutenden Einfluß gewann.
H. hatte schon durch mehrere Schriften, meist kritisch-polemischen Inhalts, m denen er mit jugendlicher Kühnheit und nicht ohne Heftigkeit für und gegen Lessingsche und Winckelmannsche Kunstansichten, gegen Flachheiten und Irrtümer der Aufklärung ankämpfte, vorzüglich durch die "Fragmente über die neuere deutsche Litteratur" (1767) und die "Kritischen Wälder" (1769) einen bedeutenden Ruf erworben, für die Theologie aber noch nichts von Bedeutung geliefert. Dennoch erhielt er in Straßburg den Ruf als Hauptprediger, Superintendent und Konsistorialrat nach Bückeburg, wohin er 1771 abging. Hier erwarb er sich bald auch einen ausgezeichneten Namen als Theolog, sodaß er 1775 als Professor der Theologie nach Göttingen berufen ward. Er zögerte mit der Annahme, weil der König. die Berufung nicht unbedingt bestätigt und man ein Kolloquium verlangt hatte. Als er im Begriff war, sich für Göttingen zu entscheiden, erhielt er den durch Goethe ausgewirkten Ruf als Hofprediger, Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat nach Weimar. Hier, wo H. im Okt. 1776 ankam, reiften die schönsten Früchte seines reichen Geistes. Geliebt und geehrt von dem Fürstenhause, erhielt er manchen öffentlichen Beweis der Anerkennung. Er wurde 1789 Vicepräsident, 1801 - der erste Bürgerliche - Präsident des Oberkonsistoriums und hierauf von